Berlin. Die Bauzinsen haben sich mehr als verdreifacht. Bei der Anschlussfinanzierung kann es teuer werden. Aber man kann Vorkehrungen treffen.

Der Traum vom Leben in den eigenen vier Wänden platzt in diesen Tagen und Wochen für immer mehr Menschen. Die Immobilienpreise steigen und steigen. Wer bauen will, ist mit hohen Materialpreisen konfrontiert, auch die gestiegenen Energiekosten legen die Firmen um.

In den vergangenen Jahren konnten sich Immobilieninteressenten immerhin damit trösten, dass die Bauzinsen niedrig waren. Doch auch damit ist Schluss. Glück hatte, wer sich im vergangenen Herbst oder Winter noch einen Zinssatz von unter einem Prozent gesichert hat. Mittlerweile liegen die Bauzinsen für zehnjährige Hypothekendarlehen bei über 3 Prozent und gehen zusätzlich ins Geld.

Das Ergebnis ist ernüchternd: „Aus unserer Sicht spricht derzeit auch alles dafür, dass die Bezahlbarkeit von Wohnimmobilien weiter zurückgehen wird“, heißt es in einer Analyse der Direktbank ING-DiBa, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Der Erschwinglichkeitsindex der Bank ist auf den tiefsten Stand seit 2011 gefallen. Trotz steigender Löhne und sinkender Arbeitslosigkeit sind also derzeit nicht mehr Menschen hierzulande in der Lage, sich eine Immobilie zu leisten, als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Viele werden sich angesichts der Situation zumindest vorläufig von der Vorstellung des mietfreien Lebens verabschieden. Wer allerdings bereits eine Immobilie abbezahlt und eine Anschlussfinanzierung vereinbaren muss, dem bleibt keine andere Wahl, als sich mit der neuen Zinssituation auseinanderzusetzen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum sind die Bauzinsen so stark gestiegen?

„Die Hypothekenbanken vergeben zur Refinanzierung ihrer Darlehen Pfandbriefe. Dazu orientieren sie sich mit einem Aufschlag an den Renditen 10-jähriger Bundesanleihen“, sagt Thomas Hentschel, Finanzexperte von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Die Rendite der zehnjährigen deutschen Staatsanleihen zieht seit Jahresbeginn kräftig an. Lag sie seit 2019 durchgängig im negativen Bereich, so kletterten sie jüngst zeitweise auf 1,8 Prozent. Nahezu im Gleichklang stiegen auch die Bauzinsen. Dass die Bauzinsen steigen und fallen, ist nicht ungewöhnlich. Die Geschwindigkeit der derzeitigen Erhöhung hat allerdings viele überrascht.

Werden die Bauzinsen weiter stark steigen?

Indirekt orientieren sich die Bauzinsen auch an den Leitzinsen – und diese wird die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli erstmals seit 2011 wieder anheben. Dies könne zu weiteren Erhöhungen der Renditen und damit auch der Kreditzinsen führen, meint Hentschel.

Viel sei allerdings bereits vorweggenommen, sagt dagegen Thomas Saar, Baufinanzierungsberater des Kreditvermittlers Dr. Klein. Zwar könnten die Zinsen weiter steigen, aber in einem moderateren Tempo. Immerhin: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir im kommenden Jahr bei einem Bauzins von 5 Prozent liegen werden“, sagt Saar. Eine Steigerung im oberen Bereich der 3-Prozent-Marke sei aber möglich.

Auch die ING DiBa geht zunächst von steigenden Bauzinsen aus, ehe im vierten Quartal der vorläufige Höhepunkt erreicht sein könnte. Im kommenden Jahr könnten die Zinsen sogar leicht sinken, heißt es in der von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski und den Ökonominnen Inga Fechner und Franziska Biehl verfassten Analyse. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass auch die Inflation zurückgeht.

Was bedeuten die steigenden Zinsen für Immobilieninteressenten?

„Mit steigenden Zinsen wird die monatliche Belastung höher, Wohnimmobilien werden für viele unerschwinglicher“, sagt ING-Immobilienfinanzierungsexperte Thomas Hein. Laut der ING habe sich im Frühjahr eine regelrechte Torschlusspanik breit gemacht.

Die Nachfrage nach Immobilienkrediten sei in den ersten drei Monaten des Jahres mit 21 Prozent im Vergleich zum Vorquartal so stark gestiegen wie noch nie. Und das, obwohl die Immobilienpreise trotz Corona-Pandemie so stark gestiegen sind wie noch nie. Im vierten Quartal 2021 kosteten Wohnimmobilien in Deutschland 12,2 Prozent mehr als noch im selben Zeitraum ein Jahr zuvor.

Darauf zu setzen, dass in den kommenden Jahren die Preise sinken, hält Hein für keine gute Idee. Zum einen würden die Kaufpreise bundesweit gesehen mindestens stabil bleiben, wenn nicht noch weiter steigen. Außerdem hänge der Immobilienkauf von verschiedenen Faktoren ab. Wer seine Traumimmobilie gefunden habe, sollte lieber nicht darauf spekulieren, dass sie auch im kommenden Jahr noch verfügbar ist, meint Hein.

Was gilt es bei Anschlussfinanzierungen zu beachten?

Wer innerhalb der letzten zehn Jahre einen Kredit abgeschlossen hat, kann nicht viel tun. Wer hingegen einen Kredit mit 15 oder mehr Jahren Laufzeit abgeschlossen hat, der kann nach zehn Jahren von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen und sich das derzeitige Zinsniveau mit einer Anschlussfinanzierung sichern.

In der Finanzkrise 2008 und 2009 lagen die Bauzinsen teils über fünf Prozent. Auch vor etwas mehr als zehn Jahren lag der Bauzins noch bei 3,5 bis vier Prozent. Ein Abschluss kann sich also lohnen. „Dann hat man zwar die Zeit der historisch niedrigen Bauzinsen verpasst, zugleich aber nimmt die Belastung im Vergleich von vor zehn Jahren nicht weiter zu“, sagt Verbraucherschützer Hentschel.

Ist ein Forward-Darlehen sinnvoll?

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, sich das Zinsniveau zu sichern: ein Forward-Darlehen. Damit kann man bereits einen Zins vor Ablauf der alten Zinsbindung vereinbaren. Forward-Darlehen können zwischen 12 und 60 Monaten im Voraus vereinbart werden. Im Gegenzug verlangen die Banken einen Zinsaufschlag, meist 0,01 bis 0,02 Prozent für jeden Monat, den das Forward-Darlehen vor der Anschlussfinanzierung abgeschlossen wird.

„Wer sich also jetzt ein Forward-Darlehen für eine zum Beispiel in zwei Jahren fällig werdende Anschlussfinanzierung sichern möchte, muss bei der Anschlussfinanzierung einen Zinsaufschlag zwischen 0,24 und 0,48 Prozent zahlen“, sagt Hentschel. Damit ist das Forward-Darlehen immer auch eine Wette auf die Zukunft. Aber es schafft Planungssicherheit.

Lohnt sich der Bankwechsel?

„Wer eine Anschlussfinanzierung abschließen muss, sollte nicht einfach nur abwarten“, rät Dr. Klein-Experte Thomas Saar. Er empfiehlt, proaktiv auf die kreditgebende Bank zuzugehen und neue Konditionen zu erfragen. Ein Wechsel der Bank sei mit Aufwand und Kosten verbunden, etwa in Form von Grundbuchgebühren. „Die Ersparnis über die Laufzeit des Darlehens sollte also schon mindestens tausend Euro betragen, damit es sich lohnt“, sagt Saar.

Auch Verbraucherschützer Hentschel rät, sich Vergleichsangebote einzuräumen und von möglichen Sondertilgungsrechten Gebrauch zu machen.

Wie lang sollte die neue Laufzeit des Kredits sein?

Eine pauschale Empfehlung gibt es nicht. „Je länger die Laufzeit, desto höher ist der Zinssatz“, sagt Hentschel. „Bei 15-jähriger Laufzeit liegen die Zinsen meist 0,2 bis 0,3 Prozent höher als bei einer 10-jährigen Laufzeit.“ Dafür könne man bei 15 Jahren auch nach zehn Jahren aus dem Vertrag wieder aussteigen und sich dann das Zinsniveau sichern. Für eine lange Laufzeit spricht laut Thomas Saar die Planungssicherheit.

Lohnen sich Bausparverträge?

„Das Bausparen hat eine Renaissance erfahren. Bausparzinsen sind derzeit oft noch günstiger als der Marktzins“, sagt Saar. Thomas Hentschel weist dagegen auf kritische Punkte hin: „Zum einen muss in der Regel 40 Prozent der Bausparsumme als Mindestguthaben erreicht sein, ehe man auf den Rest der Bausparsumme einen Darlehensanspruch hat“, sagt der Experte der Verbraucherzentrale NRW.

Zudem sei die monatliche Belastung für Zins und Tilgung hoch. „Bauspardarlehen müssen in der Regel mit sechs bis acht Prozent schnell getilgt werden. Dazu kommt noch der Darlehenszins.“

Gibt es eine Immobilienblase?

Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob die Entwicklung noch gesund ist – oder ob sich längst eine Blase gebildet hat. Bei der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin wurde man jedenfalls nervös. Bis zu 40 Prozent seien Immobilien überbewertet, hieß es zu Jahresbeginn von der Bundesbank. Die Bafin verpflichtete daraufhin die Banken, einen zusätzlichen Risikopuffer anzulegen.

„Ich sehe keine Immobilienblase. Gerade in den Ballungsgebieten übersteigt die Nachfrage nach wie vor das Angebot“, sagt dagegen Dr. Klein-Berater Saar. ING-Experte Hein verweist darauf, dass in Ländern, in denen eine Immobilienblase platzte – etwa in Spanien und den USA – die Finanzierungslage eine andere als in Deutschland gewesen sei. Mit kurzen Finanzierungen waren Spekulanten auf schnelle Gewinne aus.

Hierzulande würden viele das eigene Heim vor allem als Altersvorsorge betrachten. Bei der ING liege beispielsweise der die durchschnittliche Zinsbindung bei 13 Jahren, die Kredite hätten einen durchschnittlichen Tilgungssatz von 3,4 Prozent. Solche Daten sprechen eher gegen eine Blase.

Anders wäre die Situation, wenn es zu einer Rezession und steigender Arbeitslosigkeit käme, sodass viele ihre Immobilien abstoßen müssten. Dann könnten die Preise schnell fallen.