Berlin. Auch wenn es schwerfällt, die teils skurrilen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen auszuhalten: Eine Demokratie muss das aushalten.

Die Corona-Pandemie ist eine Prüfung, die ihresgleichen sucht. Für die Bürger. Für die Wirtschaft. Für die Regierung und natürlich auch für Menschen, die einen ganz eigenen Kopf haben und die ihre Freiheit besonders lieben.

Die Krise, wie wir sie derzeit erleben, ist gleichzeitig eine Prüfung unserer Fähigkeit, Einzelinteressen zurückzustellen und auch für unsere Toleranz. Letztere wird durch „Hygiene-Demos“ getestet, bei denen immer mehr Menschen ihren Unmut mit den Maßnahmen von „denen da oben“ artikulieren.

Proteste: Trotz Unverständnis nicht abqualifizieren

Vielen Bürgern, die sich brav an die anstrengenden Vorschriften halten, fehlt das Verständnis für die teils skurrilen Proteste. Und natürlich kann man sich fragen: Was ist eigentlich mit einem Menschen passiert, der trotz Kühllaster voller Corona-Toten die Gefährlichkeit des Virus leugnet? Oder sich einen aus Alufolie gebastelten „Querdenkerbommel“ umhängt und auf den „Hygiene-Demos“ ohne Schutzmaske wildfremde Menschen umarmt.

Aber trotz allem berechtigten Unverständnis wäre es falsch, die Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen als „Spinner“ abzuqualifizieren. Erstens, weil man damit pauschal alle über einen Kamm schert, was selten klug ist. Und zweitens zieht man damit arrogant über Betroffene her, die sich aus schierer Verzweiflung öffentlichen Protesten anschließen.

Verlierer der Pandemie-Bekämpfung

Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin.
Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin. © Dirk Bruniecki

Man darf nicht vergessen, wie viele Verlierer die Pandemie-Bekämpfung schon produziert hat. Menschen, die ihren Betrieb, ihren Job, ja ihre gesamte berufliche Perspektive verloren haben. Oder die im Homeoffice mit Kindern, genervten Partnern und dem Gefühl des Eingesperrtseins an den Rand der Verzweiflung gekommen sind.

Auch sie sind Opfer der Pandemie, ohne sich mit dem Virus infiziert zu haben. Auch sie findet man unter den Demonstranten, und ihre Nöte verdienen es, dass wir uns dafür interessieren und genau hinsehen und hinhören.

Maskenpflicht: Groteskes Hin und Her

Dazu kommt, dass auch die Politik Widerspruch geradezu herausgefordert hat, denn nicht alles war so gut gelungen, wie heute mancher tut. Dazu zählt das groteske Hin und Her bei der Maskenpflicht, willkürlich anmutende Kriterien für die Geschäftsöffnung oder das Schließen von Landes- und Bundesgrenzen.

Auch die Frage, warum wir unsere besonders gefährdeten Alten in den Senioren- und Pflegeheimen so schlecht schützen konnten, wird noch zu beantworten sein.

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Demonstrationen: Demokratische Spielregeln einhalten

Ja, es gibt trotz aller Selbstzufriedenheit der Regierenden noch genug zu kritisieren, und dafür muss Raum sein. Aber dabei müssen auch die Demons­tranten demokratische Spielregeln einhalten. Es ist rücksichtslos und gefährdet Menschenleben, wenn staatlich verordnete Hygienebestimmungen absichtlich missachtet werden.

Freiheit endet, wo Strafrecht beginnt

Es ist falsch, unsere Amtsträger einzuschüchtern und – wie im Falle der Kanzlerin – einen Grabstein vor dem Wahlkreisbüro aufzustellen. Und wer wissenschaftlich bewiesene Fakten fälscht, anderen mit seinem Verhalten schadet oder gar Polizisten angreift, darf sich nicht wundern, wenn er in die Schranken gewiesen wird.

Schließlich ist bewusste Gefährdung von Menschenleben nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Diese Freiheit endet dort, wo das Strafrecht beginnt. Unsere Demokratie ist mit diesem Grundsatz bis jetzt nicht schlecht gefahren.

Bis das Strafrecht aber greift, werden wir uns noch manche abenteuerliche These anhören müssen. Von „Aluhüten“, „Querdenkerbommel“-Trägern oder aber von Leuten, die schlicht empört sind. Da müssen wir wohl durch. Denn auch schriller Protest gehört zur lebendigen Demokratie. So anstrengend er auch sein mag.