Berlin. Viele sind pandemiemüde, stellte die Runde bei „Anne Will“ fest. Ein konkreter Stufenplan könnte helfen, doch birgt er auch Risiken.

Lockdown auf Lockdown light, nun auch noch die Gefahr der Mutanten: Bei „Anne Will“ ging es am Sonntagabend um die zermürbende Wirkung der Pandemie. „Schwindendes Vertrauen ins Corona-Krisenmanagement – was muss jetzt passieren?“, lautete der Titel der Sendung. Diskutiert wurde das Thema von einer politikerlastigen Runde.

"Anne Will" - Das waren die Gäste:

  • Jens Spahn (CDU): Bundesminister für Gesundheit
  • Manuela Schwesig (SPD): Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
  • Ralph Brinkhaus (CDU): Unionsfraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke): Bundestagsabgeordnete
  • Georg Mascolo: Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung
  • Cornelia Betsch: Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt

"Anne Will": Mit einem Stufenplan gegen Pandemiemüdigkeit

Wie steht es um die kollektive Psyche im Land? Zu dieser Frage brachte sich Cornelia Betsch ein. Das Vertrauen in das Pandemiemanagement sei von 60 Prozent im März letzten Jahres auf nur noch 40 Prozent gefallen, berichtete die Professorin für Gesundheitskommunikation aus ihrer Forschung. Ursächlich sei, dass die Maßnahmen nicht als effektiv empfunden würden. Das sei problematisch, weil Vertrauen entscheidend für die Befolgung der Regeln sei.

Doch was würde gegen die „Pandemiemüdigkeit“, die Betsch diagnostiziert, helfen? Ihr zufolge wünschen sich viele einfache, einheitliche Regeln – am besten einen Stufenplan, der regional Öffnungen beziehungsweise Einschränkungen bei bestimmten Inzidenzen vorsieht.

Spahn räumt bei "Anne Will" Fehler ein, bleibt aber vage

Das klang plausibel – und war eine indirekte Kritik an der Politik, die erst jetzt über solche Pläne redet. Insofern war es gut, dass Gastgeberin Anne Will den Bundesgesundheitsminister streng nach dessen Fehlern befragte. „Jede Entscheidung kann von jemandem als Fehler gesehen werden“, antwortete Jens Spahn. Schließlich seien immer Menschen betroffen. „Sie müssen in der konkreten Situation entscheiden oder nicht entscheiden – beides hat Folgen.“

Anne Will mit ihren Gästen: Sahra Wagenknecht, Ralph Brinkhaus, Jens Spahn, Georg Mascolo (v.l.), Manuela Schwesig Cornelia Betsch und (Monitor vorne).
Anne Will mit ihren Gästen: Sahra Wagenknecht, Ralph Brinkhaus, Jens Spahn, Georg Mascolo (v.l.), Manuela Schwesig Cornelia Betsch und (Monitor vorne). © NDR/Wolfgang Borrs | NDR/Wolfgang Borrs

Das klang einerseits wie ein großes Zugeständnis: Natürlich haben wir Fehler gemacht. Andererseits war es auch ein geschicktes Lavieren, weil Spahn vage blieb, um nichts Konkretes benennen zu müssen.

Spahn erteilt "No-Covid-Strategie" eine Absage

Doch wie stellt sich der Gesundheitsminister die Zukunft vor? Man müsse die Inzidenzen jetzt möglichst weit herunterbringen und dann „Zug und Zug“ sehen, was bei den Lockerungen möglich sei, stellte Spahn in Aussicht. Dem NoCovid-Ansatz – lange in den Lockdown, um dann nachhaltig öffnen zu können – erteilte er dabei eine Absage: „Alle haben eine Sehnsucht nach etwas, das zehn oder zwölf Monate hält. Aber das geht nicht, weil sich das Virus verändert.“ Lesen Sie hier: "Zero Covid" und "No Covid": Was diese Strategien bedeuten

Vielleicht hat die Ablehnung des No-Covid-Ansatzes auch damit zu tun, dass die Rufe der von den Regeln schwer Betroffenen lauter werden. Deren Position vertrat Sahra Wagenknecht: „Ich finde das nach einem Jahr nicht mehr begründbar, dass man ohne Daten ganze Berufsgruppen in den Ruin treibt“, kritisierte die Links-Politikerin. Damit hatte sie durchaus einen Punkt, schließlich ist nach wie vor oft unklar, wie groß der Anteil der einzelnen Bereiche und Branchen am Infektionsgeschehen ist.

Auch ein Stufenplan ist heikel

Drei bedenkenswerte Punkte machte schließlich der Journalist Georg Mascolo.

  • Erstens: Das Hickhack um die Impfstoffbeschaffung ist kurzsichtig, weil viele andere Staaten noch viel weniger impfen können
  • Zweitens: Ein Lockdown ist immer eine Kapitulation, die bedeutet, dass sich zu viele nicht an die normalen Regeln gehalten haben
  • Und drittens: Auch ein Stufenplan ist eine Herausforderung, weil plötzlich selbst innerhalb von Bundesländern aufgrund von unterschiedlichen Inzidenzen unterschiedliche Regeln gelten können.

Das Fazit

Es war nicht viel Neues, das diese Runde bei „Anne Will“ zutage förderte. Eines machte sie aber noch einmal sehr deutlich: Die Hoffnungen, dass die Kombination aus Impfstoff und nahendem Frühling früh im Jahr eine merkliche Entspannung bringen wird, hat sich zerschlagen. Wir müssen uns auf viele weitere harte Wochen einstellen.

Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek

Anne Will: So liefen die vergangenen Sendungen