Berlin. Vom dauergrinsenden Boulevardwortspieler zum Gastgeber eines relevanten Fernsehtalks: Markus Lanz ist gewachsen, so ein Medien-Experte.

Plauschereien über Extremsport und Abenteuer scheinen der Vergangenheit anzugehören – bei „Lanz“ (ZDF) geben sich jetzt Politikerinnen, Politiker und Polit-Professorinnen und Professoren die Klinke in die Hand.

Vorbei mit seicht, Markus Lanz (52) macht jetzt Klug-TV. Für sein Gespräch mit dem CDU-Vorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet gab es sogar Bestnoten für den Moderator. So politisch sich Lanz (ZDF) gibt, so sehr hebt er sich dennoch von anderen Polit-Talkshows ab. Ein Gespräch mit Medien-Experte Bernd Gäbler.

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Statt lockerer Unterhaltung geht es in Talkshows mittlerweile immer politischer zu. Jetzt auch bei Markus Lanz, der ja bekannt dafür war, auch gern mit Größen aus der bunten Promi-Welt zu plauschen. Werden Talkshows zunehmend zur politischen Bühne?

Bernd Gäbler: Schon immer gab es zwei Sorten von Talkshows: Bei Will, Plasberg und Illner ging und geht es vornehmlich um Politik; bei „3nach9“, „Riverboat“ und anderen um freundliches Plaudern. Auch Politiker haben immer schon beide Talktypen als Bühnen genutzt. Wenn die Zeiten ernster werden, wird auch der Talk relevanter. Markus Lanz schafft es, das scheinbar leichte Plaudern mit ernsten Themen und konfrontativem Nachbohren zu verbinden.

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Laut Studie konnte Lanz seine Reichweite im Vergleich zur Prä-Corona-Zeit bei den 14 bis 49-Jährigen mehr als verdoppeln. Woran liegt das?

An den härteren Zeiten. Auch während einer Coronapandemie darf es zwar gerne unterhaltsam sein, aber eben nicht mehr nur seicht und substanzlos. Das hat Markus Lanz erkannt. Die anderen Politik-Talkshows sind vor allem auf einen Schlagabtausch aus. Demgegenüber kann sich Markus Lanz einem Gast länger und tiefgründiger widmen. Er kann freundlich sein und zupackend, beherrscht inzwischen den Wechsel von Rhythmus und Tonarten. Das macht die Sendung interessant.

Polit-Talk bei Markus Lanz (l.) mit dem zugeschalteten Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern.
Polit-Talk bei Markus Lanz (l.) mit dem zugeschalteten Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern. © dpa | Markus Hertrich

Haben sich die Zeiten geändert – oder hat sich Markus Lanz geändert?

Beides. Aber der Talker muss den Zeitenwechsel ja bemerken und sich verändern wollen. Markus Lanz ist das erstaunlich gut gelungen. Wie die Erfahrung aller Gesprächssendungen - von Larry King über Alfred Biolek bis Beckmann – lehrt, braucht es den Mut, das Format zu purifizieren, also allen Firlefanz wegzulassen und sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Lanz ist diesen Weg gegangen.

Hilft bei der Kanzlerkandidaten-Vorentscheidung?

Die Talkshow „Markus Lanz“ hat sich zumindest zum Öffentlichkeits-TÜV für Politikerkarrieren gemausert. Talkshows können und sollen keine demokratischen Entscheidungen treffen, aber es ist zu einer echten Prüfung geworden, bei „Markus Lanz“ zu bestehen oder gar einen guten Eindruck zu hinterlassen, was Markus Söder sicher besser gelungen ist als Armin Laschet.

Wo sind die Grenzen der Talkshows?

In und durch Talkshows entstehen beim Publikum Eindrücke von den Akteuren. Es geht also um die Personen. Sind diese freundlich, gewieft, kenntnisreich? Wirken sie selbstbewusst, aufrichtig und zupackend oder zögerlich? Die Zuschauer machen sich also ein Bild. Schwerer ist es schon zu überprüfen, ob jemand sachgerecht oder logisch argumentiert. Bei Talkshows besteht stets die Gefahr, dass Politik reduziert wird auf die Dramaturgie zwischen Personen. Markus Söder gibt das Bild eines strikten Corona-Managers ab – aber wie konsequent ist seine Pandemiebekämpfung wirklich? Die Grünen präsentieren sich als ebenso konsequente wie menschliche Alternative – aber wie sieht die Leistungsbilanz der grünen Gesundheitsminister in den Ländern tatsächlich aus? Dazu braucht es Fakten, Empirie, Recherche, nicht bloß Eindrücke. Allein mit Reden kommt man da nicht weit. Das ist die Grenze des Talks beim Nachdenken über Politik und Gesellschaft.

Kann man seine Bildung aus Talkshows beziehen?

Bildung ist sicher etwas anderes, aber Eindrücke, Erfahrungen, sogar Kenntnisse und Wissen kann man auch aus Talkshows beziehen. Aber natürlich gilt auch: Wer mehr weiß, sieht auch mehr. Talkshows sind also ein legitimer, auf die öffentliche Wirkung bezogener Teil von Politik. Man kann durch Talkshows im Idealfall sogar klüger werden – insbesondere dann, wenn man sich bemüht zu durchschauen, warum sich wer wie in Szene setzt.

Zur Person: Prof. Bernd Gäbler unterrichtet Journalismus in Bielefeld, war von 2000-2005 Chef des Grimme-Instituts in Marl und hat für die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie über Politik-Talkshows mit dem Titel „Unseren täglichen Talk gib’ uns heute“ verfasst.

„Lanz“ – So liefen die vergangenen Sendungen