Mainz. Es heißt Abschied nehmen: vom „Neo Magazin Royale“, nicht aber von Jan Böhmermann. Der bekommt eine eigene Show im ZDF-Hauptprogramm.

Provokant, aufrüttelnd, überraschend, mutig und sehr humorvoll – sechs Jahre und 42 Tage hat Jan Böhmermann mit dem „Neo Magazin Royale“ (diese „Krawall-Show“ beim „Mini-ZDF“) das Showgeschäft aufgemischt. Die finale Folge am Donnerstagabend hatte weniger von genau diesen Eigenschaften, dafür verabschiedete sich Böhmermann mit einem sehr musikalischen Rückblick auf seine spektakulärsten und kontroversesten Aktionen – und einer amüsanten Schlusspointe.

Schon nach wenigen Minuten trällerte Böhmermann sein erstes Lied: „Ich werde es wirklich sehr vermissen, euch bei Neo hier anzupissen. Ich will nicht wie Harald enden, ich will auch mal was Anderes senden.“ Schlager, Chansons, Balladen – in den insgesamt 45 Minuten ging es mit lauter Liedern weiter, die Böhmermann zusammen mit Sidekicks, Team und dem Rundfunkorchester Ehrenfeld präsentierte. Gespickt waren sie mit Anspielungen auf die Höhepunkte der vergangenen Jahre.

Der „Beefträger“ etwa brachte den „Beef“, der sich in den sechs Jahren angestaut hatte. Die Türkei, Ibiza, Campino, Jauch, Lena – alle seien sie wütend. Am meisten in Erinnerung bleiben wird da wohl die „Schmähkritik“, für die sich Böhmermann den meisten Ärger einheimste – und die in einer politischen Affäre und Polizeischutz endete. Böhmermann hatte sich 2016 über den türkischen Präsidenten Erdogan lustig gemacht. „Bin ich in meiner Kunst einfach konsequent oder doof?“, besang der 38-Jährige passend dazu.

Jan Böhmermann hört mit „Neo Magazin Royale“ auf – Das Wichtigste in Kürze:

  • Es ist Schluss: Das „Neo Magazin Royale“ wird eingestellt
  • Ab dem kommenden Jahr wird Jan Böhmermann mit einer eigenen Show im ZDF-Hauptprogramm zu sehen sein
  • Viel ist über die neue Show ist noch nicht bekannt

Böhmermann: „Wer heute nicht weint, ist in meinen Augen kein Mensch.“

Ebenso spielte er auf den „Verafake“ und den „Varoufake“ an: Bei Ersterem hatte er im Mai 2016 Schauspieler in die RTL-Show „Schwiegertochter gesucht“ geschleust. Für den „Varoufake“ hatte Böhmermann vorgegaukelt, in einen Clip mit dem griechischen Finanzminister Varoufakis einen „Stinkefinger“ hineinmontiert zu haben.

Gegen Ende der Sendung wurde es mit „Hallelujah“ dann tatsächlich noch herzzerreißend: Im Hintergrund der Bühne war ein Organigramm des ZDF zu sehen, vor Böhmermann stand ein Altar mit Kerzen und Bildern des ZDF-Intendanten Thomas Bellut und des ZDF-Programmdirektors Norbert Himmler. „Wer heute nicht weint, ist in meinen Augen kein Mensch“, betonte Böhmermann darum.

Was hat die Sendung seit Oktober 2013 so besonders und berühmt gemacht? Jan Böhmermann selbst brachte es auf den Punkt: „Immer ein Spagat zwischen scheiße und geil“. Das Geheimnis? „Die perfekte Verschmelzung zwischen Ernst und Unterhaltung.“

Was jeden Fan und Zuschauer an diesem Abend aber wohl am meisten interessierte: Wie geht es nach der letzten Folge weiter? Bisher bekannt ist nur, dass Böhmermann ab Herbst 2020 eine eigene Show abseits des „digitalen Spartenrands“ bekommen wird. „ZDF-Hauptprogramm: Da gehöre ich hin“, verkündete er. Aber: „Bitte nicht hinter Oliver Welke“ – also nach der „heute-Show“ im ZDF. Mehr verriet Böhmermann aber auch in dieser letzten Folge nicht.

Johannes B. Kerner macht den Chauffeur

Für eine gelungene Schlusspointe sorgte er, indem er am Ende in eine Limousine einstieg, in der schon Moderator Domian eins gesessen hatte. In seiner ersten „Neo Magazin Royale“-Sendung war er damit mit Domian unterwegs gewesen. Sechs Jahre habe er auf ihn gewartet.

Am Steuer dann die Überraschung: Johannes B. Kerner, der verkündete: „Jetzt bist du einer von uns“. Er könne ihn im ZDF groß machen, ihm den Kontakt von Horst Lichter geben. Er könne der neue Steven Gätjen werden. Vielleicht ja auch irgendwann die Silvester-Show mit Andrea Kiewel am Brandenburger Tor moderieren. Zum Glück nur Spaß. Denn was auch immer Jan Böhmermann in 2020 mit dem ZDF vor hat, fest steht: Genau das wird es nicht sein.

Ein Überblick über die Aktionen im „Neo Magazin Royale“:

Böhmermann will SPD-Chef werden

„Ich, Jan Böhmermann, möchte Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands werden“ - im August 2019 kommt der Satiriker mit einer markigen Ankündigung aus seiner Sommerpause. Die SPD hatte entschieden, ihre Mitglieder über die künftige Parteispitze abstimmen zu lassen – und Böhmermann springt dankbar auf den Zug auf.

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Während die anderen Kandidaten brav über das Land ziehen, um für sich zu werben, produziert Böhmermann zu Hause fleißig Schlagzeilen wie „Offiziell: Böhmermann nun SPD-Mitglied in Köthen“.

Ibiza-Affäre

Die Geschichte um das sogenannte Ibiza-Video ist wohl Böhmermanns größte Nummer mit – soweit bekannt – kleinstem eigenen Zutun. In den heimlich erstellten Aufnahmen spricht der damalige österreichische FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte über Formen politischer Einflussnahme.

Als es im Mai 2019 publik wird, muss Strache zurücktreten. Die Regierungskoalition zerbricht. Böhmermann hatte allerdings schon im April bei einer Preisverleihung Andeutungen zu dem Fall gemacht: Er soll das Video bereits gekannt haben. Sein genaues Wissen bleibt allerdings im Dunkeln.

Als alle auf eine Enthüllung in der Show hoffen, nutzt er die Aufmerksamkeit für ein Lied über Europa. Nun arbeitet er an einer Verfilmung der Affäre.

Verafake – zeigt Fehler bei „Schwiegertochter gesucht“ bei RTL

Ausnahmsweise mal ein großer Böhmermann-Streich ganz ohne Politik-Bezug. Im Mai 2016 zeigt der Moderator, wie sein Team Schauspieler in die RTL-Kuppelshow „Schwiegertochter gesucht“ einschleust, die als biertrinkender Vater „René“ und Sohn „Robin“ - ein „einsamer Eisenbahnfreund“ - auftreten.

Sender, Produktion und Moderatorin Vera Int-Veen sitzen dem Schabernack komplett auf. RTL räumt „Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht“ ein.

Die „Schmähkritik“ über Recep Tayyip Erdogan

Die Böhmermann-Aktion, die mit Abstand die höchsten Wellen schlug. Im März 2016 liest der Moderator in seiner Sendung das Gedicht „Schmähkritik“ vor. In einem Lied hatte sich zuvor das Satire-Magazin „extra 3“ (NDR) über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan lustig gemacht und diplomatische Verstimmungen verursacht.

Böhmermann aber setzt noch einen drauf. Mit grobschlächtigen Reimen will er – wie er sagt – den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik verdeutlichen. Erdogan schäumt, die Bundesregierung machte den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann frei. Über Tage bestimmt die Affäre die Agenda. In der Hochphase taucht Böhmermann ab, zeitweise steht er sogar unter Polizeischutz. Im Rückblick sagt er: „Geile Nummer – schade, dass sie von mir ist.“

Varoufake

Im März 2015 gaukelt Böhmermann vor, ein umstrittenes Video mit dem damaligen griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis gefälscht zu haben. Günther Jauch hatte den Politiker zuvor in seiner Talkshow mit einem Clip konfrontiert, auf dem zu sehen war, wie Varoufakis Deutschland symbolisch den ausgestreckten Mittelfinger zeigte.

Böhmermann suggerierte, den „Stinkefinger“ in den Clip montiert und als Fake-Video – von langer Hand geplant – in die Welt gesetzt zu haben. Die Gaukelei ist so perfekt, dass danach wirklich heillose Verwirrung herrscht. (jb/dpa)

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