Berlin. Alexej Nawalny hat Gerhard Schröder scharf kritisiert. Der Altkanzler hatte zuvor Erkenntnisse zur Vergiftung Nawalnys angezweifelt.

Wladimir Putin feierte am Mittwoch seinen 68. Geburtstag. Aus der ganzen Welt trafen Glückwünsche ein, auch aus Hannover. Dort sitzt ein treuer Freund des russischen Präsidenten, der nach dem Giftanschlag auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny im politischen Deutschland jedoch noch schlechter gelitten ist als ohnehin schon.

Altkanzler Gerhard Schröder, dessen 70. Geburtstag Putin einst ein rauschendes Fest im St. Petersburger Jussupow-Palais wert war, fiel vor wenigen Tagen in seinem Podcast mit der Einschätzung auf, es gebe keine gesicherten Fakten bezüglich einer Vergiftung Nawalnys mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok, über den in der Regel nur Militärs und Geheimdienste verfügen. „Ich halte nichts von Spekulationen.“

Vergiftung Nawalnys: Schröder stellt sich gegen Einschätzung der Bundesregierung

Zugleich betonte Schröder, die russischen Behörden müssten für Aufklärung sorgen. Schröder stellte sich mit seinen Zweifeln öffentlich gegen die Einschätzung der Bundesregierung. Diese beruft sich auf Befunde der Charité, der Bundeswehr sowie von Experten aus Frankreich und Schweden. Erst am Dienstag bestätigte die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) den Nowitschok-Einsatz. Kanzlerin Merkel hatte Nawalny in der Charité besucht.

Alexej Nawalny im September 2020 in Berlin.
Alexej Nawalny im September 2020 in Berlin. © dpa | Uncredited

Nawalny selbst knöpfte sich Schröder nun in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung vor. Der Oppositionspolitiker und prominenteste Putin-Gegner in Russland, der sich in Berlin mit seiner Familie von den Folgen der Vergiftung erholt, zeigte sich enttäuscht darüber, dass ein Mann wie Schröder, „immerhin der ehemalige Kanzler des mächtigsten Landes in Europa“, sich derart äußern könne.

Nawalny im Interview: Schröder sei ein „Laufbursche Putins“

Das sei erniedrigend für Deutschland, aber aus seiner Sicht auch wenig verwunderlich: „Jetzt ist Schröder ein Laufbursche Putins“, sagte Nawalny, der in dem Interview weitere schwere Vorwürfe gegen Schröder erhob, gegen die der Altkanzler juristisch vorgeht.

• Kommentar: Kanzler a.D. oder Putin-Lobbyist? Schröder muss entscheiden

In einem im sozialen Job-Netzwerk LinkedIn veröffentlichten Schreiben bekräftigte Schröder, dass der Giftanschlag auf Nawalny seitens der russischen Behörden transparent aufgeklärt werden müsse. Auch habe er Verständnis „für die schwierige persönliche Situation, in der sich Herr Nawalny befindet“.

Vorhaltungen, er müsse sich zwischen seiner Rolle als Altkanzler und seiner Lobbyarbeit für russische Energiekonzerne entscheiden, hatte Schröder in seinem Podcast einmal mehr brüsk zurückgewiesen. Das sei „Geschwätz“, das ihn nicht interessiere.

Schröders Aufsichtsratsposten: Wie viel Geld er erhält, bleibt unklar

Schröder ist seit Langem Vorsitzender des Verwaltungsrats der Projektgesellschaft für die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, bei der der russische und kremlnahe Energiekonzern Gazprom formal einziger Anteilseigner ist. Zudem ist Schröder seit drei Jahren Aufsichtsratschef des größten russischen Ölkonzerns Rosneft.

Wie viel Geld der 76-Jährige für diese Mandate erhält, ist nicht genau bekannt. Als er 2017 dort anfing, erklärte Schröder mit Blick auf damalige Vorstandsgehälter bei Rosneft in Höhe von sechs Millionen Euro, er bekomme weniger als ein Zehntel davon – also rund 600.000 Euro. Die Europäische Union hat den Staatskonzern Rosneft wegen Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt 2014 mit Sanktionen belegt.

Aus der SPD-Führung wollte niemand die neuerlichen Volten ihres früheren Kanzlers offen bewerten. Seit Langem hadert die Partei mit „Gas-Gerd“ und dessen Nähe zu Putin, den Schröder 2004 als „lupenreinen Demokraten“ geadelt hatte.

Schröder in der Kritik: Genossen greifen Altkanzler an

Die SPD-Staatssekretärin im Land Berlin, Sawsan Chebli, hatte Schröder kürzlich harsch kritisiert: „Es ist traurig anzusehen, wie ihm der moralische Kompass abhandengekommen ist.“ Auch die Opposition im Bundestag hat ein Problem mit Schröders Russland-Connection. Die FDP brachte ins Spiel, die staatlichen Privilegien für Schröder auf den Prüfstand zu stellen.

Laut Kanzleramt erhielt Schröder – der letzte noch lebende Altkanzler – 2017 für die Bezahlung der Mitarbeiter in seinem Berliner Büro rund 561.000 Euro aus der Staatskasse. Auch frühere Bundespräsidenten haben Anspruch auf Büro, Dienstwagen, Fahrer und Sicherheit.

FDP stellt staatliche Privilegien des Altkanzlers infrage

Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke sagte unserer Redaktion, einer der Gründe für die Altersversorgung des Ex-Kanzlers – und absehbar von Angela Merkel – sei, „keine wirtschaftliche Not zu erleiden und nicht von anderen abhängig zu sein“ – zumal man auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt weiter die Bundesrepublik repräsentiere. „Wenn man aber in einer solchen Position andere Interessen repräsentiert, sollte man überprüfen, ob die Gründe für die Versorgung weggefallen sind“, sagte Fricke.

Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, betonte, die Altkanzler-Privilegien gebe es aus Respekt vor dem Amt. „Wie Schröder diese mit seinen tiefen Kreml-Verwebungen vereinbaren und dabei noch in den Spiegel schauen kann, ist seine Sache.“

Weit dramatischer sei es, wie groß Schröders „kremlgesteuerter Einfluss“ auf die Pipeline-Politik der SPD sei. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hatte nach dem Nawalny-Anschlag Rufe nach einem Aus für Nord Stream 2 zurückgewiesen.

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