Berlin. NFT heißt das aktuelle Trendthema aus dem Kryptobereich. Ob Melania Trump oder Adidas: Sie alle handeln mit den digitalen Unikaten.

"Frohe Weihnachten" war der Inhalt der ersten SMS, die ein Programmierer am 2. Dezember 1992 zu Testzwecken verschickte. Sein damaliger Arbeitgeber Vodafone hat diese Nachricht bei einer Auktion am Dienstag versteigert. Der Käufer zahlte für eine Kopie des ursprünglichen Kommunikationsprotokolls 107.000 Euro. Dazu bekam er neben einem digitalen Bilderrahmen mit einer Animation der Nachricht auch ein sogenanntes NFT dieser SMS. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das neue Geschäft mit digitaler Kunst.

NFT: Digitale Originale erzeugen

Die Technologie hat sich im Umfeld der Kryptowährungen entwickelt. Kurz gesagt ist ein NFT (Non-fungible Token) ein digitales Echtheitszertifikat, das einem Objekt einen Besitzer zuordnet. Diese Information wird auf einer dezentralen Datenbank gespeichert, die für alle einsehbar ist – einer sogenannten Blockchain.

Wie bei einem Kassenbuch lässt sich aus ihr ablesen, wer ein NFT erstellt hat, an wen es verkauft und zu welchem Preis diese Besitzurkunde gehandelt wurde. Wegen dieser klaren Zuordnung wird ein NFT als einzigartig oder „nicht austauschbar“ (engl.: non-fungible) bezeichnet.

Damit unterscheidet es sich von Kryptowährungen wie dem Bitcoin. Jeder Bitcoin oder Token kann durch einen anderen ersetzt werden. So wie es auch keinen Unterschied macht, mit welcher Euromünze man einen Kaffee bezahlt. Ein NFT wäre in der Analogie ein einzigartiges Geldstück, eine Sonderprägung. So eine Münze ist nicht austauschbar und übersteigt möglicherweise ihren ursprünglichen Wert.

Gelangweilte Affen und Sammelkarten von Sportlern

NFTs ermöglichen es daher zum ersten Mal, digital handelbare Originale zu erzeugen. Auf diesem neuen Markt sind besonders Sammlungen mit unterschiedlichen Motiven begehrt. Unter den Namen Bored Ape Yacht Club verkauft ein Künstlerkollektiv beispielsweise zehntausend automatisch erzeugte Bilder von Affen. Jedes davon ist einzigartig. Einige Affen tragen eine Sonnenbrille, andere ziehen eine Grimasse.

Durch die künstlich erzeugte Exklusivität sind diese NFTs zu Statussymbolen geworden, die ab 150.000 Euro aufwärts verkauft werden. Der Sportartikelhersteller Adidas besitzt unter anderem einen dieser Affen. Die Kunst wird auf speziellen Plattformen wie OpenSea angeboten. Auch Sammelkarten von Sportlern sind begehrt. Nutzer des Spiels Sorare können etwa Karten von Fußballspielern kaufen, handeln und gegeneinander antreten lassen. Immer mehr Vereine lizenzieren ihre Mannschaften dafür, seit November ist zum Beispiel der FC Bayern München dabei.

Eine Spielerkarte klebt man sich dann nicht mehr in ein Panini-Stickeralbum, sondern hat sie als NFT. Selbst Melania Trump, die Frau des ehemaligen US-Präsidenten, mischt mit einer Aquarellzeichnung ihrer Augen auf dem NFT-Markt mit.

Das französische Auktionshaus Aguttes hat am 21. Dezember 2021 eine Kopie der erste SMS der Welt als NFT versteigert. Die originale Nachricht wurde am 3. Dezember 1992 von einem britischen Informatiker verschickt.
Das französische Auktionshaus Aguttes hat am 21. Dezember 2021 eine Kopie der erste SMS der Welt als NFT versteigert. Die originale Nachricht wurde am 3. Dezember 1992 von einem britischen Informatiker verschickt. © EPA-EFE | Christophe Petit Tesson

NFT: Technikaffine Nutzer

Besonders Personen aus dem Umfeld der Kryptowährungen beschäftigen sich enthusiastisch mit dieser Technologie. Bei einem Treffen der losen Gruppe NFT Club Berlin kann man einigen von ihnen begegnen. In einer Berliner Bar diskutieren die Anwesenden, vornehmlich Männer, über diesen neuen Markt.

Die im Schnitt 30- bis 35-Jährigen haben häufig einen technischen Hintergrund, sind teilweise im Start-up-Bereich unterwegs und investieren schon länger in Kryptowährungen. NFTs haben aber noch die wenigsten gekauft, denn selbst bei kleineren Käufen können hohe Transaktionskosten fällig werden.

Christian ist mit 53 Jahren einer der ältesten Teilnehmer an diesem Abend. Er hat einige Kunstwerke gekauft, die bis auf eines mittlerweile alle an Wert verloren haben. „Die Erfolgschancen abzusehen, ist fast unmöglich“, sagt er. Leute würden unter anderem NFTs kaufen, um zeigen zu können, dass sie Geschmack hätten oder es sich leisten könnten. Das Gefühl, Teil einer exklusiven Gemeinschaft zu sein, sei ein Anreiz, einzusteigen.

Wachsender Markt

Künstler könnten von der Technologie aufgrund der Smart Contracts (deutsch: intelligente Verträge) profitieren. Sie sind die Anwendungen auf der Blockchain, durch die NFTs gehandelt werden können. Sie schreiben fest, wem ein Zertifikat gehört und unter welchen Bedingungen jemand anderes es kaufen kann. Ein Künstler kann darin auch festlegen, dass er jedes Mal einen prozentualen Anteil am Gesamterlös erhält, wenn sein Werk den Besitzer wechselt.

Im dritten Quartal 2021 hatten NFTs laut der Analyseplattform Dapp­Radar ein Handelsvolumen von rund 9,45 Millionen Euro. Das ist weniger als ein Prozent des Vermögens, das in Kryptowährungen im selben Zeitraum gehandelt wurde. „Das Volumen von NFTs wächst sehr stark, ist aber im Vergleich zu den Kryptowährungen noch sehr klein,“ sagt Volker Brühl. Er ist Geschäftsführer des Frankfurter Forschungsinstituts Center for Financial Studies und beschäftigt sich mit dezentralen Finanzsystemen.

Er ist sich sicher, dass NFTs sich weiter etablieren werden. Voraussetzung dafür ist laut Brühl ein hohes Maß an rechtlicher und technologischer Sicherheit für Investoren. Es gebe zwar bereits einen hohen Sicherheitsstandard für die digitalen Werte, allerdings gebe es keinen kompletten Schutz. Ein geklauter Token sei so gut wie gar nicht zurückzubekommen, sagt der Finanzexperte.

NFTs in Videospielen und Metaversen

„Die großen Risikoinvestoren sind weniger auf Kunstwerke aus. Sie investieren vor allem in die Technologie, Plattformen und Protokolle,“ sagt Lennart Ante, der am gemeinnützigen Blockchain Research Lab die neue Technologie erforscht. Auch er erwartet eine zunehmende Verbreitung. Einen großen Markt für NFTs sieht der Forscher in Videospielen.

Spieler können sich bei sogenannten Play-to-Earn-Modellen digitale Belohnungen in Form von NFTs erspielen. Das kann zum Beispiel eine besonders gestaltete Rüstung sein. Die können sie dann über Marktplätze an andere Spieler weiterverkaufen und so mitunter Geld verdienen.

Anhänger der Technologie wollen die digitalen Gegenstände weiter in die sogenannten Metaversen tragen. Der Begriff ist populär, seitdem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sein Unternehmen in Meta umbenannt hat. Er träumt von einer virtuellen Welt, in der sich alle miteinander vernetzen und ihren Alltag gemeinsam als Avatare verbringen. Aktuell versuchen 3D-Plattformen wie The Sandbox und Decentraland, diese Vision nachzubilden.

Riskante Investition

Die Nutzer bewegen sich durch eine veränderbare Welt, in der NFT-basierte Gegenstände genutzt werden können. In einem Punkt bilden sie die Realität bereits gut ab: Die Spieler können, natürlich auf Grundlage von NFTs, Grundstücke in der virtuellen Welt kaufen und vermieten. In den letzten Monaten sind die Immobilienpreise rasant gestiegen. Mit Immobilien zu spekulieren, ist auch in der Kryptowelt möglich.

Niemand kann nachvollziehen, wie die Preise für NFTs entstehen. Erworbene Gegenstände können nicht einfach weiterverkauft werden. Sie seien immer abhängig von einer Nachfrage, erklärt Ante. Während Kryptowährungen problemlos zurück in Euro getauscht werden können, muss ein Käufer sich für das NFT interessieren. Bei bedeutsamen Sammlungen sei das meist der Fall. Bei unbekannten Werken könnten Leute aber zukünftig auf ihren Käufen sitzen bleiben, sagt Ante.

Auch Brühl rät zur Vorsicht: „Kleinanleger sollten dort nicht investieren, wenn sie mit der Technologie nicht grundlegend vertraut sind. Und wenn sie investieren, dann auch nur so viel Geld, dass ein Totalverlust sie nicht in existenzielle Nöte bringt.“ Denn keiner kann sagen, in welche Richtung sich der schnell wachsende NFT-Markt entwickelt. So hätten bei der Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre viele unerfahrene Kleinanleger hohe Verluste gemacht, sagt Brühl. Jeder muss also selbst wissen, was ihm die Pixel wert sind.