Wolfsburg. Der Verkauf seiner Anteile könnte rasch über die Bühne gehen.

Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass sich Ferdinand Piëch von einem Großteil seiner Stammaktien an der Porsche-Holding SE (PSE) trennen will. Der Verkauf könnte nun binnen weniger Wochen vollzogen werden. Das berichtete gestern die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider. Vom Unternehmen selbst hieß es: „Ein Fahrplan ist uns nicht bekannt.“

Fest steht dagegen: Das Vorkaufsrecht liegt bei den Familien Porsche und Piëch, und die sind gewillt, den Aktienanteil ihres unbequemen Verwandten zu übernehmen. Die PSE bestätigte entsprechende Verhandlungen.

Für den Kauf des Aktienpaktes von Ferdinand Piëch müssen die Familien gut eine Milliarde Euro bezahlen. Der Preis leitet sich ab vom aktuellen Kurs der PSE-Vorzugsaktien, nur sie werden an der Börse gehandelt. Derzeit kosten sie knapp 51 Euro.

Alle PSE-Stammaktien und damit alle Stimmrechte gehören den Familien Porsche und Piëch beziehungsweise Gesellschaften und Stiftungen, die von den Familien kontrolliert werden. Die PSE ist der entscheidende Aktionär des Volkswagen-Konzerns. Sie hält 52,2 Prozent der stimmberechtigten VW-Stammaktien. Somit haben die Familien über die PSE beim Wolfsburger Autobauer das Sagen.

Nach Informationen unserer Zeitung hält Ferdinand Piëch rund 15 Prozent der PSE-Stammaktien – davon 14,7 Prozent direkt sowie einige Zehntelprozent über die Beteiligungsgesellschaft Porsche GmbH. Der Gesellschaft, an der beide Familien beteiligt sind, gehören nach unbestätigten Informationen 14,6 Prozent der PSE-Stammaktien.

Wie viele PSE-Stammaktien die einzelnen Familienmitglieder halten, ist kein Zufall oder die Folge geschickten kaufmännischen Agierens. Die Verteilung der Beteiligungen leitet sich vielmehr ab aus der Historie des Autobauers Porsche. Die beiden Kinder des Unternehmensgründers Ferdinand Porsche, Ferry Porsche und Louise Piëch (geborene Porsche), hatten ihrerseits vier Kinder – unter ihnen Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche. Jedes erhielt 12,5 Prozent der Porsche-Unternehmensanteile. Durch familiäre Verschiebungen veränderten sich im Lauf der Jahre auch die Beteiligungsverhältnisse.

Nennenswerte Beteiligungen an Volkswagen haben die Familienmitglieder nie besessen. Sie bestehen nur über die PSE – mit einer Ausnahme: Über die Salzach-Stiftung halten die Familien 2,37 Prozent an VW.

Der PSE-Vorgänger Porsche AG begann 2005 unter der Leitung des damaligen Vorstandschefs Wendelin Wiedeking und mit Zustimmung der Familien, VW-Stammaktien zu erwerben. Das Unternehmen übernahm zunächst 20 Prozent von VW, bis Anfang 2009 wurde die Beteiligung schrittweise auf mehr als 50 Prozent ausgebaut – zum Preis einer hohen Überschuldung, die Wiedeking zum Rücktritt zwang. Das war der Höhepunkt des Übernahmekampfs zwischen Porsche und VW, den die Wolfsburger schließlich für sich entschieden.

Schon 2007 gründete Wiedeking die PSE, unter deren Dach der Sportwagenbauer Porsche firmierte und die VW-Beteiligung hielt. Nach der gescheiterten Komplettübernahme von VW zwei Jahre später wurde der Autobauer Porsche AG eine Marke des VW-Konzerns. Die PSE blieb als Beteiligungsgesellschaft bestehen und ist bis heute zentraler VW-Aktionär.

Auch wenn die Familien über ihre Beteiligungen grundsätzlich gleichrangig sind – der Auto-Denker, Macher, und Kopf war stets Ferdinand Piëch. Er lenkte den VW-Konzern als Vorstandschef und als Aufsichtsratsvorsitzender. Er hatte den Konzern im Griff. Vor zwei Jahren kam es jedoch zum Bruch. Piëch, damals Chef des VW-Aufsichtsrats, distanzierte sich von seinem einstigen Zögling und Wegbegleiter Martin Winterkorn, damals VW-Vorstandsvorsitzender. Den anschließenden Machtkampf mit Winterkorn verlor Piëch – auch, weil der VW-Betriebsrat und das Land Niedersachsen Winterkorn den Rücken stärkten. Piëch musste sich aus dem Aufsichtsrat zurückziehen und ist seitdem öffentlich kaum in Erscheinung getreten.

Im Zusammenhang mit dem VW-Abgas-Betrug soll er die Mitglieder des im Frühjahr 2015 amtierenden VW-Aufsichtsratspräsidiums belastet haben. So hätten sie schon damals von den Verfehlungen des Autobauers gewusst und nicht erst im September 2015, als der Betrug öffentlich wurde. Die Präsidiumsmitglieder – unter ihnen Betriebsratschef Bernd Osterloh, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wolfgang Porsche – wiesen diese Darstellung umgehend zurück.

Vor gut einer Woche berichteten Medien, dass die Familien Porsche und Piëch bestrebt seien, Piëch aus dem Aufsichtsrat der PSE zu drängen. Gut möglich also, dass Piëch diesem Schritt nun zuvorkommen will und deshalb den Verkauf seiner Anteile anstrebt. Drei Fragen bleiben: Wird sich Piëch mit einer Milliarde Euro für seinen Anteil zufrieden geben oder folgen harte Verhandlungen? Wie wird er dieses Geld in Zukunft einsetzen? Ist Piëchs Schritt womöglich Vorbild für den Ausstieg weiterer Familienmitglieder?