Berlin. Horst Seehofer hat sich lang gewehrt, jetzt muss er wohl nachgeben: Olaf Scholz kündigt eine Studie zu Rassismus bei der Polizei an.

Lange hat sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) geweigert. Doch jetzt sieht es aus, als müsse er sich dem Druck der Öffentlichkeit und des Koalitionspartners SPD beugen. Die seit Monaten diskutierte mögliche Studie zu Rassismus in der Polizei soll kommen.

Das sagt jedenfalls Vizekanzler Olaf Scholz. Überraschend hat der SPD-Politiker angekündigt, dass die Bundesregierung nun doch Rassismus innerhalb der Polizei untersuchen lassen wolle. „Es wird eine Studie geben“, sagte Scholz laut WDR COSMO-Podcast „Machiavelli“. „Wir überlegen noch, wie wir sie nennen.“

Mit Horst Seehofer sei er dazu in engem Kontakt, man tausche sich „jeden zweiten Tag“ dazu aus. Auch nach Informationen der „Rheinischen Post“ zeichnet sich eine Lösung ab.

Rassismus bei der Polizei: Seehofer sieht kein „strukturelle Problem“

Seehofer hat eine Rassismus-Studie, die nur die Polizei in den Blick nimmt, wiederholt abgelehnt. Er zeigte sich aber offen, im Rahmen einer umfassenden Studie zu Rassismus in der Gesellschaft auch die Sicherheitsbehörden zu untersuchen.

Noch in der vergangenen Woche betonte Seehofer, „dass wir kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern haben“. Scholz kritisierte im WDR-Podcast: „Eine Studie hätte längst in Auftrag gegeben sein müssen.“ Er zeigte sich zuversichtlich, dass dies nun zeitnah passiere.

Rassismus bei der Polizei: Immer wieder fliegen rechtsextreme Chatgruppen auf

Hintergrund für die Debatte sind zahlreiche Enthüllungen aus den vergangenen Monaten, bei denen rechtsextreme Chatgruppen innerhalb der Polizei aufgeflogen waren. Die SPD hatte deshalb eine Studie zu rassistischen Einstellungen unter Polizei-Beamten gefordert.

Der Innenminister hatte das jedoch stets abgelehnt. Sein Argument: Es stelle die Polizei unter Generalverdacht, sich bei der Untersuchung des Phänomens ausschließlich auf die Sicherheitsbehörden zu fokussieren.

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Nun laufe die Diskussion innerhalb der Union auf eine aus drei unterschiedlichen Studien bestehende Lösung hinaus, berichtete die „Rheinische Post“ unter Berufung auf den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul (CDU). Die SPD-Innenminister sollten den von Seehofer eingeschlagenen Weg mitgehen, „parteipolitisches Gezänk“ dürfe es bei diesem wichtigen Thema nicht geben, sagte Reul der Zeitung.

Drei Rassismus-Untersuchungen statt einer

Demnach soll es eine gesonderte Analyse der Fakten aus dem Lagebericht des Verfassungsschutzes über Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden geben und dieser Bericht auf den gesamten öffentlichen Dienst ausgeweitet werden.

Daneben werde eine umfassende Untersuchung zu Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen in Auftrag gegeben, ohne dies auf Berufsgruppen zu beschränken. Schließlich soll eine Studie hinzukommen, die der Motivationslage von Polizeianwärtern nachgeht, den Alltag der Polizei und die Gewalt gegen die Polizei beleuchtet.

Kommentar: Was will Seehofer – ablenken oder aufräumen?

Eine Untersuchung von möglichen rassistischen Einstellungen bei Polizisten, die bereits im Dienst sind, wäre demnach allerdings nicht geplant.

Rassismus bei der Polizei: Verbindungen zum „NSU 2.0“

In mehreren Bundesländern waren in den letzten Monaten rechtsextreme Vorfälle bei der Polizei bekannt geworden. Zuletzt war eine Chatgruppe unter 26 Berliner Polizisten bekannt geworden, in der rassistisches Material geteilt wurde. In Sachsen-Anhalt kündigte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) eine externe und unabhängige Sonderkommission an, nachdem öffentlich wurde, dass der Imbiss in der Bereitschaftspolizei stets als „Jude“ bezeichnet worden war.

Auch bei den seit Jahren auftauchenden Drohschreiben, die mit NSU 2.0 unterzeichnet sind, gibt es Verbindungen zur Polizei in mehreren Bundesländern. (dpa/tma)