Berlin. Ende 2020 bekamen Millionen Menschen kostenlos Schutzmasken in Apotheken. Laut Medienbericht zu einem hohen Preis für den Steuerzahler.

  • Ende des vergangenen Jahres konnten sich Millionen Menschen in Deutschland kostenlose FFP2-Masken in Apotheken abholen
  • Das von Jens Spahn geführte Ministerium sorgte auf diese Weise für einen Geldregen bei den Apotheken in Deutschland
  • Steckt hinter der Hilfsaktion ein Beleg für staatliche Fehlplanung?

Der Geldregen war dem Leiter der Apotheke im Hamburger Stadtteil Ottensen fast ein wenig unangenehm. Vom Staat bekam er anfangs sechs Euro für eine FFP2-Maske, die er im Kampf gegen die Pandemie an Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen verteilen sollte.

Die riesige kostenlose Verteil-Aktion war eine Maßnahme der Bundesregierung, eine Idee aus dem Haus von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Beschlossen im vergangenen Spätherbst – auch um den Menschen in der bevorstehenden Zeit etwas mehr Sicherheit zu bieten, auf Kosten des Staates. Führte eine für den Steuerzahler teure Corona-Maßnahme am Ende auch zu Spendenaktionen für Obdachlose? Lesen Sie auch: Drosten kritisiert Impfstopp von AstraZeneca – und warnt die Politik

Verteilaktion von Schutzausrüstung führt zu starken Einnahmen bei den Apotheken

Rückblick: Der Bund, so der Plan, zahlt den Apotheken Geld, anfangs sechs Euro pro Maske, pauschal. Die Apotheken verteilen die Schutzausrüstung, beraten die Kunden. Später fiel der Preis, den der Staat zahlte. Und doch war vielen Apotheken sofort klar: Das sind riesige zusätzliche Einnahmen, finanziert mit Steuergeld.

So entschied die Hamburger Apotheke, dass sie die Hälfte des Gewinns an Obdachlose spendet. „Die Idee ist, dass man Geld, das man in einer Krise zusätzlich verdient, nicht einfach selbst behalten kann, sondern es weitergibt. Ich könnte das nur mit schlechtem Gewissen einfach einstecken“, sagt Simon Oetter von der Apotheke dem NDR in einem Interview.

Andere Apotheken entschieden genauso, spendeten Geld aus Maskenverkäufen. Doch steckt hinter der Hilfsaktion nicht auch der Beleg für staatliche Fehlplanung? Das legen Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung nahe. Die Unterlagen aus dem Spahn-Ministerium, die von den Journalistinnen und Journalisten ausgewertet wurden, sollen belegen, dass die Regierung bei der Verteilaktion im vergangenen Herbst einen komplizierten Weg wählte. Und einen teuren.

500 Millionen Euro, knapp 30 Millionen Menschen

Die Abgabe von 15 Masken Gratis-FFP2-Masken an Ältere und Bedürftige teilte die Regierung in drei Phasen. Im Dezember konnte jeder und jede über 60 Jahren drei Masken in der Apotheke abholen. Das Gesundheitsministerium kalkulierte, dass knapp 30 Millionen Menschen in Deutschland davon profitieren könnten. Und so überwies der Bund dem Apothekerverband fast 500 Millionen Euro – das Geld floss von dort an die einzelnen Apotheken. Auch in den Hamburger Stadtteil Ottensen.

So werden gebrauchte FFP2-Masken richtig entsorgt

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    Pikant an dem Plan: Egal wie viele Masken die Apotheken verteilten, sie erhielten einen festen Anteil aus dem Haushalt des Bundes: Im Schnitt mehr als 25.000 Euro pro Apotheke.

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    Die entscheidende Frage: Hätte es einen günstigeren Weg gegeben, die Masken einzukaufen und kostenlos an die Deutschen zu verteilen? Mitte November 2020 fiel die Entscheidung in der Bundesregierung für die Masken-Aktion.

    Es regte sich Widerstand gegen die Aktion im Ministerium selbst

    Das Ministerium ließ sich laut der Recherche von externen Wirtschaftsprüfern beraten – und die legten einen deutlich niedrigeren Preis für die Masken an. Ein Einkauf zwischen gut einem Euro und gut vier Euro sei marktüblich.

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    Laut Recherchen von NDR, WDR und SZ gab es von Beginn an Widerstand im Spahn-Ministerium gegen die Aktion. Demnach warnte das Fachreferat den Minister vor „gravierenden Finanzwirkungen“ und wies daraufhin, dass viele Anspruchsberechtigte „durchaus in der Lage sind“, die Masken „selber zu finanzieren“.

    FFP2-Masken bieten bei richtigem Tragen einen hohen Schutz gegen das Coronavirus. Einige Hartz-IV-Bezieher klagen, weil die Masken für sie zu teuer seien.
    FFP2-Masken bieten bei richtigem Tragen einen hohen Schutz gegen das Coronavirus. Einige Hartz-IV-Bezieher klagen, weil die Masken für sie zu teuer seien. © Kira Hofmann/dpa-Zentralbild/dpa

    Doch Minister Spahn soll sich laut Unterlagen persönlich für die Verteilaktion eingesetzt haben, trotz der Bedenken seiner Fachleute. Wie das Ministerium am Ende die Summe von sechs Euro inklusive Mehrwertsteuer pro Maske kalkulierte, bleibt laut dem Medienbericht unklar.

    15.000 Masken gratis für Obdachlose in der Pandemie

    Das Gesundheitsministerium erklärt den Aufschlag, der zum Gesamtpreis von sechs Euro führte, mit der zusätzlichen Arbeit, den den Apotheken bei der großen Verteil-Aktion entstehen würde. Auf Nachfrage von NDR, WDR und SZ teilte die Regierung mit, es seien den Apotheken „erhebliche Anforderungen“ entstanden, etwa durch die Beschaffung, Qualitätsprüfung, Patientenberatung.

    Doch manche Apotheken sahen sich offenbar als Profiteur einer globalen Krise – und wollten sich nicht an den zusätzlichen Einnahmen durch den Staat bereichern. Die Apotheke im Hamburger Statteil Ottensen hat bis heute nach eigenen Angaben 15.000 Masken kostenlos an die Menschen verteilt – und ebenso viele an Obdachlose gespendet.