Landkreis Göttingen. Seit Jahren steigen die angezeigten Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche kontinuierlich an. Die weiteren Zahlen.

24.286 Straftaten im vergangenen Jahr: Das ist die Bilanz der polizeilichen Kriminalstatistik der Polizeiinspektion Göttingen, die Kriminaldirektor Oliver Tschirner als Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der PI am Freitag in einer offiziellen Pressemitteilung vorgestellt hat.

Insgesamt bedeuten diese Zahlen einen Anstieg um 2.832 Straftaten (ein Plus von 13,17 Prozent) gegenüber den 21.454 Delikten des Jahres 2022. Die Kriminalitätshäufigkeit, gemessen an Taten pro 100.000 Einwohner, ist auf 7.467 gestiegen (2022: 6.674).

Der Zuwachs sei laut PI vor allem auf eine Zunahme bei Delikten des einfachen und schweren Diebstahls sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Vergehen gegen die persönliche Freiheit sowie Gewalt gegen Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei zurückzuführen. „Ebenso trägt der fortgesetzte Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt zu dieser Entwicklung bei“, heißt es in dem Schreiben.

PI Göttingen: Aufklärungsquote liegt unter Landesdurchschnitt

Die Aufklärungsquote der PI Göttingen lag bei 58,84 Prozent - und damit unter dem landesweiten Durchschnitt von 62,51 Prozent. Der PI-Vorjahreswert von 61,75 Prozent konnte nicht aufrechterhalten werden. „Der Anstieg der Straftatenzahl und die daraus resultierende Verringerung der Aufklärungsquote hängen teilweise mit den deutlichen Zuwächsen bei den Delikten im Bereich des Fahrraddiebstahls sowie auf die herausfordernden Ermittlungsbedingungen in diesem Sektor zusammen“, sagt Oliver Tschirner.

Häusliche Gewalt im Bereich der PI Göttingen nimmt zu

Im Bereich der PI Göttingen sei eine kontinuierliche Zunahme der Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt zu verzeichnen. 2023 wurden insgesamt 1.282 Vorfälle in diesem Deliktsfeld bearbeitet, verglichen mit 1.215 im Vorjahr. Diese Zunahme sei zum einen auf die 2021 erweiterte Definition von häuslicher Gewalt zurückzuführen, jedoch auch auf die Tatsache, dass die Möglichkeit der Onlineanzeigen genutzt werden kann, wenn die Betroffenen nicht die Möglichkeiten haben, persönlich Anzeige zu erstatten.

Im Rahmen der erweiterten Definition „Häusliche Gewalt“ fallen unter diesen Begriff nicht nur Gewalttaten zwischen Partnern (780 Delikte, im Vorjahr 695), sondern auch innerfamiliäre Gewalt (347 Delikte, im Vorjahr 349) sowie Delikte ohne direkte Opfer (176 Delikte, im Vorjahr 188), wie etwa Diebstähle innerhalb der Familie. „Frauen sind weiterhin als Opfer überrepräsentiert. Dies spiegelt wahrscheinlich auch die noch vorherrschende Scham bei der Anzeigenerstattung von männlichen Opfern wieder“, so Tschirner.

Häusliche Gewalt: Ein Hochrisikofall im Landkreis Göttingen

In der PI Göttingen wurde im Jahr 2023 ein Delikt als Hochrisikofall eingestuft. Ein solcher liegt vor, wenn etwa Frauen und ihre Kinder sich subjektiv einer schweren oder sogar tödlichen Gefahr durch ihren (Ex-)Partner ausgesetzt sehen und wenn konkrete Hinweise auf diese Bedrohung bei den zuständigen Behörden und Institutionen vorliegen, die auf wiederholte schwere Bedrohungen hindeuten.

Die Entwicklung der Straftaten im Kontext Häuslicher Gewalt steht nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie und ihren Einschränkungen im besonderen Fokus der Polizei. Der Schutz der Opfer hat für die polizeiliche Bearbeitung oberste Priorität.
Tanja Wulff-Bruhn - Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Göttingen

Dazu Tanja Wulff-Bruhn, Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Göttingen: „Die Entwicklung der Straftaten im Kontext Häuslicher Gewalt steht nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie und ihren Einschränkungen im besonderen Fokus der Polizei. Der Schutz der Opfer hat für die polizeiliche Bearbeitung oberste Priorität. Dieser Stellenwert kommt auch in der landesweiten Handreichung zu diesem Thema zum Ausdruck. Wir haben nun ein einheitliches Hochrisikomanagement und die Verfahrensweisen sind niedersachsenweit standardisiert. Unser Netzwerk aus vielen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren aus Polizei, Kommunen und Opferhilfe soll außerdem in Zukunft dazu beitragen, dass wir möglichst früh tätig werden und Hilfe anbieten und im besten Fall Straftaten verhindern können.“

Sieben Tötungsdelikte im Jahr 2023 im Landkreis Göttingen

Im Laufe des Jahres 2023 registrierte die Polizei insgesamt sieben Tötungsdelikte, inklusive drei versuchter Taten, was der Anzahl des Vorjahres entspricht. Tschirner: „Die Einrichtung einer Mordkommission war in einem Fall unumgänglich, da sich der Hauptverdächtige seiner Festnahme entzogen hat und vermutlich ins benachbarte Ausland geflohen ist. Ein entsprechender Haftbefehl ist ausgestellt.“

Insgesamt konnten die Ermittlungsteams alle Fälle lückenlos aufklären. Es wurde ein Verfahren wegen vollendeten Totschlags eingeleitet, während in drei Fällen wegen versuchten Totschlags ermittelt wurde. Bei den restlichen drei Vorfällen ging es um fahrlässige Tötung im Zusammenhang mit Aufenthalten in einer Klinik. Die polizeilichen Ermittlungen zu allen Taten sind abgeschlossen.

Stichwort „Messerangriffe“ im Landkreis Göttingen

Trotz des grundsätzlichen Rückgangs von Messerangriffen in der PI Göttingen (von 106 im Jahre 2022 auf 97 im Jahr 2023) sind in drei der oben genannten sieben verzeichneten Tötungsdelikte Messer zum Einsatz gekommen. Polizeipräsidentin Tanja Wulff-Bruhn: „Das Phänomen Messerangriff scheint weiter an Bedeutung zu gewinnen. Messer jedweder Art sind in jedem Haushalt verfügbar oder in aller Regel erlaubnisfrei zu erwerben. Das erklärt, warum diese Gegenstände mitgeführt und im Zweifel auch gegen Menschen gerichtet werden. Ein derartiges Verhalten ist selbstverständlich hochgradig verwerflich und strafbar und wirkt sich zudem auf das Sicherheitsgefühl der Menschen an öffentlichen Orten aus - das darf nicht sein. In diesem Kontext ist die Prüfung und Einrichtung von Waffenverbotszonen an besonders in den Fokus gerückten Orten zu befürworten. In der Polizeidirektion Göttingen wird dies bereits geprüft.“

Stichwort „Ermittlungen im digitalen Raum“ im Bereich der Polizeiinspektion Göttingen

Ermittlungen im „digitalen Raum“ gewinnen auch im Zusammenhang mit Tötungsdelikten immer mehr an Bedeutung. Im Falle der vorsätzlichen Tötung eines Mannes im Zuge von Streitigkeiten unter Lkw-Fahrern konnte die Tat mit Hilfe des IT-Einsatzes zu einem schnellen Abschluss gebracht werden.

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

Im Jahr 2023 verzeichnete die PI Göttingen 226 Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, ein Anstieg gegenüber den 184 Fällen des Vorjahres. In den letzten fünf Jahren wurde bereits ein kontinuierlicher Anstieg in diesem Bereich festgestellt: Während im Jahr 2018 noch 38 Straftaten gemeldet wurden, stieg die Zahl im Jahr 2019 auf 59 und erreichte im Jahr 2020 bereits 118 Fälle. Als Ursache für diese Entwicklung wird weiterhin eine Zunahme der Anzeigebereitschaft und der Hinweise, auch auf internationaler Ebene, gesehen. Insbesondere werden weiterhin Verdachtsfälle von Kinderpornografie von der US-amerikanischen Organisation NCMEC (National Centre for Missing and Exploited Children) an das deutsche Bundeskriminalamt und folgend an das Landeskriminalamt Niedersachsen weitergeleitet. Von dort erfolgt letztlich, nach Einbindung der sachleitenden Staatsanwaltschaft Hannover, die Verteilung in die Polizeidirektionen und Inspektionen.

„Die Bekämpfung gerade dieses Phänomenbereiches stellt die Polizei auch weiterhin vor sehr große Herausforderungen. Der priorisierte Personaleinsatz und der Rückgriff auf alle verfügbaren Ressourcen ist jedoch aufgrund der Abscheulichkeit der Tatbestände alternativlos“, führt Tschirner hierzu aus.

Junge Menschen teilen im privaten Umfeld immer häufiger pornografisches Material auf Social Media-Plattformen oder über Messengerdienste, aber nicht aus einer sexuellen Neigung heraus und oftmals nicht in dem Wissen, dass sie sich dadurch strafbar machen. Hier muss unsere Prävention ansetzen
Tanja Wulff-Bruhn - Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Göttingen

Tanja Wulff-Bruhn: „Besondere Sorge bereitet mir der weiterhin anhaltende massive Anstieg der Delikte im Kontext der Kinder- und Jugendpornografie. Viele dieser Fälle gehen auf das National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) in den USA zurück, die Straftaten auf nordamerikanischen Servern aufdecken und an die deutschen Ermittlungsbehörden, und damit auch an die Polizeidirektion Göttingen, weitergeben. Das Internet bleibt damit das beherrschende Medium zur Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie. Mit dieser Entwicklung gehen für die Polizei ein deutlich höherer Ermittlungsaufwand und so auch ein steigender Einsatz personeller und technischer Ressourcen einher. Für die ermittelnden Kolleginnen und Kollegen bedeutet dies eine starke psychische Belastung.“ Sie erklärt aber auch: „Über die Fälle des US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) hinaus, spielt auch die Verbreitung pornografischer Inhalte im Privaten in die Statistik mit ein. Junge Menschen teilen im privaten Umfeld immer häufiger pornografisches Material auf Social Media-Plattformen oder über Messengerdienste, aber nicht aus einer sexuellen Neigung heraus und oftmals nicht in dem Wissen, dass sie sich dadurch strafbar machen. Hier muss unsere Prävention ansetzen - Kinder, Jugendliche und Heranwachsende müssen wissen, welche Konsequenzen ihr Handeln haben kann.“

Zahl der Wohnungseinbrüche im Kreis Göttingen hat sich kaum verändert

Im Jahr 2023 blieb die Zahl der Wohnungseinbrüche in der PI Göttingen mit 214 Fällen auf einem Niveau, das sich im Vergleich zu den Vorjahren nahezu kaum verändert hat. Seit dem Beginn der Pandemie im Jahr 2020 (314 Fälle) ist folgend eine Stabilisierung der Fallzahlen zu beobachten (2021: 221 Fälle, 2022: 209 Fälle).

Kriminaldirektor Oliver Tschirner, Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion (PI) Göttingen, stellt die Kriminalstatistik 2023 der PI Göttingen vor.
Kriminaldirektor Oliver Tschirner, Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion (PI) Göttingen, stellt die Kriminalstatistik 2023 der PI Göttingen vor. © Mark Haertl | Mark Haertl

Kriminaldirektor Tschirner erläutert mögliche Gründe für diese Entwicklung: „Die fortgesetzte Praxis des Homeoffice führt dazu, dass Wohnungen seltener unbeaufsichtigt sind. Zudem könnten verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, polizei-präventive Aktionen sowie die Verdrängung krimineller Klientel aus bestimmten Gebieten zu dieser Konstanz beitragen.“

Göttingen: Deutlich mehr Fahrraddiebstähle - vor allem von E-Bikes

In der PI Göttingen hält der deutliche Anstieg bei Fahrraddiebstählen auf 2.599 Taten an. Mit einem Zuwachs von 774 Delikten (42 Prozent) im Jahr 2023 im Vergleich zu den 1.825 Fällen im Vorjahr ist hier eine erhebliche Zunahme zu verzeichnen. Besonders betroffen sind Eigentümer von E-Bikes. Der finanzielle Schaden hat sich im Jahr 2023 auf über 3,8 Millionen Euro erhöht, gegenüber 2,1 Millionen Euro im Jahr 2022.

Rauschgiftkriminalität

Grundsätzlich kann, zusammengefasst in allen Bereichen der Drogenkriminalität, nach einem Rückgang der Delikte von 1.760 Fällen im Jahr 2021 auf 1.545 im darauffolgenden Jahr ein erneuter, leichter Anstieg auf 1.594 Vorfälle im Jahr 2023 beobachtet werden. Dieser Trend lässt sich durch intensivierte Überwachungs- und Kontrollaktionen im Zusammenhang mit der sogenannten „Holkriminalität“ nachvollziehen. Die Quote der aufgeklärten Fälle bleibt mit über 91 Prozent weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Nach einem Höchststand der Verstöße im ausschließlichen Zusammenhang mit Cannabisprodukten im Jahre 2021 von 1.051 Delikten, verzeichnet die PI Göttingen entgegen dem Trend nunmehr einen Rückgang auf 970 Taten im Jahr 2023.

„Angesichts der aktuellen politischen Diskussionen über eine Legalisierung im Bereich der Betäubungsmittel, insbesondere was den Besitz von Cannabisprodukten angeht, steht die Bekämpfung dieser Delikte im Jahr 2024, mit Stand heute, vor bedeutenden Veränderungen. Die konkreten Auswirkungen auf die zukünftige Arbeit der Polizei sind momentan Gegenstand von lediglich Vermutungen. Eine zeitnahe politische Erklärung und damit einhergehende Rechtssicherheit ist zur weiteren Verfahrensweise, gerade mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz, unabdingbar“, sagt Tschirner.

Dazu Behördenleiterin Tanja Wulff-Bruhn: „Während die Drogendelikte insgesamt leicht rückläufig waren, sind insbesondere die Fallzahlen im Bereich Besitz und Erwerb von Cannabis leicht angestiegen. Damit müssen wir auch in unserem Zuständigkeitsbereich von einem großen Markt und einer hohen Verfügbarkeit der Droge für alle Altersstufen ausgehen. Ungeachtet dieser Entwicklung teilen wir als Polizei die Ansicht, dass das derzeit in Rede stehende Gesetz zur Legalisierung von Cannabisnicht praxistauglich ist und unsere Beamtinnen und Beamte mit der Umsetzung erhebliche Probleme haben werden. Daneben betonen wir ausdrücklich, dass Cannabis eine für Kinder und Jugendlichegefährliche Droge ist, die nicht unterschätzt oder verharmlost werden darf. Dem Jugendschutz muss daher eine besondere Bedeutung beigemessen werden - und das sehen wir bei dem aktuellen Gesetzesvorhaben nicht.“

Sprengung von Geldautomaten

Im Bundesgebiet und auch in der PI Göttingen kommt es weiterhin zu nächtlichen Sprengungen von Geldautomaten. Die Kriminellen, die diese Taten begehen, haben es auf große Geldsummen abgesehen, die oft im sechsstelligen Bereich angesiedelt sind. In Göttingen wurde im vergangenen Jahr eine Sprengung registriert, im Gegensatz zu zwei Taten im Jahr 2022. Weitere Versuche blieben in 2023 aus.

Straftaten zum Nachteil älterer Menschen

Senioren werden aufgrund verschiedener Umstände immer häufiger zur Zielscheibe gewiefter Betrüger. Im Verlauf des Jahres 2023 wurden in diesem Sektor insgesamt 116 vollendete Taten und 1.019 Betrugsversuche (im Vergleich zu 112/1.315 im Jahr 2022) von der PI Göttingen erfasst. Somit scheiterten im vergangenen Jahr 90 Prozent der Fälle bereits im Anfangsstadium (2022 waren es 92 Prozent). Der Gesamtschaden, der durch diese Delikte in Stadt und Landkreis Göttingen verursacht wurde, beläuft sich auf etwa 1.276.000 Euro, was eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den 702.360 Euro des Vorjahres darstellt.

Anstieg der Gewalt gegen Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei

Im Jahr 2023 wurden im Bereich der Gewalt gegen Polizeikräfte 180 Vorfälle registriert, ein leichter Anstieg gegenüber den 173 Fällen des Vorjahres. Bei diesen Übergriffen wurden insgesamt 456 Polizistinnen und Polizisten zu Opfern. Zu den erfassten Gewalttaten zählen neben Bedrohungen und Körperverletzungen auch Widerstandshandlungen und tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte. Zudem gab es 15 Angriffe auf Rettungsdienstpersonal, wobei vier Feuerwehrangehörige und 23 Rettungsdienstmitarbeiter betroffen waren - eine erneute Zunahme im Vergleich zu den 14 Angriffen im Jahr 2022.

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Polizeipräsidentin Wulff-Bruhn: „Die Entwicklung von Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte gibt weiterhin Anlass zur Besorgnis, weil mit diesen Angriffen Menschen verletzt werden, deren Aufgabe darin besteht, die Bürgerinnen und Bürger in teilweise extremsten Notlagen zu helfen und das häufig unter Einsatz der eigenen Gesundheit. Allein im vergangenen Jahr wurden in der Polizeidirektion Göttingen 72 Kolleginnen und Kollegen verletzt, 19 davon so schwer, dass sie an 209 Tagen ihren Dienst für die Bürgerinnen und Bürger nicht versehen konnten. Darüber hinaus wurden in 41 Fällen Sanitäter und Feuerwehrleute Opfer von Angriffen. Wir werden weiterhin alles daransetzen, unsere Kolleginnen und Kollegen vor derartigen Übergriffen zu schützen. Dieses sozialschädliche Verhalten ist völlig inakzeptabel und muss auch zukünftig gesamtgesellschaftlich verurteilt und strafrechtlich konsequent verfolgt werden.“

Mehr Gewaltdelikte im Landkreis Göttingen verzeichnet

2023 wurden in der PI Göttingen 794 (2022: 778) Gewaltdelikte verzeichnet. „Gewaltkriminalität“ umfasst etwa die Deliktsbereiche Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschließlich mit Todesfolge, Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, Gefährliche und schwere Körperverletzung. Darunter fallen somit neben den bereits dargestellten vorsätzlichen Tötungsdelikten, unter anderem 725 gefährliche und schwere Körperverletzungen (2022: 717), 44 Vergewaltigungen (2022: 54) und 169 Raubdelikte (2022: 148).

Tanja Wulff-Bruhn, Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Göttingen.
Tanja Wulff-Bruhn, Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Göttingen. © HK | Kathrin Franke

Bei den Gewaltdelikten handelt es sich mit 66 Prozent der Tatverdächtigen um ein männlich dominiertes Phänomen. Rund 60 Prozent der Beschuldigten sind über 21 Jahre alt.

Kinder- und Jugendkriminalität

Im Jahr 2023 ist die Gesamtzahl der bekannt gewordenen Straftaten auf 1.393 Fälle angestiegen, was einem Zuwachs von 9,9 Prozent gegenüber den 1.267 Fällen im Jahr 2022 entspricht. Bei den tatverdächtigen Kindern konnte eine leichte positive Entwicklung von -1,3 Prozent verzeichnet werden, mit einem Rückgang von 291 Fällen im Jahr 2022 auf 287 Fälle im Jahr 2023. Bei den Jugendlichen hingegen setzt sich der Anstieg der Tatverdächtigenzahlen, wenn auch in abgeschwächter Form, mit einem Zuwachs von 13 Prozent (2023: 1.106, 2022: 976, 2021: 777) weiter fort. Die Zahlen der Diebstahlsdelikte bei Jugendlichen ist angestiegen (2023: 318 Taten, 2022: 273, 2021: 163). Indes zeigt sich ein Rückgang der einfachen Diebstähle bei den tatverdächtigen Kindern (2023: 97, 2022: 158, 2021:77).

Die registrierten Zahlen der Rohheitsdelikte (Kinder: 2023: 83; 2022: 81 / Jugendliche: 2023: 223; 2022: 247), die alle Raub, Körperverletzungsdelikte sowie Bedrohung, Nötigung etc. umfassen, stagnieren auf dem Vorjahresniveau beziehungsweise lassen im Bereich der Jugendlichen sogar einen Abwärtstrend erkennen.

Dass es immer wieder zu äußerst gewalttätigen Auseinandersetzungen unter Kindern und Jugendlichen kommt, muss weiterhin ein alarmierendes Warnsignal sein. Hier kann die Polizei jedoch nicht den Erziehungsauftrag des Elternhauses kompensieren, um Konfliktlösungsmöglichkeiten außerhalb einer Gewaltspirale anzubieten.
Oliver Tschirner - Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion Göttingen

„Dennoch können uns diese Zahlen nicht in Gänze erfreulich stimmen“, so Tschirner. „Dass es immer wieder zu äußerst gewalttätigen Auseinandersetzungen unter Kindern und Jugendlichen kommt, muss weiterhin ein alarmierendes Warnsignal sein. Hier kann die Polizei jedoch nicht den Erziehungsauftrag des Elternhauses kompensieren, um Konfliktlösungsmöglichkeiten außerhalb einer Gewaltspirale anzubieten. Hier ist bereits im frühkindlichen Alter, auch unter Zuhilfenahme aller Präventionsangebote, auf eine entsprechende Sozialisierung hinzuarbeiten.“

Polizeipräsidentin Tanja Wulff-Bruhn: „Der Trend einer sinkenden Hemmschwelle und einer höheren Gewaltbereitschaft ist erschreckenderweise schon bei den Kleinsten in unserer Gesellschaft zu erkennen. Ein Unterschied zwischen urbanen und ländlichen Regionen in unserem Zuständigkeitsbereich lässt sich nicht feststellen - beide sind gleichermaßen von diesem Phänomen betroffen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Generell stellen wir fest, dass jungen Menschen zunehmend die Fähigkeit abhandenkommt, Problemlösungsstrategien anzuwenden und sie stattdessen vermehrt auf die Anwendung von Gewalt setzen - und das über die typischen Grenzüberschreitungen von Heranwachsenden hinaus.“

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