Paris/Berlin. Fünf Jahre nach den islamistischen Anschlägen in Paris haben die Angst vor Terror und die Corona-Pandemie Frankreich fest im Griff.

Auch in diesem Jahr ist es wieder ein Freitag, der 13. Genau vor fünf Jahren ermordeten islamistische Extremisten 130 Menschen in Paris . Sie richteten ein Massaker im Konzertsaal Bataclan an, beschossen Bars und Restaurants, Selbstmordattentäter sprengten sich am Stade de France in die Luft. Der Anschlag war ein Schock und eine Zäsur – für Frankreich und Europa.

Der fünfte Jahrestag fällt in eine Zeit, in der Frankreich wieder vom Terror heimgesucht wird. Drei Anschläge binnen weniger Wochen – es gilt die höchste Terrorwarnstufe . Die Regierung verdoppelte die Zahl der schwer bewaffneten Soldaten, die Bahnhöfe, Flughäfen, stark frequentierte öffentliche Plätze, Schulen und Kirchen sichern sollen.

Frankreich kämpft gegen den Terrorismus – und gegen Corona

Die Bilanz der letzten Wochen wiegt schwer: ein Anschlag auf das ehemalige Redaktionsgebäude des Satireblatts „ Charlie Hebdo “ Ende September. Zwei Schwerverletzte. Die brutale Enthauptung des Lehrers Samuel Paty Mitte Oktober . Der Anschlag in einer Kirche in Nizza Ende Oktober. Drei Tote. Nach den jüngsten Attacken halten 96 Prozent der Menschen in Frankreich die Bedrohung für hoch – das sind fast so viele wie nach den Anschlägen 2015. Lesen Sie dazu den Kommentar : Der Kampf gegen den Islamismus kommt seit 9/11 kaum voran

Frankreich ist in diesem November ein Land im doppelten Ausnahmezustand: Die Bevölkerung hat Angst vor Terror – und vor Corona . Die Zahl der Infektionen ist in letzter Zeit steil nach oben geschossen. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität (USA) wurden bis Donnerstag 1,92 Millionen Ansteckungen registriert.

Damit steht Frankreich im weltweiten Ranking hinter den USA, Indien und Brasilien auf Platz vier. Mehr als 30.000 Menschen werden wegen Covid-19 behandelt. Während im Großraum Paris die Versorgung mit Kliniken und Intensivbetten noch ausreichend ist, gibt es im Norden des Landes bereits Engpässe. Vereinzelt werden Patienten zur Behandlung per Helikopter ins Ausland geflogen, zuletzt etwa nach Dortmund.

Franzosen begrüßen Lockdown-Maßnahme

Fast zeitgleich mit der höchsten Terror-Warnstufe ordnete Präsident Emmanuel Macron einen erneuten Lockdown an. Die zweite Welle der Corona-Epidemie war außer Kon­trolle geraten. Zwar mussten dieses Mal weder Schulen noch Unternehmen schließen, wohl aber alle Bars, Restaurants, Kinos, Theater und Sporteinrichtungen sowie viele Geschäfte.

Erneut gilt, dass die Franzosen ihre Wohnungen nur noch mit einem Passierschein verlassen dürfen. Und nur, um zu arbeiten, dringend notwendige Einkäufe zu machen, den Arzt aufzusuchen oder den Hund Gassi zu führen.

Die strikten Maßnahmen wurden von mehr als 70 Prozent der Bürger begrüßt. Demonstrationen blieben die Ausnahme. Eine Protestbewegung, die sich wie in Deutschland gegen die Einschränkungen stemmt, gibt es nicht.

Merkel, Macron und Kurz- Terror entschieden bekämpfen

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    Doch diese Ruhe könnte trügerisch ein. Das jedenfalls glaubt der angesehene Politologe Pascal Perrineau : „Unsere Gesellschaft steht unter einem Dauerdruck, der zwangsläufig zu Unbehagen und Unmut führt. Und wenn der Druck anhält oder sogar noch ansteigt, droht sich der Unmut in Zorn zu verwandeln.“

    Perrineau verweist warnend auf die Gelbwesten-Bewegung , den jüngsten sozialen Aufstand, den niemand kommen sah. Sein Auslöser war im Herbst 2018 eine Erhöhung der Benzinsteuer. Diese brachte für Geringverdiener auf dem Land, die das Auto brauchen, das Fass zum Überlaufen.

    Es gibt noch eine dritte Angst neben Terror und Corona: die Sorge vor einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation. Wegen der Pandemie dürfte die Konjunktur in diesem Jahr um rund elf Prozent in den Keller gehen. Viele Menschen leiden, trotz eines 400 Milliarden Euro schweren Hilfspakets. Bis Ende Dezember wird mit bis zu 900.000 Arbeitslosen gerechnet.

    Die Regierung ist alarmiert. „Nichts treibt den Präsidenten so um wie die Perspektive einer sozialen Revolte“, gibt ein Berater Macrons im vertraulichen Gespräch zu und fügt hinzu: „Wir überdenken jede Maßnahme und jede Initiative mindestens dreimal, um ja in kein Wespennest zu stechen.“