Berlin. Historischer Moment: Die Oster-Ruhetage sind Geschichte. Kanzlerin Merkel übernahm die Verantwortung und sprach von einem “Fehler“.

  • Die Bundesregierung hat am Mittwoch die jüngst beschlossene Osterruhe gekippt
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dafür die Verantwortung übernommen
  • Sie bat die Bürgerinnen und Bürger öffentlich um Verzeihung
  • Im Bundestag musste sich Merkel mit den Attacken mehrerer Fraktionen auseinandersetzen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die jüngst beschlossene Osterruhe am Mittwoch gestoppt und dafür die volle politische Verantwortung übernommen. "Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler", sagte Merkel am Mittwoch bei einem kurzfristig anberaumten Presse-Statement im Anschluss an eine Videoschalte mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder. Lesen Sie dazu: Merkels Oster-Desaster: Ein schwerer politischer Fehler

Merkel sagte, der Beschluss zur Osterruhe habe in der Bevölkerung zusätzliche Verunsicherung ausgelöst. "Das bedaure ich zutiefst". Merkel betonte: "Dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung." Ein Fehler müsse als Fehler benannt und als solcher korrigiert werden.

Osteruhe zurückgenommen: Zu viel Fragen waren offen

Die Idee der Osterruhe sei in bester Absicht entworfen worden, es habe sich aber gezeigt, dass sie in der kurzen Zeit nicht umsetzbar sei. Viele Fragen, von Lohnfortzahlung bis hin zur Lage in den Geschäfte und Betrieben, hätten in der Kürze der Zeit nicht so gelöst werden könne, wie es notwendig gewesen wäre.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bittet in einem Pressestatement für die Verwirrung um die Osterruhetage am Mittwoch um Verzeihung
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bittet in einem Pressestatement für die Verwirrung um die Osterruhetage am Mittwoch um Verzeihung © AFP Pool/dpa | Stefanie Loos

Bund und Länder hatten in der Nacht zu Dienstag unter anderem einen verschärften Oster-Lockdown vom 1. bis 5. April beschlossen, um das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben stärker herunter zu fahren. Der Gründonnerstag und der Karsamstag sollten dafür zu Ruhetagen erklärt werden. Daran war aber massive Kritik laut geworden, es gab zudem große Verwirrung um die praktische Umsetzung. Das könnte Sie interessieren: Corona-Zahlen steigen – Ausgangsbeschränkungen möglich

Spontaner Corona-Gipfel: Merkel hielt emotionale Rede

Die Unterredung mit den Ministerpräsidenten zuvor hatte mit einer längeren, sehr emotionalen Rede von Merkel zum Osterlockdown begonnen: "Das war ein Fehler und ich übernehme die Verantwortung", sagte sie.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte einen Staatssekretär Kerber, der doch gesagt hätte, die Osterruhe sei umsetzbar. Für die Entscheidung der Kanzlerin hatte Söder aber Respekt. "Ich habe persönlichen Respekt vor der Erklärung der Kanzlerin. Es ist am Ende besser jetzt abräumen, wenn es rechtlich nicht geht". Letztlich seien die Verfahrensabläufe "auch Teil des Problems". Lesen Sie auch: Corona: Müssen jetzt auch Friseure wieder schließen?

Auch andere Länderchefs wie Armin Laschet (CDU), Tobias Hans (CDU), Manuela Schwesig (SPD) und Michael Kretschmer (CDU) äußerten Respekt vor der Ansprache der Kanzlerin und stellten sich hinter sie. Der Beschluss sei gemeinsam entschieden, betonten sie.

Osterruhe abgesagt: Länder fordern neue Beratungen

Lediglich Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte: "Ich bin sauer." Das Ganze habe Anflüge von Panik. Mehrere Länderchefs plädieren dafür, sich vor Ostern noch einmal zusammenzusetzen. Söder widersprach: Jedes Land könne schon jetzt die Notbremse umsetzen. Das könnte Sie interessieren: Kitas und Schulen: Das wurde beim Gipfel beschlossen

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) entgegnete: Die Simulationen und Prognosen zeigen, dass die Notbremse nicht ausreichen wird. Deshalb sei es wichtig, dass sich alle noch einmal vor Ostern zusammensetzen.

Osterruhe gekippt: Merkel bittet auch im Bundestag um Verzeihung

Im Anschluss stellte sich die Kanzlerin den Fragen des Bundestags. Auch dort bat sie zunächst um Verzeihung. Die Idee sei "mit bester Absicht" entstanden, sagte sie, kurz nachdem sie um 13.05 Uhr ans Mikrofon getreten war. Dennoch sei diese "ein Fehler" gewesen.

Die vielen Fragen nach einer rechtssicheren Umsetzung hätten in der Kürze der Zeit nicht geklärt werden können. Kosten und Nutzen stünden nicht im Verhältnis. Lesen Sie hier: Ruhetag über Ostern gestrichen - Das waren die Pläne

Obwohl alle 16 Länderchefs und Länderchefinnen zugestimmt hatten, übernahm Merkel die Schuld für den Vorgang auf ihre Schultern. "Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler. Denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung."

Kanzerlin Merkel (im orangen Blazer) stellt sich den Fragen der Abgeordneten des Bundestags
Kanzerlin Merkel (im orangen Blazer) stellt sich den Fragen der Abgeordneten des Bundestags © Getty Images | Sean Gallup

Osterruhe zurückgenommen: Unsicherheit über sonstige Beschlüsse bleibt

Zugleich fragen sich viele, was Merkels Rücknahme der Ruhetagsregelung nun praktisch bedeutet. Tatsächlich war in dem jetzt gestrichenen Beschlusspunkt vier zur Osterruhe etwa auch geregelt, dass private Treffen auf den eigenen und einen weiteren Hausstand beschränkt sind, jedoch mit maximal fünf Personen. Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt. Welche Regelung nun stattdessen gelten soll, blieb am Mittwoch zunächst unklar. Das Gleiche gilt für Ansammlungen im öffentlichen Raum, die ebenfalls in Punkt vier „grundsätzlich untersagt“ wurden. Auch dieser Passus ist nun unwirksam, eine Klärung steht aus.

Gestrichen ist auch die „Bitte“ von Bund und Ländern, religiöse Veranstaltungen nur virtuell stattfinden zu lassen. Gottesdienste zu Ostern können somit unter Hygieneauflagen stattfinden, sofern es die jeweiligen Länder erlauben. Führende Intensivmediziner äußerten sich enttäuscht über die Rücknahme des geplanten harten Lockdowns zu Ostern. Da aktuell ein exponentielles Wachstum bei den Intensivpatienten zu sehen sei, „hätte die Osterpause sicherlich wieder einige Infektionen verhindern können, die jetzt unvermeidbar stattfinden werden“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx.

Lesen Sie auch: Lockdown statt Lockerungen – weil wir zu wenig impfen!

Merkel im Bundestag: Parlament will in Entscheidungen eingebunden werden

Massive Kritik gab es bei der Regierungsbefragung am Format des Bund-Länder-Gipfels. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, forderte seine Abschaffung. Es dürfe nicht an einem Entscheidungsmechanismus festgehalten werden, der systematisch Fehler produziere: "Wann legen Sie die Entscheidung zurück in die Hände der Parlamente?"

Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, wollte von Merkel wissen: "Warum misstrauen Sie dem Parlament?" Die Ministerpräsidentenkonferenz sei nicht die richtige Runde für weitreichende Pandemieentscheidungen. Merkel solle dem Bundestag einen Stufenplan mit Kriterien für das weitere Vorgehen in der Pandemie vorlegen.

Doch davon wollte Merkel nichts wissen. Für die Ausführungen des Infektionsschutzgesetzes seien die Länder zuständig, nicht der Bundestag. Es stimme auch nicht, dass der Bundestag außen vor geblieben sei, da er das Infektionsschutzgesetz beschlossen und damit die "Leitlinien" vorgegeben habe. Allerdings räumte Merkel ein, sich bei dieser Frage in einem "Spannungsfeld" zu befinden, das noch nicht gelöst sei: "Dieses Spannungsfeld muss ich aushalten."

Osterruhe: Teile der Opposition fordern Vertrauensfrage

Es war Linksfraktionschef Dietmar Bartsch, der am Mittwochmittag eine Frage stellte, die nicht nur seine Fraktion aufgeworfen hatte: Ob sie sicher sei, noch die Unterstützung ihrer Fraktion und ihres Koalitionspartner zu haben, wollte er von Merkel wissen. Da reichte der Kanzlerin ein Wort: "Ja." Minutenlanger Beifall aus der Unionsfraktion brachte dies zumindest symbolisch zum Ausdruck. Die Kanzlerin selbst ging auf die Forderungen nicht ein. „Wir brauchen endlich konsequente Pandemiebekämpfung. Das geht nur, wenn die Kanzlerin das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments genießt“, sagt Bartsch unserer Redaktion. Er spricht von „Dilettantismus im Kanzleramt“.