Berlin. Warum müssen Frauen auf Tampons Steuern wie auf Luxusgüter zahlen? Auch andernorts sind sie noch immer im Nachteil. Ein Überblick.

Noch immer gibt es Regelungen, bei denen Frauen das Nachsehen haben. Trotz Elterngeld, der Quote für Frauen in Führungspositionen, Mindestlohn und Rückkehrrecht auf vorherige Arbeitszeit sehen die Frauenpolitiker der großen Koalition Handlungsbedarf.

Frauen liefen „noch immer Gefahr, ihre Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen zu können“, kritisiert der SPD-Abgeordnete Sönke Rix. Marcus Weinberg von der Unionsfraktion betont: „Auch im Jahr 2019 gibt es noch Beispiele, bei denen der Staat Frauen und Männer ohne Grund ungleich behandelt.“

Eine Auswahl aus Sicht der frauenpolitischen Sprecher im Bundestag:

Tampon-Mehrwertsteuer:

Auf Hygieneartikel für Frauen, also Tampons, Binden und Menstruationstassen, fallen 19 Prozent Mehrwertsteuer an – dabei sollen wichtige Güter des täglichen Bedarfs eigentlich mit dem reduzierten Satz von 7 Prozent besteuert werden. Letzlich zahlt man für Kaviar, Schnittblumen und Kunstgegenstände so weniger Steuern als für Hygieneartikel, auf die Frauen im Alltag angewiesen sind.

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„Das ist eine Benachteiligung von Frauen, die wir abschaffen sollten“, fordert Weinberg. „Damenhygiene gehört zum Grundbedarf von 50 Prozent der Bevölkerung und wird besteuert wie ein Luxusartikel.“ Mehr als 120.000 Menschen haben in den vergangenen Jahren eine Petition zur „Tampon Tax“ im Internet unterschrieben.

Die hohe Besteuerung von Tampons und Binden sei als „fiskalische Diskriminierung von Frauen“ verfassungswidrig, argumentieren Nanna-Josephine Roloff und Yasemin Kotra, die die Petition eingereicht haben. „Wie soll Frau ihre Periode vermeiden?“

Ehegattensplitting:

Experten sehen diese Steuerregel als eine Ursache dafür, dass sich Frauen gegen einen Vollzeit-Job entscheiden. Wenn die Einkommen beider Partner zusammen veranlagt werden, zahlen Frauen oft schon ab dem ersten Euro den hohen Steuersatz des Mannes – zumindest, wenn sie weniger verdient als er.

Das Ehegattensplitting begünstige „die Spezialisierung in der Ehe im Sinne der Erwerbstätigkeit des einen Partners und der Bereitstellung häuslicher Dienste durch den anderen Partner“, heißt es in einem Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums.

Das Gunda-Werner-Institut der Grünen-nahen Heinrich Böll Stiftung kritisiert, die Regelung konserviere die „Einverdienst- und Hausfrauenehe“. Auch Rix sieht Handlungsbedarf: „Das Ehegattensplitting wird den heutigen Rollenvorstellungen junger Paare nicht mehr gerecht“, sagt er. „Es sollte deshalb für alle Neu-Ehen reformiert werden.“

Formulare:

Frauen werden in Familienbüchern und Heiratsurkunden an zweiter Stelle genannt. Genauso in der Einkommensteuererklärung – selbst wenn die Frau Hauptverdienerin ist. Das sorgte kürzlich für Aufsehen: Eine Hamburgerin trug sich als erste steuerpflichtige Person in der Kategorie „Ehemann“ ein – und ihren Mann als zweites.

Im Finanzamt mussten die Daten händisch umgetragen werden – was den Steuerbescheid für die Familie verzögerte. Der Mann forderte viel kommentiert im Internet modernere Formulare. Das für die Software zuständige Landesamt für Steuern in Bayern betonte, die bundesweit vorgegebene Reihenfolge sei Zufall und keine Wertung.

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    Elternzeit:

    Kinder wirken sich auf die Arbeitsmarktchancen von Frauen anders aus als auf die von Männern. Studien zufolge verdienen Mütter weniger und werden seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als Frauen ohne Kind. Bei Vätern ist es umgekehrt.

    Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat herausgefunden, dass auch die Länge der Elternzeit überraschende Auswirkungen hat: Frauen mit kurzer Elternzeit werden seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Dabei könnte man gerade ihnen viel Ehrgeiz im Beruf zuschreiben.

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    Nötig sei „schlichtweg die Erkenntnis, dass Männer in Elternzeit nicht süß sind, sondern eine Bereicherung, auch für die Arbeitgeber“, fordert die FDP-Frauenpolitikerin Nicole Bauer.

    Verdienst:

    Obwohl immer mehr Frauen arbeiten, verdienen sie in vielen Berufen weniger als Männer. Mit 21 Prozent hat Deutschland laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beim Stundenlohn eine der größten Verdienstlücken in Europa – vor allem in Berufen mit langen Arbeitszeiten.

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      Helfen sollte eigentlich das Entgelttransparenzgesetz: Jeder soll erfahren können, was die Kollegen verdienen. Doch einen Auskunftsanspruch hat nur, wer in einem Betrieb mit mindestens 200 Angestellten arbeitet und mindestens sechs Kollegen des anderen Geschlechts mit gleichwertigem Job hat. Die Linke-Abgeordnete Sabine Zimmermann fordert „Entgeltsysteme, die gleiches Geld für gleichwertige Arbeit garantieren“.

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      Ulle Schauws von den Grünen stört noch etwas anderes: „Über Gesetze, die vor allem Frauen betreffen, wird völlig anders diskutiert“, sagt sie. Ginge es beim Abtreibungs-Paragrafen 219a um Männer, „gäbe es diese Stimmen so nicht, die die Entscheidungsfähigkeit der Patienten anzuzweifeln“. (dpa/cho)