Berlin. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warnt: Die Hemmschwellen für Judenhass in Deutschland seien gesunken.

Es war ein großer Erfolg für die immer wieder umstrittene Band – und selbst Monate nach Erscheinen löst das Video zu „Deutschland“ von Rammstein noch Kontroversen aus. Dieses Mal wird das Werk in einen besonders heftigen Kontext gestellt – Rechtsextremismus. Nach dem Anschlag von Halle äußert sich der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sehr kritisch gegenüber dem Video.

Wer Rammstein kennt, weiß, dass die Band gerne mal über die Grenzen geht. Aber sorgt die Band auch für Antisemitismus? Das zumindest wird ihr jetzt von Klein vorgeworfen. Er hat nach der Video-Veröffentlichung zum ersten Rammstein-Song nach über zehn Jahren seine Kritik von vor ein paar Monaten erneuert und wirft der Band erneut Profitgier vor.

Sie hingen an Galgen, zeigten sich in KZ-Uniformen: Rammstein hatte vor ein paar Monaten mit dem Video zum Song für Aufregung gesorgt. Die eingefleischten Fans waren begeistert. Bei anderen hingegen sorgten die Szenen für Entsetzen.

Rammstein: Antimsemitísmus-Kritik – Darum geht es:

  • Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußert sich zum Antisemitismus in Deutschland
  • Er meint, die Hemmschwelle für antisemitische Äußerungen sei gesunken
  • Er kritisiert die Band Rammstein für ein Musik-Video
  • Die Band-Mitglieder waren in dem Video zu „Deutschland“ als KZ-Häftlinge aufgetreten

Dabei ist der Song „Deutschland“ eine brutale wie wenig nationale Abrechnung mit 2000 Jahren Geschichte eines Landes, dem Rammstein im Text sagt: „Meine Liebe kann ich dir nicht geben“.

„Es geht uns nicht darum, Leute zu schocken“, sagte Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz dem Musikmagazin „Rolling Stone“ im Juni. „Wir wollen provozieren, Leute in Bewegung bringen.

Klein sieht das anders. Er sagte, es sei eine rote Linie überschritten, wenn „todgeweihte KZ-Häftlinge“ inszeniert werden. Sollte Rammstein es nur auf die Förderung ihrer Absatzzahlen absehen, sei dies laut Klein eine „geschmacklose Ausnutzung der Kunstfreiheit“.

Rammstein beim Konzert im Berliner Olympiastadion.
Rammstein beim Konzert im Berliner Olympiastadion. © dpa | Christoph Soeder

Ein paar Monate später, legte Klein nach und erhebt erneut Vorwürfe gegen die Band. Er macht sie für eine Verrohung der Gesellschaft verantwortlich. Auch allgemein äußert er sich besorgt über Antisemitismus in Deutschland. Bei den Nutzern kommt diese Aussage nicht so an. Er wird kritisiert.

Klein warnt vor einem „neuen Höhepunkt“ des Antisemitismus in Deutschland. „Antisemitismus war in bürgerlichen Kreisen in Deutschland immer vorhanden. Doch heute äußern sich die Menschen offener. Die Hemmschwellen sind gesunken, zum Beispiel durch die Verbreitung von Hass und die Verrohung im Internet“, sagte Klein unserer Redaktion.

In der politischen Kultur sei der Umgang ebenfalls rauer geworden, wozu auch die AfD beigetragen habe, erklärte der Antisemitismus-Beauftragte.

Deshalb sorgte das Video für Aufregung:

Klein reagierte damit auf eine neue Studie des Jüdischen Weltkongresses, wonach 27 Prozent aller Deutschen antisemitische Gedanken hegen, darüber hatte die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. „Die bisherigen Umfragen gingen davon aus, dass rund 15 bis 20 Prozent der Deutschen latent antisemitische Einstellungen haben“, betonte Klein. „Der Israel bezogene Antisemitismus in Deutschland liegt mit 40 Prozent sogar noch deutlich höher.“

Die Band um Sänger Till Lindemann ist für provokante Auftritte bekannt.
Die Band um Sänger Till Lindemann ist für provokante Auftritte bekannt. © dpa | Jens Kalaene

Rammstein will Verkaufszahlen für Album hochtreiben

Hier würden zum Beispiel die Handlungen der heutigen israelischen Regierung mit dem gleichgesetzt, was die Nationalsozialisten der jüdischen Bevölkerung in Europa angetan hätten.

„Auch in der Gesellschaft fand eine Verrohung statt, etwa in der Musik“, unterstrich der Antisemitismus-Beauftragte. „Wenn eine Band wie Rammstein die Verkaufszahlen für ihr Album hochtreiben will, indem sich die Mitglieder als KZ-Häftlinge verkleiden, die ihren Tod erwarten, dann wurden da auch Grenzen überschritten.“ Das habe Auswirkungen auf die Mitte der Gesellschaft.

Nutzer kritisieren Klein für Aussage

Was sagen Nutzer zu der Aussage von Klein? Im Internet wird die Aussage zum Teil heftig kritisiert. Ein Nutzer scheibt, dass die Angriffe auf Juden nicht erst seit Veröffentlichung des Rammstein-Liedes ein Thema sind. „Die aktuelle Bundesregierung hat viel zu lange zugeschaut“, schreibt er weiter auf Twitter. Ein anderer findet: „So ein Schwachsinn, wenn ich ein Video über die Gesichte Deutschlands mache, gehört alles dazu.“

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    Doch auch Klein nimmt den Staat in die Pflicht. „Es ist skandalös, dass viele Verfahren über antisemitische Straftaten von den Staatsanwaltschaften eingestellt werden.“ Die Gerichte müssten Antisemitismus stärker ahnden.

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    Israels Botschafter nennt Daten „besorgniserregend“

    Die Gesellschaft insgesamt mahnte Klein zu mehr Wachsamkeit. „Wenn am Arbeitsplatz oder im Privatleben Sprüche kommen wie ‚Juden haben zu viel Einfluss‘, müssen Leute etwas dagegen sagen. Dann muss man im Zweifelsfall auch mal die Harmonie einer Feier stören. Wir brauchen mehr Zivilcourage“, forderte der Antisemitismus-Beauftragte.

    „Es wäre gut, wenn es in Deutschland mehr Solidaritätsbekundungen mit Juden gäbe – und zwar nicht erst, wenn etwas passiert wie bei dem rechtsextremen Anschlag in Halle“, so Klein.

    Der israelische Botschafters in Deutschland, Jeremy Issacharoff.
    Der israelische Botschafters in Deutschland, Jeremy Issacharoff. © dpa | --

    Auch Israels Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, zeigte sich mit Blick auf die Umfrage alarmiert. „Die Daten sind besorgniserregend. Sie sollten jeden deutschen Bürger beunruhigen, der dem Fortbestand der deutschen Demokratie und der Toleranz verpflichtet ist“, sagte Issacharoff unserer Redaktion.

    „Wir hoffen und erwarten, dass die deutschen Behörden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Erscheinungsformen des Antisemitismus zu beseitigen.“