Berlin. Seit mehr als 100 Jahren dürfen Frauen in Deutschland wählen. Der Kampf ums Frauenwahlrecht begann aber schon viele Jahrzehnte zuvor.

Die erste Wahl zur Nationalversammlung der Weimarer Republik im Jahr 1919 war ein Meilenstein der Emanzipation. Es war die erste nationale Wahl auf deutschem Boden, bei der Frauen ihre Stimmen abgeben oder sich in den Reichstag wählen lassen durften.

Doch die Geschichte des Wunsches der Frauen nach politischer Teilhabe begann nicht erst nach dem zweiten Weltkrieg, sondern einige Jahrzehnte zuvor. Schon während der gescheiterten Revolution im Jahr 1848 veröffentlichte die Schriftstellerin Louise Otto die “Frauen-Zeitschrift”, in der sie das Wahlrecht für Frauen forderte.

Im Kaiserreich wächst der Wunsch nach politischer Mitbestimmung

Nach der deutschen Reichsgründung wurden die Stimmen, die politische Emanzipation forderten, lauter. Im Jahr 1876 veröffentlichte die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm das Buch “Der Frauen Natur und Recht”, in dem sie forderte: “Die Frauen fordern das Stimmrecht als ihr Recht. [...] Die Gesellschaft hat keine Befugnis, mich meines natürlichen politischen Rechts zu berauben.”

Ihr Buch wurde gesellschaftlich breit diskutiert - und in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts begannen die Frauen, sich zu organisieren. Ab 1902 gründeten sich erste Frauenstimmrechtsverbände, die mit Demonstrationen und in Zeitschriften ihr Recht einforderten.

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Gleichberechtigung: Ab 1908 dürfen Frauen sich politisch engagieren

1908 erlebten die Frauenverbände einen großen Mitgliederzuwachs, weil ein neues Gesetz erlassen wurde, das Frauen reichsweit erlaubte, sich politisch zu engagieren. Vorreiterinnen der Frauenrechtsbewegung, etwa die Kommunistin Clara Zetkin, hatten sich da schon international organisiert, um Druck auf die Regierungen in Europa und den Vereinigten Staaten ausüben zu können.

Clara Zetkin, aufgenommen während des Internationalen Kongresses für gesetzlichen Arbeitsschutz im Jahre 1897 in Zürich (Schweiz).
Clara Zetkin, aufgenommen während des Internationalen Kongresses für gesetzlichen Arbeitsschutz im Jahre 1897 in Zürich (Schweiz). © ADN/dpa/dpa | ADN/dpa/dpa

Im Ersten Weltkrieg kamen die Bemühungen der Frauenverbände, politische Mitbestimmung zu erwirken nahezu zum erliegen. Das änderte sich zum Osterfest im Jahr 1917. Kaiser Friedrich Wilhelm II. hielt eine Ansprache an die Bevölkerung. Darin erwähnte er zwar geplante Reformen des Wahlrechts, erwähnte das Frauenwahlrecht allerdings mit keinem Wort.

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Das Ende der Monarchie besiegelt das Frauenwahlrecht

In den folgenden Monaten bildete sich in Reaktion auf die Ansprache ein breites, national organisiertes Frauenbündnis, dass mit Großdemonstrationen den Wunsch nach politischer Mitbestimmung auf die Straße trug.

Erfolg sollte diese Bewegung allerdings erst nach dem Krieg haben: Nachdem der kommunistische Matrosenaufstand in Kiel und Wilhelmshaven die Monarchie zu Fall brachte, übernahm der Rat der Volksbeauftragten, bestehend aus Mitgliedern der SPD und USPD, die politischen Geschäfte.

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Nach langem Kampf: Im Januar 1919 durften Frauen erstmals wählen

Am 12. November 1918 verkündete der Rat schließlich, wofür Zehntausende Frauen in Deutschland seit Jahrzehnten gekämpft hatten: An den ersten Reichstagswahlen sollten “alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen” teilnehmen dürfen.

Der Erlass wurde am 30. November 1918 juristisch festgezurrt. Nur anderthalb Monate später, am 19. Januar 1919, durften Frauen zum ersten Mal bei nationalen Wahlen ihre Stimme abgeben. Es war das Ergebnis eines 70-jährigen Kampfes.

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