Wolfsburg. Der Fußball-Bundesligist kann nicht mehr wie vor Jahren auf dem Transfermarkt agieren. Was das mit Volkswagen zu tun hat.

Ob sich Marcel Schäfer die „gute alte Zeit“ beim VfL Wolfsburg manchmal zurückwünscht? Meistens sicherlich nicht, denn dann hätte es der Sport-Geschäftsführer des Bundesligisten häufiger mit sendungs- und selbstbewussten VW-Bossen zu tun, die sich nur allzu gerne auch aktiv in das Fußball-Geschäft einmischen – ob mit oder ohne Mandat im VfL-Aufsichtsrat. Diese Zeiten sind vorbei. Sowohl bei Volkswagen als auch im obersten Kontrollgremium der Grün-Weißen wird inzwischen mehr mit Ruhe und Sachlichkeit agiert statt mit manchmal aufbrausendem Machtbewusstsein.

In einem anderen Punkt würde Schäfer allerdings sicherlich gerne mit seinen Vorgängern tauschen – bei der finanziellen Unterstützung von Volkswagen. Denn auch die aktuelle Transferperiode hat gezeigt: Die Zeiten, in denen die Wolfsburger finanziell fast alle Konkurrenten in der Bundesliga ausstechen können, sind vorbei. So hatte der VfL sein Werben um den talentierten französischen Nachwuchsstürmer Hugo Ekitiké schnell aufgegeben. Das Gehalt des Angreifers von Paris St. Germain war für den VfL angeblich nicht zu stemmen, stattdessen schlug Eintracht Frankfurt zu.

Vor dem VfL Wolfsburg wollte Eintracht Braunschweig Kevin Behrens

Die Wolfsburger holten dagegen einen anderen Stürmer, Kevin Behrens von Union Berlin. Ein guter Typ. Einer, der sich reinhaut. Ein Brecher für den Angriff, den der VfL so nicht in seinem Kader hatte. Und einer, der es im Spätherbst seiner Karriere auch mal für ein Spiel zur deutschen Nationalmannschaft schaffte. Aber auch einer, mit dem sich vor einem Jahr auch schon einmal ein anderer Klub aus der Region beschäftigt hat – Zweitligist Eintracht Braunschweig. Das spricht nicht gegen Behrens, auch nicht gegen seine Verpflichtung, aber es ist schon etwas komisch, dass Grün-Weiße und Blau-Gelbe mit relativ engem zeitlichem Abstand wieder im selben Regal stöbern.

Wenn die Wölfe mal etwas höher hinauswollen, kann es Niederlagen geben. Wie im Sommer beim Werben um Robin Gosens, der einen Wechsel zu Union Berlin vorzog. Klar, den deutschen Nationalspieler reizte auch das Hauptstadt-Flair sowie die Champions League. Trotzdem zeigt auch dieser Transfer, dass sich die Kräfteverhältnisse in der Bundesliga inzwischen zu Ungunsten des VfL verschoben haben.

Es ist richtig, die Wolfsburger gehören mit ihrer Finanzkraft immer noch knapp ins obere Drittel der Bundesliga. Aber vor einigen Jahren tendierten sie eher in Richtung Top 3. Nun müssen sie aufpassen, dass sie von den wirtschaftlich starken Klubs nicht abgehängt werden. Diese Entwicklung hat entscheidend mit der Unterstützung von Volkswagen zu tun. Die ist immer noch üppig und versetzt den VfL in die Lage, einen guten Kader zusammenzustellen. Doch im Vergleich zu seinen Vorgängern Felix Magath und Klaus Allofs muss Schäfer mit deutlich weniger auskommen.

Mit so viel Geld untestützt Volkswagen den VfL Wolfsburg

Nach Informationen unserer Zeitung hat sich die Unterstützung von VW um fast 40 Prozent reduziert. Hatte der Autobauer die konzerneigenen Fußballer in der Hochphase, knapp vor Diesel-Gate, noch mit rund 100 Millionen Euro unterstützt, sind es jetzt „nur“ noch etwas mehr als 60 Millionen Euro. Und das hat empfindliche Auswirkungen auf den Spieleretat. Denn während andere Klubs in ihrer Einnahmestruktur breiter aufgestellt sind, hat sich die Abhängigkeit des VfL von VW in den vergangenen Jahren kaum reduziert. Das Personalbudget schrumpfte daher mit, von in Spitzenzeiten mal 120 Millionen Euro auf aktuell etwa 80 Millionen Euro.

VfL Wolfsburg muss sich sein Geld mehr verdienen

Das reicht immer noch, um in der Bundesliga eine gute Rolle zu spielen, weswegen die Enttäuschung über die aktuelle Saison im Klub und bei VW verständlicherweise groß ist. Aber es ist nicht mehr so viel, dass sich die Wölfe auf dem Transfermarkt noch so große Sprünge erlauben können wie früher. Dass Schäfer und Co. im vergangenen Sommer recht viel investieren konnten, lag allein daran, dass sie zuvor durch die Verkäufe von Felix Nmecha und Micky van de Ven entsprechend eingenommen hatten.

Darin liegt auch das Modell der Zukunft für den VfL. Er muss sich sein Geld für Investitionen inzwischen mehr verdienen – durch Verkäufe oder durch sportlichen Erfolg. Die Höhe der VW-Unterstützung hängt nämlich auch von der Platzierung im Vorjahr ab. Rund 60 Millionen kassiert der Klub vom Autobauer für eine Saison ohne Europa. Bei der Qualifikation für die Europa League sind angeblich rund 10 Millionen Euro mehr drin, bei einer Teilnahme an der Champions League sogar 20. Doch davon sind die Wölfe in dieser Spielzeit weit entfernt. Es droht also weiterhin das Kochen auf mittlerer Flamme.

Das bringt für den VfL aber eine zusätzliche Gefahr. Denn vielleicht mehr als andere Vereine braucht er sportlichen Erfolg, um attraktiv zu sein und Aufmerksamkeit zu erlangen. Deshalb ist es nicht unproblematisch, dass man ausgerechnet in Zeiten, in denen VW durch sein Performance-Programm viele Ausgaben auf den Prüfstand stellt, im sportlichen Mittelmaß versinkt.

Die aktuelle VW-Führungsriege hat den VfL als eine Konzerntochter von ihren Vorgängern geerbt. So richtig etwas anzufangen, scheint sie damit aber nicht zu können. Zumindest ist der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume deutlich weniger präsent bei den Grün-Weißen als ein Martin Winterkorn, ein Frank Witter definiert seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender des VfL anders als Francisco Garcia Sanz. Blumes Vorgänger Herbert Diess hatte sogar ein besonders kritisches Verhältnis zum Engagement im Fußball-Bereich. Eine eher nüchterne Distanz der VW-Oberen zum VfL muss nicht unbedingt gleich etwas Schlimmes sein, aber die Wölfe sollten aufpassen, dass sie bei ihrer Mutter nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken. Dann könnte irgendwann das gesamte Engagement infrage gestellt werden.

VW hält Fußball weiter für interessant

Die gute Nachricht für den VfL: So weit ist es noch lange nicht. Dafür ist der Klub inzwischen zu verwoben mit dem Konzern, ist die Standortpflege für VW zu wichtig. Und dass der Autokonzern im Fußball weiterhin eine gute Werbefläche sieht, zeigt sich in Stuttgart. Dort hat sich VW-Tochter Porsche gerade für 40 Millionen Euro Anteile am VfB gesichert. Der Zeitpunkt ist perfekt. Die Schwaben spielen eine gute Saison, starten in der nächsten Spielzeit vielleicht sogar in der Königsklasse und könnten dann im Sommer der nächste Klub sein, der dem VfL finanziell den Rang abläuft.