Berlin. Niko Kovac bleibt auch nach dem 0:1 in Berlin Trainer des VfL Wolfsburg. Aber die ersten Fans fordern schon seinen Rauswurf.

Vielleicht war es auch ein wenig der Blick durch die grün-weiße Brille, der die Analyse von Niko Kovac so positiv ausfallen ließ. Trotzdem lässt sich auch mit einer kritischen Sicht auf die Gesamtlage des VfL Wolfsburg in der Fußball-Bundesliga feststellen, dass der in der Kritik stehende Trainer nach der 0:1-Niederlage seiner Mannschaft am Samstag bei Union Berlin zu Recht den einen oder anderen Punkt in seinen Ausführungen machte.

„Wir waren über 90 Fußballminuten die klar bessere Mannschaft. Wir haben das Ding dominiert im Auswärtsspiel an der Alten Försterei, das ist nicht immer selbstverständlich“, sagte der Coach zum Auftritt seiner Spieler, die allerdings mit einigen unglücklichen Begleitumständen zurechtkommen mussten. Da war zum einen die lange Unterbrechung während der ersten Hälfte wegen der Fan-Proteste, die fast zum Abbruch der Partie geführt hätten. Immer wieder flogen aus Widerstand gegen die Investoren-Pläne der Deutschen Fußball-Liga Tennisbälle aus den Fankurven auf den Platz.

VfL Wolfsburg wird „doppelt bestraft“

Dazu gab es noch einige Verletzungspausen, von denen sich vor allem eine negativ für den VfL auswirkte. Innenverteidiger Moritz Jenz brach sich die Nase bei einer Rettungstat im eigenen Strafraum gegen Unions Andras Schäfer. Er durfte dann aber bei der anschließenden Ecke, die es statt eines Fouls gegen den Berliner gab, nicht auf den Platz, weil er blutete. Wolfsburgs Sport-Geschäftsführer Marcel Schäfer sprach daher von einer „doppelten Bestrafung“ für sein Team, das bei genau dieser Ecke durch einen Kopfball von Danilho Doekhi (45.+21.) in Rückstand geriet.

Bei dieser Rettungstag gegen Andras Schäfer (links) verletzte sich Moritz Jenz.
Bei dieser Rettungstag gegen Andras Schäfer (links) verletzte sich Moritz Jenz. © regios24 | Darius Simka

Es ist also nicht ganz falsch, wenn Kovac sagt: „Die Art und Weise, wie die Mannschaft Fußball gespielt hat, war 1a. Leidenschaft, Intensität, Laufbereitschaft, Kampf - das war sehr gut.“ Doch unter dem Strich steht eine weitere Enttäuschung für die Grün-Weißen. Von den vergangenen neun Liga-Spielen konnten sie nur eines gewinnen. Es ist daher keine sonderlich große Überraschung, dass einige VfL-Fans nach dem Schlusspfiff in Berlin „Kovac raus“, skandierten. Es waren nur einzelne Rufe, aber sie zeigen, dass der Coach immer mehr unter Druck gerät. Er habe das nicht mitbekommen, so Kovac. „Wir arbeiten mit der Mannschaft gut zusammen. Alles andere, was jemand sagt oder schreibt, kann ich nicht beeinflussen“, sagte er.

Schäfer bekennt sich zur aktuellen Konstellation

Und er darf zunächst auch weiter mit der Wolfsburger Mannschaft daran arbeiten, die Wende einzuleiten. Trotz der Niederlage in Berlin steht Kovac nicht vor dem Aus. „Unser Bekenntnis zur aktuellen Konstellation bleibt bestehen. Die vergangenen Spiele haben gezeigt, dass die Mannschaft intakt ist und auch will“, sagte Schäfer und stärkte Kovac damit den Rücken. Dieser wird auch am nächsten Samstag im Heimspiel gegen Borussia Dortmund auf der Wolfsburger Trainerbank sitzen.

Die Geduld der VfL-Bosse ist jedoch endlich. Schäfer und Co. sehen trotz der enttäuschenden Ergebnisse in diesem Jahr, in dem die Wölfe noch auf einen Bundesliga-Sieg warten, sportlich positive Ansätze. Aber sie werden auch nicht die Augen vor der Gefahr verschließen, dass die Talfahrt der Grün-Weißen in der Tabelle angesichts der schwierigen Aufgaben in den nächsten Wochen weitergehen kann. „Wenn wir nur das Union-Spiel isoliert betrachten, dann lässt sich festhalten, dass wir die dominierende Mannschaft waren und klar mehr Torchancen besaßen. Insgesamt war es eine Niederlage mit sehr unglücklichen Umständen. Aber wir dürfen die Situation auch nicht verkennen, sondern müssen Ergebnisse liefern. Und das ist uns leider nicht gelungen“, analysiert Schäfer die Lage.

Kovac muss mit seinem Team punkten

Damit ist der Auftrag für Kovac klar. Er braucht mit seinem Team bald wieder einen Sieg, egal wie der Gegner heißt. Nach Dortmund geht es zu Frankfurt, bevor in der VW-Arena der VfB Stuttgart wartet. Und dann folgt ein Spiel bei Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen. Es geht sicherlich einfacher. Doch der Trainer strahlte trotz der Niederlage in Berlin Zuversicht aus. „Die Mannschaft funktioniert, die Mannschaft ist fleißig“, sagte Kovac. Immerhin gab sich seine Elf auch nach dem unglücklichen Rückstand nicht auf, hatte vor allem durch Jonas Wind die Chance zum Ausgleich. Bereits in der zerfahrenen ersten Hälfte hatten die Wolfsburger die besseren Möglichkeiten und waren das aktivere Team.

Bleiben die positiven Ergebnisse aber weiterhin aus, dürfte es für Kovac eng werden. Er ist daher bestimmt froh, über jeden Spieler, der ihm bald wieder zur Verfügung steht. In Berlin fehlte Stammtorwart Koen Casteels. Er wurde von Pavao Pervan zwischen den Pfosten vertreten. Die Langzeitverletzten Patrick Wimmer und Lukas Nmecha könnten bald wieder ein Thema für den Kader sein. Und auch in Sachen Jenz gibt es zumindest ein bisschen Anlass zur Hoffnung, was die nächsten Spiele angeht. „Wir müssen die weiteren Untersuchungen abwarten“, will Schäfer zwar nicht zu zuversichtlich klingen. Aber beim VfL geht man aktuell davon aus, dass der Innenverteidiger trotz gebrochener Nase und Cut eine Option für das Heimspiel gegen Dortmund ist. Er würde dann wahrscheinlich mit einer Gesichtsmaske spielen.

Es bleibt aus VfL-Sicht zu hoffen, dass er Recht behält. Denn die Wolfsburger brauchen jeden Mann, um die Trendwende zu schaffen. Sonst dürften die „Kovac raus“-Rufe lauter werden.