Berlin. Die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung schlägt neue Töne an. Die CSU-Politikerin will Abhängige aus der Schmuddelecke holen.

  • Insgesamt fünf Jahre war Marlene Mortler Drogenbeauftragte der Bundesregierung, seit den Europawahlen ist sie Abgeordnete im Europaparlament
  • Nachfolgerin Daniela Ludwig ist die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung
  • Sie hat sich vorgenommen, einige Dinge in der Drogenpolitik zu verändern und will neue Töne anschlagen
  • Als erstes könnte der Eigenbedarf von Cannabis nur noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden – aber das ist noch Zukunftsmusik

Daniela Ludwig steigt aus ihrem Dienstwagen, erklimmt die Stufen zum Eingang und steht in einer anderen Welt. Die besteht aus einem Raum, der weißer und sauberer ist als manche Arztpraxis – und aus einem anderen Raum, der verrauchter ist als jede Kneipe. Beide zusammen bilden den Kern der „Birkenstube“ in Berlin-Moabit, einer Kontakt und Anlaufstelle für Drogenabhängige.

In diese Welt also taucht Ludwig an diesem Vormittag ein; es ist das erste Mal im Leben der CSU-Politikerin, dass sie bewusst Räume betritt, in denen harte Drogen konsumiert werden. Es ist überhaupt das erste Mal seit mehr als fünf Jahren, dass sich eine Drogenbeauftragte der Bundesregierung ganz offiziell einen Drogenkonsumraum anschaut.

Drogenbeauftragte Ludwig: „Mit Verteufelung kommen wir nicht weiter“

Ludwig will einiges anders machen als ihre Vorgängerinnen. Seit drei Monaten ist sie als Drogenbeauftragte unterwegs. Doch schon jetzt macht sie klar, dass sie neue Töne anschlagen will. Politik mit dem erhobenen Zeigefinger lehnt sie ab: „Wir müssen den Süchtigen helfen, die Sucht zu überwinden oder zumindest menschenwürdig zu leben“.

Drogenpolitik sei Gesundheitsvorsorge. „Mit Abschreckung und Verteufelung kommen wir nicht weiter“, sagt sie. Für eine CSU-Politikerin ist diese Haltung nicht selbstverständlich. Wird die Union in der Drogenpolitik etwas liberaler?

In dem weißen Raum in der „Birkenstube“, den Ludwig sich anschaut, können Abhängige saubere Spritzen bekommen und andere Zutaten für einen Schuss. In dem verrauchten Nachbarzimmer können sie harte Drogen wie Heroin und Kokain rauchen. Ludwig lässt sich alles erklären, fragt nach.

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    Cannabis-Abhängige müssen aus der Stigmatisierung herausgeholt werden

    „Man kann sich nicht über öffentlichen Konsum beschweren und zeitgleich gegen Drogenkonsumräume sein“, ist sie überzeugt. Es brauche Orte, um mit Abhängigen ins Gespräch zu kommen. Nur dann könne man ihnen helfen. Ludwigs Ziel: „Wir müssen Drogenabhängige herausholen aus der Stigmatisierung und der Schmuddelecke.“

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      Dass die 44-jährige Mutter von Zwillingen sich mit diesem Thema befasst, war nicht vorhersehbar – auch für sie selbst nicht. Lange Jahre war Ludwig verkehrspolitische Expertin der CDU/CSU-Fraktion. Doch als die bisherige Drogenbeauftragte Marlene Mortler für die CSU einen Platz im EU-Parlament bekam, wurde der Posten frei. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder und Alexander Dobrindt, der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, überredeten Ludwig, den Job zu übernehmen.

      „Ludwig hat richtig gut angefangen“

      Das Echo auf die Personalie war erwartbar verheerend. Eine Verkehrspolitikerin als Drogenbeauftragte – das könne nicht gut gehen. Doch das stimmt nicht mehr. „Daniela Ludwig hat richtig gut angefangen“, sagt beispielsweise Christian Hennis, der Leiter des Drogenkonsumraums, den Ludwig besucht hat. Drogen zuerst als Gesundheits- und weniger als Kriminalitätsproblem wahrzunehmen, sei richtig. Ludwig verfolge einen „fortschrittlichen Ansatz.“

      Genau das könnte der Union und vor allem der CSU auch parteipolitisch helfen. Parteichef Söder hat zuletzt gezeigt, dass er die CSU in hohem Tempo modernisieren will, um gesellschaftlich den Anschluss nicht zu verlieren. Lesen Sie hier: Schon zwei Joints können Denkvermögen dauerhaft stören.

      Auch weil sie Rückendeckung von oben bekam, hat die Drogenbeauftragte kürzlich die Zustimmung der Unionsbundestagsfraktion zum umfassenden Tabakwerbeverbot erreicht. Ludwig zeigte dabei, dass sie, anders als ihre Vorgänger, nicht nur Mahnerin sein will, sondern selbst aktiv Politik machen möchte.

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      Cannabis – Fakten zur Pflanze:

      • Hanf, das auch als Cannabis bezeichnet wird, gehört zu den ältesten Nutzpflanzen
      • Es wird in der Textilindustrie und beim Bauen verwendet
      • Darüber hinaus ist es aufgrund seiner Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) auch als Droge beliebt

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      Cannabis: Ludwig will „verhärtete Fronten“ aufweichen

      Ähnlich könnte es demnächst beim Umgang mit Cannabis laufen, dem größten bisher ungelösten drogenpolitischen Problem. Ludwig hat bereits angekündigt, dass sie die „völlig verhärteten Fronten“ aufweichen und allen Seiten gut zuhören will. Vor allem Jugendliche fühlten sich beim Thema Cannabis nicht mehr von der Politik verstanden.

      Erstmals seit mehr als zehn Jahren bekam die Cannabis-Lobby deshalb wieder einen Gesprächstermin bei der Drogenbeauftragten. Ludwig will sich auch informieren, wie Staaten wie Portugal mit Cannabis umgehen – dort ist der Besitz für den Eigenbedarf nur eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat wie in Deutschland. Ein Hinweis auf ihre Linie?

      Uneinheitliche Haltung der Bundesländer

      Erst einmal hat Ludwig den Görlitzer Park besucht, Berlins bekanntesten Drogenumschlagplatz. Dort herrsche „ein nahezu rechtsfreier Raum“, sagt Ludwig anschließend. Dass das so ist, liegt für sie an der uneinheitlichen Haltung der Bundesländer in Sachen Cannabis: „Dass es in Deutschland unterschiedlich geregelte Besitzmengen von Cannabis gibt, halte nicht nur ich für schwierig.“

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        Während es in Hamburg sechs Gramm seien, seien in Berlin bis zu 15 Gramm erlaubt. „Das lockt Menschen in die Stadt, die gezielt Drogen konsumieren möchten“, so Ludwig. Ihr Fazit: „Es ist Zeit für eine einheitliche Grenze in ganz Deutschland.“ In die Debatte darum, so viel ist sicher, hat sich bisher noch keine Drogenbeauftragte gewagt.

        Cannabis – Mehr zum Thema:

        Die SPD-Vorsitzenden setzen sich für eine Legalisierung von Cannabis ein – ebenso die Linken-Chefin Katrin Göring-Eckardt. Jedes Jahr müssen viele Autofahrer ihren Führerschein wegen Cannabis-Konsum abgeben. Das sorgt für Diskussionen, weil in ihrem Blut oft Mengen nachgewiesen werden, die eigentlich kaum spürbar sind. Längst gibt es aber Alternativen ohne THC – doch ist der Cannabis-Wirkstoff CBD tatsächlich ein Wundermittel?