Berlin. Die Einführung strengerer Regeln gegen Lohndumping in der Fleischindustrie stockt. Die SPD ist verärgert über ihre Koalitionspartner.

Massenhafte Corona-Infektionen in der Fleischindustrie hatten in diesem Frühjahr einmal mehr aufgezeigt, wie fragwürdig die Arbeitsbedingungen in Groß-Schlachthöfen und ihren angeschlossenen Zerlegebetrieben sein können. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte daraufhin ein Gesetz mit deutlich strengeren Regeln an. Jetzt könnten die Pläne am Widerstand des Koalitionspartners CDU/CSU scheitern, aufgeweicht oder deutlich verzögert werden.

Heil hat die Union am Wochenende aufgefordert, die Blockade für die Gesetzespläne zu beenden. Die Missstände in der Fleischindustrie seien real und dauerten an. „Dass die Union nun versucht, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren zu verzögern und zu verwässern, ist nicht akzeptabel“, betonte der Arbeitsminister.

Gesetz gegen Werkverträge sollte am 1. Januar in Kraft treten

Das Arbeitsschutzkontrollgesetz wollte die Koalition eigentlich kommende Woche im Bundestag verabschieden. Damit könnten die strengeren Regeln gegen Lohndumping für die Fleischindustrie zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Doch das Gesetz verschwand am Freitag von der Tagesordnung. Es gebe noch Gesprächsbedarf, hieß es aus der Unionsfraktion.

Dazu fand Minister Heil deutliche Worte: „Wir müssen den Sumpf in Teilen der Fleischindustrie mit diesem Gesetz richtig austrocknen und dürfen nicht den Versuchen der Lobbyisten nachgeben, Schlupflöcher in das Gesetz zu formulieren.“ Laut dem Gesetzentwurf in der Branche Werkverträge ab 1. Januar und Leiharbeit ab 1. April 2021 verboten werden.

Dagegen betonte Hermann Gröhe, Vizechef der Unionsfraktion, die SPD verweigere sich jeder sachgerechten Regelung für besondere Auftragsspitzen. Diese gebe es etwa in der Grillsaison. „Hier wollen wir in einem eng begrenzten Rahmen Zeitarbeit erlauben, für die selbstverständlich die Arbeitsschutzvorschriften vollumfänglich gelten würden“, sagte er.

Gröhe stellte klar: „Wir stehen zu unserer Absprache, Werkverträge in der Fleischindustrie zu verbieten und die Kontrollen deutlich auszuweiten.“ Stimmungsmache ersetze keine Argumente, ermahnte er die SPD.

Plexiglasscheiben sollen Mitarbeiter in einem Tönnies-Schlachthof vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen. Nach einem massenhaften Ausbruch wurde der Schlachthof in NRW zeitweise geschlossen.
Plexiglasscheiben sollen Mitarbeiter in einem Tönnies-Schlachthof vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen. Nach einem massenhaften Ausbruch wurde der Schlachthof in NRW zeitweise geschlossen. © dpa | -

Das Gesetz wurde nach massenhaften Corona-Infektionen in Schlachthöfen und Zerlegebetrieben auf den Weg gebracht. Heil betonte, „die Empörung über die Zustände in Teilen der Fleischwirtschaft war im Frühling groß, ganze Landkreise mussten teilweise wieder in den coronabedingten Lockdown, weil Arbeitsschutz und Hygienevorschriften nicht eingehalten wurden“.

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Nach einem Corona-Ausbruch auf einem Puten-Schlachtbetrieb von Wiesenhof mussten im Juni 1100 Beschäftigte in Quarantäne. Deutlich schwerwiegender war der Ausbruch auf einem Tönnies-Schlachthof im Kreis Gütersloh – der ganze Landkreis wurde daraufhin zum Risikogebiet erklärt.

Die Bundesregierung hatte sich schnell darauf geeinigt, die oft aus Osteuropa stammenden Beschäftigten besser zu schützen. Um auf dem Rücken der Schwächsten Gewinne zu maximieren, habe die Fleischindustrie immer wieder versucht, Gesetze zu umgehen und Schlupflöcher zu finden, hieß es.

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Einzig Fleischerhandwerksbetriebe mit bis zu 49 Mitarbeitern sollen von den neuen Regeln ausgenommen werden. Die Fleischwirtschaft hatte kritisiert, dass künftig bestimmte Lohnschlachtungen oder Markenfleischprogramme, Kooperationen von Betrieben und Gemeinschaftsunternehmen künftig nicht mehr möglich seien.

Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mahnte, alle Abgeordneten von CDU und CSU stünden in der Verantwortung und müssten ihr Versprechen gegenüber den Beschäftigten wie dem Koalitionspartner halten. „Mit jedem weiteren Tag, den die Union das Gesetz verzögert, setzt sie mitten in der Coronakrise die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel.“ (aky/dpa)