Braunschweig. Beide stehen bei 23 Punkten. Die Stimmung aber könnte unterschiedlicher nicht sein. Form, Trainer, Fans und Prognose in der Analyse.

Unterschiedlicher könnten die Gefühlslagen bei den beiden Fußball-Profi-Klubs der Region aktuell nicht sein. Und das, obwohl Eintracht Braunschweig und der VfL Wolfsburg beide 23 Punkte auf dem Konto haben. Klar: Beide spielen in verscheidenen Ligen. Doch auch die Ansprüche beider Teams gehen weit auseinander. Bei Eintracht Braunschweig. Nach dem 2:0-Sieg über Karlsruhe war die Stimmung ausgelassen. Schon wieder. Beim VfL droht die Stimmung nach der 0:1-Niederlage gegen Union Berlin dagegen langsam zu kippen. Was läuft bei den Klubs aktuell anders? Wie ist die Form? Und welche Rolle spielen die Fans. Eine Doppel-Analyse.

Eintracht Braunschweig tritt mit neuem Selbstverständnis auf

Form bei Eintracht Braunschweig: Anfang November lag die Eintracht am Boden. Spielerisch ging nichts. Der Plan des damaligen Trainers Jens Härtel wollte nicht aufgehen. Nicht nur verloren die Löwen ihre Spiele, sie waren nicht selten chancenlos. Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Seither gab‘s sechs Siege bei nur drei Niederlagen. Und die Erfolge waren kein Zufall. „Wir erarbeiten uns auch das Matchglück aktuell. Das Verteidigen und Umschalten im Kollektiv zeichnet uns aus“, sagt Fabio Kaufmann. Er und seine Kollegen haben eine Identität gefunden.

Und plötzlich treten sie mit einem ganz anderen Selbstverständnis auf. Die Atmosphäre im Team war immer positiv, selbst tief in der Krise. Das hilft der Mannschaft auch jetzt freilich weiter. Die Eintracht-Kicker verteidigen leidenschaftlich. Nach vorne geht‘s dann möglichst schnell. „Wir haben noch keine Mannschaft an die Wand gespielt, sondern immer gekämpft“, ordnet Kaufmann ein. Seit dem 13. Spieltag ist mit Holstein Kiel nur ein Team besser als die Blau-gelben. 14 ihrer 21 Tore erzielten sie seither. Nur neun haben sie kassiert. 24 waren es in den zwölf Partien zuvor.

Maximilian Arnold hat Hoffnung

Form beim VfL Wolfsburg: Seit Anfang Dezember haben die Wolfsburger in der Liga nur einen Sieg (1:0 in Darmstadt) geholt. Zusammen mit den vier Unentschieden zu Jahresbeginn haben sie damit in den vergangenen neun Spielen nur sieben Punkte eingesammelt und mussten dazu noch das bittere Aus im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach verkraften. Die Formkurve der Grün-Weißen zeigt also klar nach unten, nachdem man mit drei Siegen aus vier Partien eigentlich positiv und hoffnungsvoll in die Bundesliga-Saison gestartet war.

Maximilian Arnold wendet sich an die Fans.
Maximilian Arnold wendet sich an die Fans. © regios24 | Darius Simka

Doch anstatt nach Platz 8 in der vergangenen Saison einen Schritt nach vorne zu machen, rutschte die Mannschaft von Trainer Niko Kovac in der Tabelle immer weiter ab. Der VfL konnte so nicht davon profitieren, dass auch die anderen Teams, die noch im Rennen um Platz 7 sind, ebenfalls nicht überzeugen. Aktuell müssen die Wolfsburger sogar mit einem Auge nach unten auf die Abstiegszone blicken. „Die Lage ist nicht gut, wir haben sechsmal in Folge nicht gewonnen, 23 Punkte auf dem Konto und nun gegen einen Gegner, der hinter uns stand, verloren“, fasst Maximilian Arnold die Situation schonungslos zusammen. Er betont nach der Niederlage in Berlin aber auch: „Ich habe eine Mannschaft gesehen, die lebt.“ Trotz des Absturzes in den vergangenen Monaten sieht der Kapitän also auch Anlass zur Hoffnung. „Wir haben immer Möglichkeiten, die Tore zu erzielen. Aber wir bekommen den Ball nicht über die Linie“, sagt Arnold. Dass die Chancen da sind, stimmt ihn zumindest zuversichtlich, dass bald wieder Siege kommen. „Ich habe zweimal Relegation mit dem VfL gespielt, und ich habe schon Jahre gehabt, wo wir schon nicht wussten, wie wir Tore schießen sollen.“ So schlimm sei es in dieser Saison aber nicht, findet der VfL-Kapitän trotz der aktuell negativen Bestandsaufnahme.

Eintracht Braunschweig gegen Karlsruher SC

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    Daniel Scherning: hoher Ertrag mit einfachen Mitteln

    Eintrachts Trainer Daniel Scherning: Was Daniel Scherning in Windeseile in Braunschweig geschafft hat, ist beachtlich. Und das mit relativ simplen Mitteln. Der Kader war schließlich zunächst derselbe, mit dem Härtel es zuvor gerade einmal zu fünf Pünktchen gebracht hatte. Scherning hat nun schon 18 Zähler gesammelt. Der Coach hat seinem Team einen klaren Plan an die Hand gegeben. Der hat nichts mit Hexerei zu tun. Jeder aber weiß genau, was er auf dem Feld zu tun hat.

    Zudem ist Scherning deutlich kommunikativer. Der 40-Jährige wirkt aufgeräumt. Genau das haben die Löwen in der Krise gebraucht: Struktur und klare Ansagen. Ganz einfach ist das sicher nicht. Schließlich verfügen die Braunschweiger quantitativ über einen üppigen Kader – und der will moderiert werden. Zudem hat der Übungsleiter nicht auf Biegen und Brechen versucht, seine eigenen Vorlieben durchzusetzen, etwa was das Spielsystem angeht. Eigentlich hatte Scherning bei seinen vorherigen Stationen ein 4-3-3 bevorzugt. Anhand der Stärken und Schwächen der Eintracht-Profis aber hat er nun erfolgreich ein 3-1-4-2 etabliert. Scherning entwickelt seine Theorie anhand der Fakten – und nicht umgekehrt. Dabei schreckt er auch vor schwierigen Entscheidungen nicht zurück. Routinierte Kräfte mussten zurückstecken. Akteure, die zuvor keine Rolle gespielt haben, rückten plötzlich in den Vordergrund. Der Ostwestfale hat auch die Fans in kürzester Zeit für sich gewinnen können – und sitzt so fest im Sattel, wie es nur geht.

    Niko Kovac unter Druck

    VfL-Coach Niko Kovac: Erstmals waren nach dem 0:1 bei Union Berlin „Kovac raus“-Rufe aus dem Wolfsburger Fanblock zu hören. Zwar nur vereinzelt und nicht besonders laut, aber auch nicht so leise, dass sie zu überhören waren. Trainer Niko Kovac steht beim VfL mit dem Rücken zur Wand, auch wenn ihm Sport-Geschäftsführer Marcel Schäfer nach der Niederlage in Berlin erneut das Vertrauen aussprach. Aber auch die Geduld der Klub-Bosse mit dem Coach ist endlich. Kovac braucht in den nächsten Wochen Erfolgserlebnisse, obwohl mit Dortmund, Frankfurt, Stuttgart und Leverkusen nun besonders schwere Brocken in der Bundesliga warten. Aber der Coach war in dieser Spielzeit schon mehrmals angezählt. Es fehlen nicht mehr viele Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen könnten. Zumal der Coach mit seinen vielen Wechseln personeller und taktischer Natur Angriffspunkte für Kritik bietet. Er hat es jedenfalls nicht geschafft, seiner Elf ein stabiles Korsett zu verpassen. Die Wechsel zwischen Dreier- und Viererkette in der Abwehr stehen dafür exemplarisch, können aber auf die persönliche Entwicklung vieler Spieler übertragen werden.

    Das feine Gespür der Eintracht-Fans

    Die Eintracht-Fans: Eintrachts Anhänger sind sensibel. Das waren sie schon immer. Auf der einen Seite bedeutet das, dass sie ein feines Gespür dafür haben, wann das Team die Unterstützung ganz besonders braucht. Auf der anderen Seite machen sie ihrem Unmut auch schon einmal deutlich Luft, wenn es ihnen reicht. Als die Blau-Gelben in dieser Spielzeit unaufhaltsam in Richtung sportlicher Talsohle marschierten, zeigten die Fans aber auch eine andere Seite: sie resignierten.

    Anstatt zu pfeifen und ihre Wut an den Spielern abzuarbeiten, schlich sich Gleichgültigkeit ein. Doch das ist längst vorbei. Wie gesagt: Die Fans haben ein feines Gespür. Auch für einen Umschwung. Und der greift aktuell in Braunschweig. Plötzlich wabert wieder so etwas wie Euphorie durch das Eintracht-Stadion. Nicht zu überschwänglich, aber doch merklich. In der Vorsaison haben auch die Fans der Braunschweiger großen Anteil am Klassenerhalt gehabt. Weil sie ruhig geblieben sind, auch wenn es nicht lief. Und weil jedem bewusst war, wie schwierig der Klassenerhalt sein würde. Und dieses Feingefühl wird auch in dieser Spielzeit noch eine Rolle spielen.

    Große Zweifel bei VfL-Fans

    Die VfL-Fans: Unter den Anhänger sind die Zweifel inzwischen groß, dass der VfL in der aktuellen Konstellation noch die Trendwende schafft – siehe die Unmutsäußerungen in Berlin. Die Enttäuschung ist auch deshalb so groß, weil viele nach der vergangenen Saison unter Kovac in dieser Spielzeit eine Vorwärtsentwicklung erwartet hatten. Dabei gab es einen Schritt zurück. Die meisten Fans haben sich daher schon auf die dritte Saison in Folge, in der der VfL Europa verpassen wird, eingestellt. Doch Arnold appellierte bei seiner Ansprache an die Kurve in Berlin auch an das gemeinsame Kämpferherz. „Ich habe das Gefühl, dass wir das schaffen können“, sagt er.

    Was geht noch für Eintracht Braunschweig?

    Prognose zur Eintracht: Wer hätte im November gedacht, dass die Eintracht drei Monate später nicht nur konkurrenzfähig im Rennen um den Klassenerhalt sein würde, sondern die Abstiegszone sogar schon verlassen hat? „Totgeglaubte leben länger. Das verfolgt ein paar Jungs und mich schon länger. Im November, als ich den Satz gesagt habe, haben mich alle angeguckt und gesagt: Der soll nicht so viel träumen. Jetzt ist es leichter, den Satz auszusprechen. Im Fußball ist alles möglich“, sagt Kaufmann.

    Und das gilt auch weiterhin. Die Konzentration hochzuhalten und den Aufwärtstrend nicht für selbstverständlich zu nehmen, wird für die Blau-Gelben ein wichtiger Schlüssel sein. Nach wie vor geht es nur darum, in der Liga zu bleiben. Da wird es auch Rückschläge geben. Entscheidend wird sein, wie sich die Braunschweiger davon erholen. Zuletzt gelang das gut. Nach der Pleite bei Schalke 04 war die Antwort ein 2:0-Erfolg gegen Karlsruhe. Wenn die Eintracht im Rhythmus bleibt, ist der Klassenerhalt längst keine Utopie mehr – sogar ohne den Umweg Relegation.

    Prognose zum VfL: Der VfL wird am Ende die Qualifikation für den Europapokal verpassen, sich die Tiefen des Abstiegskampfes aber noch vom Hals halten können. Das setzt jedoch voraus, dass die Wolfsburger nicht so weitermachen wie in den vergangenen Wochen. Die Leistungen stimmen zwar hin und wieder, doch die Punkteausbeute ist deutlich zu gering, um sich sicher zu fühlen. Selbst wenn die Teams auf den Abstiegsrängen aktuell nicht den Eindruck machen, dass sie in der Lage sind, eine Aufholjagd zu zünden. Aber die Wölfe sollten bei sich bleiben und endlich ihre Chancen nutzen, gerade angesichts des schweren Programms in den nächsten Wochen. „Wir müssen es einfach erzwingen“, fordert Arnold mehr Konsequenz von sich und seinen Mitspielern. Sie wissen, dass die 23 Punkten, die sie bisher in dieser Saison gesammelt haben, für ihre Ansprüche klar zu wenig sind.

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