Wolfsburg. Der Neuzugang des VfL Wolfsburg trug in der Vergangenheit schon viele Spitznamen. In seinem neuen Team hat er auch schon einen.

In seiner Zeit bei Rot-Weiß Essen hatte Kevin Behrens den Spitznamen Thor. Der Körperbau, die langen blonden Haare – da passte die Referenz an den germanischen Donnergott nur zu gut. Beim VfL Wolfsburg klingt es weniger nach Mythologie, wenn Spieler und Trainer des Fußball-Bundesligisten den Neuzugang von Union Berlin rufen. „Behre“ wird der 33-Jährige ganz simpel genannt, genauso wie zuvor in der Hauptstadt. Auch die Trikotnummer 17 hat er übernommen. Nur die Torflaute, die würde der Angreifer bei seinem neuen Arbeitgeber dann doch ganz gerne beenden.

Absehbar war es für den Stürmer nicht, dass er im Januar in Wolfsburg landen würde. „Ich war schon ein bisschen überrascht. Ich bin ja schon im fortgeschrittenen Fußballeralter und noch nicht so lange in der Bundesliga“, erklärt der Spieler. Ein, zwei Wochen habe er sich vor seinem Wechsel mit den VfL-Verantwortlichen ausgetauscht. Und natürlich habe er auch die Familie mit einbezogen. „Entscheide dich, Kevin. Wir ziehen das als Familie mit dir durch!“ Das habe seine Frau ihm gesagt.

Familie von Kevin Behrens will bald nach Wolfsburg ziehen

Noch wohnt die mit den drei Kindern des Paares in Berlin, Behrens selbst in Wolfsburg im Hotel. Aber das Pendeln an freien Tagen soll bald vorbei sein. „Wir suchen schon nach einer Wohnung oder einem Haus in Wolfsburg“, erklärt der Spieler und macht damit deutlich: Er will heimisch werden in der VW-Stadt und sich wohlfühlen. Der VfL? Mehr als nur eine kurze Station. Wenn es gut läuft, ist es vermutlich die letzte für den Fußballer im Profibereich.

Dass er überhaupt in der Bundesliga angekommen ist, scheint für den Angreifer immer noch eine Art Wunder zu sein. Nicht überall hat es für den bulligen Stoßstürmer auf Anhieb gut funktioniert. Der Sprung in den Profibereich schien ihm lange Zeit nicht zu glücken. Zwar durfte sich Behrens – wenn auch spät – im Nachwuchsleistungszentrum von Werder Bremen beweisen. Doch nach seiner U19-Zeit schaffte er nicht mal den Sprung in den Kader der zweiten Herrenmannschaft – vom Bundesligateam ganz zu schweigen. Stattdessen kickte er zunächst für die dritte Mannschaft der Grün-Weißen. Über Wilhelmshaven, Hannover 96 II und Alemannia Aachen gelangte Behrens als damals 24-Jähriger zu Rot-Weiß Essen, wo er aber nach einem halben Jahr rausflog, weil er sich mit den Verantwortlichen überwarf.

VfL-Neuzugang war früher ein Heißsporn

Behrens galt damals als unbequemer Brecher im Sturm, aber auch als emotionaler Typ, der im Laufe der Jahre die eine oder andere rote Karte sah und sich selbst nicht im Griff hatte. Den Durchbruch schaffte er erst beim 1. FC Saarbrücken in der Regionalliga, für den er in 85 Partien 41 Treffer erzielte. Die Belohnung: der Wechsel zu Zweitligist SV Sandhausen, den der Angreifer mit 46 Torbeteiligungen in 98 Partien nicht nur einmal in der Liga hielt. Erst im Alter von 30 Jahren bestritt Behrens sein erstes Spiel in der Bundesliga mit Union Berlin. Mit dem Verein durfte er sogar Erfahrung auf internationalem Parkett sammeln. Der Klub aus Köpenick wuchs ihm ans Herz.

Die Rückkehr erfolgte im Rekordtempo: Nur 13 Tage nach seinem letzten Auftritt für Union gegen Darmstadt traf Behrens mit seinen neuen VfL-Mitspielern in der Alten Försterei an und wurde am Rande sogar noch einmal offiziell verabschiedet. Zwar spendeten viele Union-Anhängern Applaus, aber es gab auch Pfiffe. „Da war ich schon ein bisschen enttäuscht. Das kenne ich von den Fans nicht“, gibt Behrens zu. Zweieinhalb Jahre habe er bei Union gespielt, doch Pfiffe habe er sonst nie gehört. Trotzdem sei klar: Union werde immer in seinem Herzen bleiben. Zuvor hatte der Routinier in einem Interview auf der VfL-Homepage erklärt, dass in Wolfsburg alles ein bisschen professioneller sei – Worte, die in Berlin nicht gut ankamen. „Die Aussage war auf die Infrastruktur bezogen“, stellt der Stürmer klar.

An die Nationalelf glaubte der Neu-Wolfsburger schon nicht mehr

Auch wenn Behrens nicht mehr so aneckt wie früher – seine Meinung äußert der Routinier dann doch ganz gerne. Der Traum von der Nationalmannschaft? Klar, habe er den als kleiner Junge auch geträumt, sagt er, räumt aber auch ein: An seine Premiere im Oktober gegen Mexiko habe er nicht mehr geglaubt. Und auch bezüglich eines zweiten Einsatzes unter Julian Nagelsmann kommt aus seinem Mund mehr als nur die übliche Optimismus-Floskel. „Ich kann es noch schaffen, aber es wird schwierig.“ Überhaupt stecke hinter seinem Aufstieg weitaus mehr harte Arbeit als Talent, so Behrens.

Berlin als Wohnort habe er sehr geschätzt, sagt der Ex-Unioner. Dort habe man immer ein Restaurant gefunden, aber auch Orte, wo man Party machen könne. Party? Ja, natürlich, wenn man mal Spiele gewonnen habe, schiebt Behrens hinterher. Da gehöre es doch dazu, auch mal rauszugehen, das schweiße ja schließlich auch zusammen. In Sachen Lebensführung lässt er sich nichts einreden: Wie bereits in Berlin will Behrens auch in Wolfsburg öfter mal mit dem Fahrrad zum Training kommen. „Ich bin gerne mit dem Rad unterwegs und höre dabei ein bisschen Musik“, sagt er offen, wohlwissend, dass der hinter seinem neuen Geldgeber stehende Großkonzern seinen Umsatz mit ganz anderen Fortbewegungsmitteln macht.

Doch das Allerwichtigste dürften Behrens‘ Leistungen auf dem Platz sein. Bei seiner Premiere für den VfL gegen Hoffenheim lieferte er prompt eine Torvorlage ab. In der Partie bei Union hingegen blieb er blass (BZ-Note 5). Am Samstag im Heimspiel gegen Borussia Dortmund (15.30 Uhr, Volkswagen-Arena) soll seine Negativserie von 18 Bundesligaspielen ohne Torerfolg nach Möglichkeit reißen. Dann könnten wieder Erinnerungen an alte Spitznamen aufkommen. In Sandhausen war das in Anlehnung an die dortige Spielstätte „Hardtwald-Ronaldo“. An dem Portugiesen schätzt Kevin Behrens, dass er akribisch arbeite, ehrgeizig und noch lange nicht satt sei. All das scheint irgendwie auch auf ihn selbst zuzutreffen.

Mehr wichtige Nachrichten zum VfL Wolfsburg lesen:

Täglich wissen, was bei den Männern und Frauen des VfL Wolfsburg passiert: