Berlin. Im ZDF-Talk löcherte Markus Lanz den Finanzminister Olaf Scholz zu krummen Cum-Ex-Geschäften und ergaunerter Steuerrückerstattungen.

„Keiner wird davonkommen. Wir kriegen sie alle.“ Als Vize-Kanzler und Bundesfinanzminister, diesen Donnerstag zu Gast bei „Markus Lanz“, wusste Olaf Scholz ganz genau, was er von krummen Cum-Ex-Geschäften zu halten hatte: „Eine Erstattung zweimal zu bekommen, das geht nicht.“ Da könne man ihm ein 200-seitiges Gutachten vorlegen, so oft man wolle.

Warum dann aber habe 2016 die Hamburger Warburg-Privatbank 47 Millionen Euro de facto ergaunerter Steuerrückerstattung nicht zurückzahlen müssen, wollte Markus Lanz unbedingt wissen. Zu der Zeit, als Olaf Scholz noch Erster Bürgermeister der Hansestadt gewesen war.

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste

  • Olaf Scholz, Vize-Kanzler und SPD-Kanzlerkandidat
  • Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington
  • Melinda Crane, US-Journalistin und Chefkorrespondentin bei Deutsche Welle TV
  • Cerstin Gammelin, Redakteurin der „Süddeutschen Zeitung“

Der Vorwurf, er habe in vertraulichen Gesprächen Christian Olearius, einem der beiden Hauptgesellschafter der Bank, geholfen, wäre nicht neu, oft wiederholt, aber deshalb nicht richtig und sowieso unbelegt: „Nur weil einer zu mir kommt, mache ich doch nicht gleich, was der will“, antwortete Olaf Scholz mit Nachdruck, und fügte ruhig hinzu: „Ich habe gemacht, was in solchen Fällen immer empfehlenswert ist: Ich habe ihn an den Dienstweg verwiesen.“

Markus Lanz will Olaf Scholz in die Zange nehmen

Seine Antwort war womöglich auch gemünzt auf das wiederholte Nachbohren des Moderators. Nach etwa der Hälfte der Sendung versuchte Markus Lanz, den SPD-Mann richtig in die Zange zu nehmen. Er löcherte nur noch ihn. Das wirkte nicht unbedingt unfreundlich, aber doch penetrant.

„Wie ist das für Sie, wenn Leute, die Sie vorher verhindern wollten, Sie jetzt richtig knorke finden?“, versuchte Markus Lanz den SPD-Mann, der „der nächste deutsche Kanzler werden will“, zum Beispiel aus der Reserve zu locken. Natürlich spielte er damit vor allem auf die SPD-Vorsitzende Saskia Esken an, die sich in einer früheren „Lanz“-Sendung standhaft geweigert hatte, Olaf Scholz als „standhaften Sozialdemokraten“ zu bezeichnen.

Olaf Scholz freute sich – über das Kompliment, aber auch über die inzwischen „harmonische Zusammenarbeit“ mit der SPD-Spitze, die ganz von selbst auf die Idee gekommen sei, ihn zum Kanzlerkandidaten vorzuschlagen.

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Scholz: Können uns das Investieren in der Corona-Krise leisten

Sekundierend sprang an dieser Stelle auch Cerstin Gammelin, Redakteurin der „Süddeutsche Zeitung“, dem skeptisch dreinblickenden Moderator zur Seite: „Corona hatte sicher auch eine heilende, zusammenführende Wirkung“, vermutete sie: Vor der Pandemie habe die SPD-Führung nichts von einem ausgeglichenen Haushalt gehalten. „Jetzt redet niemand mehr von der schwarzen Null“, dafür machte Olaf Scholz, was die SPD schon immer wollte: „Investieren und helfen.“

„Aus meiner Sicht können wir uns das auch leisten“, parierte der. „Wir haben eine sehr solide Haushalts- und Finanzpolitik in den letzten Jahren gemacht, das schafft uns jetzt die Grundlage.“ Seine Maßnahmen hätten dazu beigetragen, dass sehr viele Arbeitsplätze bisher erhalten bleiben konnten und die Wirtschaft besser wachse, als es alle vorhergesagt hätten.

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Zu Beginn der Sendung ging es um die US-Wahl

Gleich zu Beginn der Lanz’schen Geisterstunde, ging es um die USA. Und also per Video zu Elmar Theveßen nach Washington, wo der amerikanische Wahlkrimi immer noch lief: In Arizona, Georgia, Nevada, North Carolina fehlte nicht mehr viel zum endgültigen Ergebnis. In Pennsylvania, wo Donald Trump in der Minute nur noch mit 78.000 Stimmen führe, würde die Auszählung voraussichtlich noch bis Freitag andauern, berichtete der ZDF-Korrespondent.

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Im Endspurt um die Stimmen würden die Abstände zwischen den Kandidaten schmelzen, die verbalen Angriffe aus dem Trump-Lager dafür desto härter klingen, je mehr Donald Trump befürchtete, die Wahl zu verlieren. Für Joe Biden standen die Chancen sehr gut.

Als Beispiele für die bizarren Unfassbarkeiten, die sich im Laufe des Tages an vielen Orten abspielten, zeigte Markus Lanz kurze Einspieler: So hatte sich Richard Grenell, bis Ende Mai noch US-Botschafter in Deutschland, jetzt nationaler Sicherheitsberater, vor laufenden Kameras vehement, aber ohne Belege, über illegale Stimmabgaben beklagt. Eine alte Frau neben ihm, behauptete zum Beispiel, ihr Briefwahl-Zettel sei verschwunden. Sie habe keine Möglichkeit bekommen, ihre Stimme abzugeben – dabei hatte sie offenbar nur versucht, ein zweites Mal zu wählen.

„Ausgerechnet wir Amerikaner brauchen offenbar Nachhilfe in Demokratie“

In Detroit belagerten Trump-Anhänger die Wahllokale und riefen „Stop the count“ wie es der Präsident vor-twitterte, in Arizona dagegen „Stop the vote“. Und dann war da noch Eric Trump, der Anstelle seines Vaters, schon mal per Twitter den „totalen Krieg gegen diese Wahl“ ankündigte.

„Ausgerechnet wir Amerikaner brauchen offenbar Nachhilfe in Demokratie“, kommentierte kopfschüttelnd Melinda Crane die irreführenden Aufforderungen des noch amtierenden Präsidenten und seiner Familienmitglieder.

Die Politik-Chefkorrespondentin bei „Deutsche Welle TV“, geboren in Boston, konnte immerhin erklären, warum nach vier Jahren polternder Trump-Präsidentschaft die Hälfte der Amerikaner trotzdem noch hinter ihm stehen würden: Nach 40 Jahren neoliberaler Politik, die die Menschen nicht mitgenommen habe, egal welcher Präsident im Weißen Haus saß, fühlte sich die Mittelschicht verraten.

Amerikaner suchten nach einer „starken Führung“

Zynisch suchten diese Amerikaner nach einer „starken Führung“, die sie vor den befürchteten Veränderungen beschützen sollte: „Sie haben niemals erlebt, dass der Staat etwas für sie tun kann“, erläuterte sie.

Ganz anders als in Deutschland, lobt sie – wo nicht nur in Krisen wie Corona staatliche Programme helfen, die Wirtschaft zu stützen und Arbeitsplätze zu sichern. Das war dann auch das Stichwort für Olaf Scholz, für den die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft vor allem den einen Hinweis lieferte: „Ohne Anerkennung, ohne Respekt für die Lebensleistung, und ohne eine gute Perspektive für die Zukunft, kann das überall passieren, auch bei uns“. Politik müsse deshalb „gleichwertige Lebensverhältnisse“ zum Thema machen.

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