Berlin. Markus Söder wäre der dritte CSU-Kanzlerkandidat – nach Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, die bei der Bundestagswahl unterlagen.

Auf der Heimfahrt am späten Abend eröffnet Edmund Stoiber seiner Ehefrau Karin: "Übrigens, morgen kommt die Merkel zu uns zum Frühstück." Die Stoibers tischen auf, der Gast serviert die Kanzlerkandidatur. Lesen Sie auch: Helmut Kohl, Machtmensch und Partner

Es ist der 11. Januar 2002 morgens um acht Uhr, und dieses Frühstück in Wolfratshausen markiert die zweite, bislang letzte Chance der CSU auf das Kanzleramt. Formal ist es ein Verzicht der CDU-Vorsitzenden zugunsten des CSU-Amtskollegen und bayerischen Ministerpräsidenten. In Wahrheit ist es das Ende eines Dramas.

Merkel und Stoiber - Gerücht über Handel über Kanzlerkandidatur

Angela Merkel hatte erfahren müssen, dass wichtige CDU-Politiker nicht ihr, sondern Stoiber einen Sieg gegen den damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder zutrauten, allen voran Fraktionschef Friedrich Merz. Bis heute hält sich das Gerücht, dass Merkel und Stoiber einen Handel eingingen. Er sollte Kanzlerkandidat werden, sie nach der Wahl Fraktionschefin. So kam es dann auch. Aus dem Archiv: Helmut Kohl war einst der Reformator der CDU

Rückblickend gilt die Fahrt nach Wolfratshausen als Beleg für Merkels taktische Raffinesse. Damals ist es Schadensbegrenzung. Sie steht mit dem Rücken zur Wand. Wie heute Armin Laschet will auch sie nicht verzichten.

K-Frage in der Union: CSU-Leute müssen nach Kandidatur greifen

CSU-Leute kriegen eine Kandidatur nicht geschenkt oder angetragen, sie müssen danach greifen. Stoiber will und hatte die richtigen Leute in der CDU auf seine Seite gezogen. Bei der Bundestagswahl 2002 verliert er denkbar knapp.

Dagegen war die Niederlage von Franz Josef Strauß 1980 eindeutig. Mit 44,5 Prozent lieferte er das damals schlechteste Wahlergebnis für die Unionsparteien seit 1949 ab – vier Jahre zuvor hatten sie mit Helmut Kohl 48,6 Prozent geholt – die absolute Mehrheit zum Greifen nahe. Auch interessant: Der legendäre Franz Josef Strauß prägte die CSU

Wie sehr man außerhalb des Freistaates mit einem bayerischen Kandidaten fremdelte, zeigt der Vergleich mit Nordrhein-Westfalen. In Bayern holte die CSU 57,6 Prozent der Zweitstimmen, in NRW nur 40 Prozent.

Das Superwahljahr 2021

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    Strauß hielt Kohl für ungeeignet

    Der Machtkampf Kohl gegen Strauß wurde ähnlich wie heute der zwischen Söder und Laschet unverhohlen ausgetragen. Die CSU hatte sogar damit gedroht, über Bayern hinaus anzutreten.

    Kohl wusste, dass Strauß ihn für ungeeignet hielt, für einen Verlierer. Er schlug den populärsten CDU-Politiker als Kandidaten vor: den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, den Vater der heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

    Die CSU und Strauß auf den Barrikaden

    Der CDU-Vorstand hob Albrecht auf den Schild, die CSU und Strauß gingen auf die Barrikaden. Der Machtkampf wurde dadurch gelöst, dass die Unionsfraktion im Bundestag über den Kanzlerkandidaten abstimmte – ein Verfahren, das heute ebenfalls in der Diskussion ist. Lesen Sie hier: König Stoiber hält ein letztes Mal Hof

    Wie Merkel bei Stoiber ging Kohl einer Kampfabstimmung aus dem Weg und entledigte sich eines Rivalen: Bei Merkel war es Merz, bei Kohl wiederum Albrecht, der beschädigt nach Niedersachsen zurückkehrte. Kohl wie Merkel wahrten ihre Autorität und sind heute – nach der Amtszeit – Rekordkanzler. Nicht kompromisslose Rauferei, Verzicht ebnet den Weg zur Macht.