Berlin. Familie Fisher führt kein bürgerlich-biederes Leben. In Wirklichkeit sind sie Geheimagenten. An der Geschichte ist nicht alles fiktiv.

Auf den ersten Blick scheinen die Fishers im Tatort „Funkstille“ eine Vorzeigefamilie zu sein: Das aus Amerika stammende Ehepaar Raymond und Gretchen Fisher führt eine glückliche Beziehung, hat eine Tochter, ist gut in die Nachbarschaft integriert, spricht perfekt Deutsch, arbeitet beim US-Konsulat in Frankfurt und einer großen Versicherung.

Als der Nachbarsjunge Sebastian in einer alten Fabrikhalle in den Tod stürzt, verhören die Kommissare Janneke und Brix auch Familie Fisher – und zwar mehr als ihnen lieb ist. Nach und nach erfährt Tochter Emily die schockierende Wahrheit: Ihr Leben baut auf einer Lüge auf. „Wir arbeiten für die CIA“, gibt Raymond Fisher vor seiner Tochter schließlich zu.

„Wir waren noch sehr jung, als wir rekrutiert wurden. Unsere Familiengeschichte wurde rückwirkend modifiziert.“ Stolz sei er, für den Auslandsgeheimdienst arbeiten zu dürfen. „Wir halten nicht nur Pappschilder hoch, wir machen wichtige Arbeit“, betont Gretchen Fisher. Emily aber ist außer sich: „Ihr seid die Bösen. Es ist alles Lüge. Euer Leben, mein Leben.“

Tatort „Funkstille“: Das sind die Vorbilder für die Hauptpersonen

Emily soll damit Recht behalten. In Wirklichkeit nämlich sind die Fishers Doppelagenten und arbeiten sowohl für die USA als auch für Russland. Via Kurzwellengeräte übermitteln sie Nachrichten. Nachbarsjunge Sebastian kommt dahinter – und muss sterben.

Völlig fiktiv und absurd? Nein, komplett aus der Luft gegriffen ist diese Handlung nicht. Für Familie Fisher gibt es ein reales Vorbild: Andreas und Heidrun Anschlag – auch wenn die nicht für die CIA arbeiteten. Mehr als 20 Jahre lang hat das Agentenpaar für Russland in Deutschland spioniert. Es handelt sich hierbei um die größte Spionageaffäre nach der Wende. 2011 flogen sie auf.

Geheimagenten in Deutschland: Wer waren die Anschlags?

Die gebürtigen Russen sollen erst für die Sowjetunion, dann für Russland in Deutschland spioniert haben. Ihre Decknamen waren Pit und Tina. Anschlag war nicht ihr richtiger Name. Sie gaben sich als gebürtige Südamerikaner mit österreichischem Pass aus. Ähnlich wie die Fishers im „Tatort“ führten sie äußerlich ein bürgerlich-beschauliches Leben.

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Als sie 1988 nach Deutschland kamen, studierte er Maschinenbau in Aachen, sie war Hausfrau und brachte eine Tochter zur Welt. Das Paar wohnte sowohl in Marburg als auch in Balingen in Baden-Württemberg.

Am Kurzwellenempfänger festgenommen

Was damals keiner ahnte: Wie die Fishers auch hatten sie im Keller ein Kurzwellengerät, über das sie Anweisungen erhielten. Jahrelang sollen sie laut Anklage Geheimnisse der EU und der Nato an Russland geliefert haben. Sie interessierten sich für militärische und politische Angelegenheiten sowie für Erkenntnisse zum Verhältnis des Westens zu Osteuropa und Zentralasien.

2011 stürmten Polizisten das Haus und nahmen Heidrun Anschlag direkt am Kurzwellenempfänger fest. 2013 wurden sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Ihre Tochter soll wie im „Tatort“ auch nichts von der Spionage ihrer Eltern gewusst haben.

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„Die Tätigkeit der Angeklagten war in hohem Maß von Heimlichkeit und konspirativen Methoden geprägt und verletzte die Souveränität der Bundesrepublik erheblich“, zitierte „Die Welt“ damals die Vorsitzende Richterin. 2014 und 2015 wurden die beiden schließlich in ihre Heimat abgeschoben. (jb)

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