Nur auf den ersten Blick haben die Kläger gegen die Doppelbesteuerung der Renten verloren. Sie erstritten Wichtiges für viele Rentner.

Oberflächlich betrachtet haben die Kläger gegen die Doppelbesteuerung der Rente vor dem höchsten deutschen Finanzgericht eine Niederlage eingefahren. Trotzdem können sich die Verlierer - zumindest von einem der beiden aktuellen Verfahren - als Sieger fühlen. Denn sie haben Wichtiges für Millionen von Rentnern erstritten.

Selbst wenn der Bundesfinanzhof in München in seinen jüngsten Urteilen vom Montag die Beschwerden abgewiesen hat, so haben die Senioren doch Beachtliches erreicht: Nämlich die höchstrichterliche Anerkennung, dass es das grundsätzliche Problem einer rechtswidrigen Doppelbesteuerung der Altersbezüge gibt sowie das juristische Zugeständnis, dass es sich in Zukunft noch verstärken dürfte - besonders für Männer, Ledige, Selbstständige.

Doppelbesteuerung von Renten: Beharrlichkeit der Kläger zahlt sich aus

Trotz der Niederlage vor Gericht, können sich die Kläger beim Thema Rentenbesteuerung als Sieger fühlen, sagt Kommentator Alessandro Peduto.
Trotz der Niederlage vor Gericht, können sich die Kläger beim Thema Rentenbesteuerung als Sieger fühlen, sagt Kommentator Alessandro Peduto. © FMG | FMG

Der Beharrlichkeit der Kläger ist es auch zu verdanken, dass der Finanzhof jetzt Empfehlungen gegeben hat, wie eine solche rechtswidrige Besteuerungspraxis für Millionen von aktuellen und künftigen Ruheständlern zu verhindern ist.

So dürfen nach Einschätzung der Richter weder der Grundfreibetrag noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rente mit einbezogen werden. Auch diese Praxis zuungunsten vieler Ruheständler hat das Gericht beanstandet.

Es bedarf nicht all zu großer Fachkenntnis, um zu erkennen, dass das Urteil eine heftigen Klatsche für die Finanzämter und vor allem auch für deren obersten Dienstherrn, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), ist. Sein Ressort hat sich lange Zeit dagegen verwahrt, dass es bei der steuerlichen Belastung der Rente irgendeine Art von Schieflage geben könnte. Nun wurde sein Ministerium öffentlich abgewatscht. Mit erfrischender Klarheit haben die Richter dem Fiskus Änderungen an der bisherigen Besteuerungspraxis nahegelegt. Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Doppelbesteuerung der Renten.

Olaf Scholz muss nun im Wahlkampf mit erbosten Rentnern rechnen

Für Scholz, der zugleich SPD-Kanzlerkandidat ist, könnten es jetzt ziemlich ungemütliche Wochen bis zur Bundestagswahl werden. Denn eine Front von Millionen erboster Rentnern vor sich zu haben, ist nichts, was im Wahlkampf beflügelt.

Zwar hat das Finanzministerium bereits kurz nach den Urteilssprüchen angekündigt, die Regelungen zur Rentenbesteuerung entsprechenden zu ändern und für Entlastungen zu sorgen. Doch fragt sich, wie glaubwürdig dieser Sinneswandel ist. Bisher hatte Scholz’ Ministerium nämlich keinerlei Einsicht bei diesem Thema an den Tag gelegt, und das, obwohl sich vermutlich an kaum einer anderen Stelle in Deutschland mehr finanzpolitischer Sachverstand vereint. Man hätte das Problem – so wie jetzt die Münchner Richter – vor langem erkennen und beheben können.

Dass es nicht geschah, legt die Vermutung nahe, dass die steuerliche Benachteiligung der Ruheständler vom Fiskus billigend in Kauf genommen wurde. Die Zusatzeinnahmen im Staatssäckel sind eben höchst willkommen. Das Urteil zeigt der „kreativen Buchführung“ der obersten Haushälter nun die Grenzen auf.

Reformen könnten Mindereinnahmen von 90 Milliarden Euro bedeuten

Für die Staatsfinanzen wird das Urteil womöglich weitreichende Folgen haben. Nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten Reformen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung dem Bundeshaushalt Mindereinnahmen in Höhe von schätzungsweise 90 Milliarden Euro zwischen 2020 und 2040 bescheren.

Das lässt sich natürlich auch anders herum formulieren: Durch die Abschaffung der Doppelbesteuerung haben Ruheständler 90 Milliarden Euro mehr in der Tasche. Auch das dürfen sich die unterlegenen Kläger als Erfolg zugutehalten.

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