Berlin. “Habe kein Talent für Freundschaften“: Christian Ulmen über „Jerks“, seinen Ärger über eine verratene „Tatort“-Wendung und wilde Jahre bei MTV.

Christian Ulmen (45) ist auffällig unauffällig – die Idealbesetzung für Typen, denen man auf dem ersten Blick keine Abgründe zutraut und auf dem zweiten Blick alle. Ulmen und Fahri Yardim spielen in der Comedy-Serie „Jerks“ zwei Kumpel, die sich durch die Widrigkeiten des Alltags schlagen und dabei viel an Sex denken. Eine neue Doppelfolge gibt es jetzt kostenlos auf dem Streamingdienst Joyn. Neujahr ermittelt der gebürtige Neuwieder erneut als Weimarer „Tatort“-Kommissar Lessing im Ersten.

Sie hatten beim Dreh der neuen „Jerks“-Folgen ein Corona-Präventionsteam am Drehort, aber Corona selber kommt nicht vor. Warum nicht?

Christian Ulmen: Für „Jerks" sind aktuelle Bezüge nicht so wichtig, mich langweilt das eher. Wir haben mal kurz darüber nachgedacht, aber es fiel uns nicht viel zu Corona ein. Wir wollten uns dann keinen dazu abwürgen. Es geht letztlich darum: Was ist die beste Geschichte?

Die bessere Geschichte war offenbar die von Fahri, der vor der Geburt um die sexuelle Funktionstüchtigkeit seiner Frau fürchtet. Sind Männer so?

Ulmen: Das weiß ich nicht, ob Männer so sind, das interessiert mich auch nicht. „Jerks“ ist keine Serie über den Mann. Was in den Köpfen dieser Figuren passiert, das erzählen wir, aber daraus irgendetwas Allgemeingültiges abzuleiten, finde ich öde. Das wird dem Mann nicht gerecht, und das wird auch der Serie nicht gerecht.

Jedenfalls sind die beiden ziemliche Vollpfosten und manchmal Sexisten, aber auch sympathisch. Vermittelt „Jerks“ die Botschaft: Es ist okay, ein Arschloch zu sein, solange man dabei lustig ist?

Ulmen: Nein. Ich halte sie weder für Vollpfosten noch für Sexisten. Ganz im Gegenteil. Sie wollen eigentlich alles richtig machen. Sie hadern doch dauernd mit ihren Charakteren. Für mich geht es darum, wie sehr es wehtut, ihnen beim Aussprechen und Umsetzen von Gedanken zuzuhören, die jeder von uns kennt, die wir aber jeden Tag verdrängen. Zu Recht.

Die Figuren lassen sie aber in gegenseitigem Vertrauen zu. Das macht sie nicht automatisch zu Arschlöchern. Sie sind sich ihrem Scheitern am Alltag durchaus bewusst – und genau das macht die Sache ja erst so blamabel. Es geht mehr um das Zelebrieren der Schmach, als soziales Wesen bestehen zu müssen. „ Jerks“ ist im Grunde eine soziokulturelle Horrorserie.

Und es geht um Männerfreundschaft.

Ulmen: Es geht um die Freundschaft zwischen Fahri und mir.

Haben Sie ein Talent für Freundschaften?

Ulmen: Ich glaube eher nicht. Ich neige wohl dazu, Kontakte nicht ausgiebig genug zu pflegen. Ich habe Freundschaften, aber die wachsen von selbst, ohne Gedöns. So wie Moos. Ich muss einfach nicht jeden Tag mit jemandem telefonieren.

Neujahr sind Sie wieder als Kommissar Lessing im Weimar-„Tatort“ zu sehen. Ihre Figur nimmt eine dramatische Wendung…

Ulmen: Das stimmt. Aber mehr verrate ich nicht.

Eine bestimmte Zeitung hat es verraten.

Ulmen: Nicht nur die. Auch alle anderen: „Fies von der 'Bild', das Ende zu verraten, es lautet übrigens wie folgt…“

Gut, reden wir über Ihren Anfang beim Fernsehen in den 90ern. MTV London war damals der Nabel der Popkultur.

Ulmen: Oh ja! MTV war das Grundrauschen meiner Generation, beim Hausaufgaben machen, auf Partys, zum Einschlafen, zum Aufwachen. Es war nicht nur eine Art Fenster zu Jugendkultur und Musik, sondern auch zu Europa. Mit Moderatoren aus allen Ländern. Es war surreal in London plötzlich Teil dessen zu sein. Toby Amies und Carolyn Lilipaly stehen in der Maske neben dir, das war, als wäre ich vom Fernseher verschluckt worden. Ich kam aus dem Nichts, ich war 19 und hatte mich gerade an der Uni eingeschrieben. Ich zehre heute noch von dieser Zeit.

Für welches Studium waren Sie denn eingeschrieben?

Ulmen: Für Theologie, weil das auch ohne Numerus clausus ging. Ich habe das nur gemacht, um von meinen Eltern in Ruhe gelassen werden. Meine Mutter hat mich sogar noch während meiner MTV-Zeit gefragt, ob ich nicht mal langsam etwas Richtiges lernen wollen würde.

Spätestens beim „Tatort“ wird sie Ruhe gegeben haben.

Ulmen: Ja, aber nun kennt sie ja leider schon das Ende des nächsten Falls…​

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