Berlin. Militär-Einsatz im Wald: Sachsen ruft die Bundeswehr bei der Bekämpfung der Borkenkäfer-Plage zu Hilfe. Der Einsatz geht nun weiter.

Das sind deutliche Worte: „In den sächsischen Wäldern spielt sich eine Katastrophe ab, die ihresgleichen sucht“, sagt Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU). Was er meint: Der Borkenkäfer sorgt in deutschen Wäldern zunehmend für Probleme. Im Zuge der Amtshilfe greifen insgesamt rund 50 Soldaten in den nächsten Wochen den Forstleuten unter die Arme.

So auch in Sachsen: Der Staatsbetrieb Sachsenforst sei bei den Aufräumarbeiten an die Grenzen seiner Ressourcen gelangt. Zugleich müsse das von Schädlingen befallene Holz so schnell wie möglich aus den Wäldern gebracht werden, um den weiteren Befall zu vermindern. „Die Zeit läuft unerbittlich gegen uns“, erklärte Schmidt.

Die Bundeswehr kann nach Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz Amtshilfe leisten, sie ist auf technische Unterstützung wie Unterbringung, Versorgung oder Transport beschränkt. Die Kosten dafür trägt der Freistaat.

Bundeswehr kämpft gegen Borkenkäfer – Das Wichtigste in Kürze:

  • Mehrere Bundesländer haben die Bundeswehr um Hilfe bei der Bekämpfung der Borkenkäferplage gebeten
  • Dabei geht es vor allem um den Transport von altem Holz
  • Die Länder wollen vor allem die Truppenstärke nutzen
  • Am Dienstag startete der Einsatz in Sachsens Wäldern
  • Der Einsatz wurde am Mittwoch erweitert

Der Borkenkäfer wird zur Gefahr für die heimischen Wälder.
Der Borkenkäfer wird zur Gefahr für die heimischen Wälder. © Reuters | Annegret Hilse

Experten gehen davon aus, dass der Borkenkäfer 2019 Fichtenbestände im Hügelland und den unteren Berglagen in Flächengröße zum Absterben bringt. Das könne die Waldbrandgefahr merklich erhöhen, zudem seien betroffene Bäume ein Risiko für Straßen- und Bahnverkehr. Auch interessant:

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Die Forstwirtschaft fordert einen umfassenden „Pakt für den Wald“, um drastische Schäden durch Dürre und Borkenkäfer in den Griff zu bekommen. Die von allen verursachten Klimaveränderungen hätten maßgeblich zu diesem Drama beigetragen, sagte der Präsident des Verbands der privaten Waldeigentümer (AGDW), Hans Georg von der Marwitz, am Mittwoch in Berlin.

Waldgipfel im September

Das Thema anzugehen, sei daher auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dringlich sei, beschädigtes Holz rasch zu beseitigen und eine Wiederaufforstung zu starten. Dafür sei insgesamt von Kosten von rund zwei Milliarden Euro auszugehen.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) will an diesem Donnerstag mit mehreren Verbänden über das Krisenmanagement und weitere Schritte sprechen, um den Wald für den Klimawandel zu wappnen. Dies soll auch einen „Waldgipfel“ am 25. September vorbereiten, bei dem konkrete Beschlüsse gefasst werden sollen. Klöckner macht sich für ein großes Wiederaufforstungsprogramm mit mehreren Millionen Bäumen stark.

Immer mehr Länder kommen mit der wohl durch den Klimawandel und der Dürre im vergangenen Jahr gestiegenen Population nicht zurecht. In den Waldern hat sich der Käfer längst ausgebreitet und verursacht dort enorme Schäden. Die Lage könne je nach Witterungsverlauf unbeherrschbar werden, erklärte das Ministerium.

Borkenkäfer – Darum ist er so gefährlich für die Wälder

  • Von Borkenkäfern gibt es unzählige Arten
  • Für die Wälder ist er eine enorme Belastung: Er pflanzt sich in selbstgebohrten Gängen fort
  • Das führt zu großen wirtschaftlichen Schäden
  • Auch die Gefahr von Waldbränden oder Verkehrsunfällen durch umstürzende Bäume steigt

Die Bundeswehr soll deshalb helfen. Die Bundeswehr hat in Sachsen mit letzten Vorbereitungen ihres Einsatzes gegen den Borkenkäfer begonnen. Seit acht Uhr rücken am Dienstag 30 Soldaten der Panzergrenadierbrigade 37 aus dem sächsischen Frankenberg an, um im Freistaat im Kampf gegen den Waldschädling zu helfen.

Die Soldaten seien seit Dienstagmorgen auf dem Weg zu ihren Einsatzorten in den Wäldern, sagte ein Sprecher des Staatsbetriebs Sachsenforst auf Nachfrage. Am Mittwoch sollen demnach weitere Soldaten in den Bezirken Eibenstock und Neudorf eingesetzt werden. Die Streitkräfte unterstützen die Waldarbeiter beim Fällen befallener Bäume und Räumungsarbeiten. Der Einsatz sei ein Novum, hieß es. Die Kosten trage der Freistaat.

Die Kosten für den Einsatz trägt das jeweilige Bundesland.
Die Kosten für den Einsatz trägt das jeweilige Bundesland. © dpa | Hendrik Schmidt

Dem Verteidigungsministerium liegen seit Tagen Anfragen aus mehreren Bundesländern vor. Nach Sachsen wollen Sachsen-Anhalt und Thüringen noch in dieser Woche bei den jeweiligen Landeskommandos der Bundeswehr vorstellig werden.

Auch in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Nordrhein-Westfalen werden dem Vernehmen nach solche Szenarien durchgespielt und diskutiert. Was eigentlich hat die Truppe, was andere nicht haben? Vor allem „manpower“.

Die Soldaten können geschädigte Bäume markieren und fällen. Danach würden Bergepanzer Schneisen in den Wald ziehen und die Stämme herausschaffen. Die Pioniere können nicht nur mit schwerem Material helfen, mit Sägen, Notstromaggregaten oder Fahrzeugen. Vor allem kann die Bundeswehr, anders als die Forstämter, auf Kommando – buchstäblich – Helfer in großer Zahl in Marsch setzen. Keine andere Institution hat so einen langen Arm wie die Streitkräfte.

Die größten Pannen bei der Bundeswehr

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    Das Tempo ist der entscheidende Faktor. „Das Schadholz muss so schnell es geht aus dem Wald transportiert werden, um die weitere Ausbreitung des Borkenkäfers einzudämmen“, erkannte Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU).

    Gerade mit dem Holztransport kommen vor allem viele private Waldbesitzer kaum hinterher. „Wir haben inzwischen so viel Holz im Wald liegen, dass wir mit dem Abtransport nicht mehr nachkommen“, heißt es in der Forstwirtschaft. Es gilt, auch schon mit Blick auf 2020, weitere Schäden zu verhindern. Der Borkenkäfer, der gerade ideale Bedingungen vorfindet und die dritte Brut in diesem Jahr anlegt, müsse gestoppt werden. Andernfalls drohen nach der Überwinterung erst recht höhere Schäden.

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    Borkenkäferplage: Waldwirtschaft spricht von „Vorstufe zur Apokalypse“

    Dabei herrscht in der Forstwirtschaft schon heute Untergangsstimmung. Zuletzt hatte Ute Kreienmeier vom nordrhein-westfälischen Gemeindewaldbesitzerverband öffentlich Alarm geschlagen: „Die Krise in den Wäldern hat die Vorstufe zur Apokalypse erreicht, wir kriegen das alleine nicht mehr gemanagt“, sagte sie dpa. „Wir brauchen dringend Hilfe.“

    Ein Borkenkäfer krabbelt auf einem entrindeten Fichtenstamm im Forst bei Augustusburg.
    Ein Borkenkäfer krabbelt auf einem entrindeten Fichtenstamm im Forst bei Augustusburg. © dpa | Hendrik Schmidt

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    Der Borkenkäfer – lateinisch Scolytinae – wird in immer mehr Bundesländern zu einem ersten Problem.
    Der Borkenkäfer – lateinisch Scolytinae – wird in immer mehr Bundesländern zu einem ersten Problem. © iStock | istock

    Während Mohring von den Grünen in Thüringen noch für seinen „Aktionismus“ kritisiert wurde, beantragte das benachbarte Sachsen als erstes Land gemäß Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz offiziell Amtshilfe. Das ist nichts Ungewöhnliches. Erst im Januar war die Bundeswehr bei der Schneekatastrophe in Bayern mit Hunderten Soldaten im Einsatz. Im vergangen Jahr halfen Militärs bei der Brandbekämpfung. Beste Werbung in eigener Sache machte die Truppe beim Oderbruch vor über zehn Jahren oder beim Flüchtlingsdrama in den Jahren 2015 und 16.

    In der vergangenen Woche kam der entscheidende Wink dann von der

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    Sie teilte mit, dass der Truppe Anfragen aus verschiedenen Regionen vorlägen; und dass die Bundeswehr einen Einsatz ernsthaft prüfe.

    Borkenkäfer-Plage als Folge des Klimawandels?

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    der in den deutschen Wäldern angekommen sei: „

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    die vorangegangenen Stürme und die anhaltende Trockenheit in 2019 haben dem Wald in Deutschland zugesetzt.“ Ein einzelnes Extremwetterereignis würde der Wald verkraften, nicht jedoch eine ganze Kette aus Stürmen, Dürre, Trockenheit und Schneebruch.

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    Betroffen seien alle Baumarten, Nadel- wie Laubbäume gleichermaßen. „Jede Baumart hat ihren Schädling: Borkenkäfer und Nonnenspinner setzen Fichten und Kiefern zu. Buchen und Erlen leiden unter einem Pilzbefall, die Eiche unter dem Eichenprozessionsspinner, der schwere gesundheitliche Folgen auch für den Menschen haben kann.“

    Warum der Borkenkäfer so viele Bäume befallen kann

    Normalerweise kann die Fichte die Käfer durch Harzbildung abwehren. Aber wenn es zu trocken wird, hat der Baum kein Wasser und damit kein Harz mehr. Die Folge: Der Käfer bohrt seine Brutgänge in die Rinde, wo die Larven den Stoffwechsel des Baumes stören. Die Wurzeln werden nicht mehr mit Energie aus der Baumkrone versorgt. Bis zu drei Borkenkäfer-Generationen können innerhalb eines Jahres entstehen. Dann kann es innerhalb weniger Wochen zum Absterben der Bäume kommen.

    Hintergrund:

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    Borkenkäfer verursacht enorme Schäden:

    • Nach Berechnungen der AGDW rund 70 Millionen Festmeter Schadholz, ein Waldverlust von etwa 110.000 Hektar.
    • Kostenpunkt zur Beräumung der Schäden: etwa 2,1 Milliarden Euro.
    • Für die Wiederbewaldung würden nach Angaben des Dachverbandes noch einmal rund 300 Millionen Bäume und ein Finanzvolumen von etwa 640 Millionen Euro benötigt.
    • Besonders dramatisch scheint die Situation in Thüringen zu sein. Schätzungen zufolge werden im Freistaat bis Jahresende etwa 600.000 Buchen wegen Trockenheit absterben.
    • Fünf bis sechs Millionen Fichten könnten dem Borkenkäfer zum Opfer fallen. Täglich kommen neue Hiobsbotschaften aus vielen anderen fast allen Ländern an.

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    Bayern zögert, die Bundeswehr um Hilfe zu bitten. Das saarländische Umweltministerium sieht keinen Bedarf für einen Einsatz der Militärs. Der Transport der Bäume sei „Aufgabe unserer Forstleute“. Die eindeutigsten Notsignale kommen aus dem Osten.

    Allein die Militärhilfe beim Abtransport des Holzes könnte Hunderte Millionen Euro kosten. Nach einem Einsatz wird die Bundeswehr die Kosten den jeweiligen Ländern in Rechnung stellen – oder darauf verzichten.