Nürnberg. Die polnische Torjägerin des VfL Wolfsburg war beim 9:1 in Nürnberg an 6 Treffern beteiligt – ein Souvenir hat sie nicht mitgenommen.

Den Spielball als Souvenir hatte Ewa Pajor nicht in ihrem schweren Koffer, mit dem es fast direkt nach dem Spiel Richtung Nürnberger Hauptbahnhof und von dort aus zur polnischen Nationalmannschaft ging. Verdient hätte ihn die 27 Jahre alte Stürmerin des VfL Wolfsburg so sehr wie noch nie: Vier Tore allein waren ihr im VfL-Trikot noch nie gelungen, am Samstag beim 9:1 (4:1)-Ausrufezeichen der Wölfinnen in der Frauenfußball-Bundesliga bei Aufsteiger 1. FC Nürnberg kamen zu ihrem Viererpack sogar noch zwei Assists dazu. Ob mit Hacke oder Spitze – die Torjägerin zeigte ein Weltklassespiel, und das am Ende einer für den VfL außergewöhnlichen Woche.

Denn der zum FC Bayern München verkündete Transfer von Lena Oberdorf, weil die Nationalspielerin eine Ausstiegsklausel in ihrem eigentlich bis 2025 befristeten Vertrag zog, hat den Klub arg getroffen. Eine der besten Spielerinnen wechselt zum größten nationalen Konkurrenten. Immerhin wird der Transfer dem VfL mit rund 450.000 Euro versüßt, doch der öffentliche Nachhall war immens; die Bayern meinen es ernst, wollen auch im deutschen Frauenfußball die Vormachtstellung.

Alexandra Popp zu Oberdorf-Wechsel: Um ehrlich zu sein, ist das kein Thema

Dementsprechend lag der Fokus auch in Nürnberg auf der deutschen Nationalspielerin. Oberdorf machte allerdings erst eine unschöne Bekanntschaft mit dem FCN-Pfosten, ehe sie nach einem Kopfball im Mittelfeld komplett zu Boden ging, mit Brummschädel den Platz verließ.

Alexandra Popp meinte zu der Causa Oberdorf: „Natürlich sind wir traurig, dass Obi geht, daraus machen wir auch keinen Hehl. Wir müssen es akzeptieren und wünschen ihr natürlich nach der Saison auch alles Gute.“ Aber, so die Anführerin weiter: „Um ehrlich zu sein, ist es für uns kein Thema.“ Oberdorf, so Popp weiter: „war da, hat die Bälle erobert und verteilt, so wie wir sie auch kennen.“ Genauso sah es Pajor: „Ich kenne Obi schon ein paar Jahre und weiß, dass sie bis zum Ende der Saison alles für uns geben wird.“

Ewa-Pajor-Show in Nürnberg startet mit zwei tollen Vorlagen

Nicht erst bei Oberdorfs zu frühem Ausscheiden gebührte ein Großteil der Aufmerksamkeit Pajor, die übrigens auch eine Ausstiegsklausel über rund 500.000 Euro in ihrem noch ein Jahr währenden Vertrag besitzt. Coach Tommy Stroot rotierte in seinem System ein wenig, nahm Svenja Huth auf die linke Seite, Alexandra Popp ins zentrale Mittelfeld und stellte Pajor ins Angriffszentrum. So ähnlich hatte es schon in der zweiten Hälfte gegen Eintracht Frankfurt (3:0) besser funktioniert. In Nürnberg aber lief es wie am Schnürchen.

Ein Treffer der Marke Traumtor: Ewa Pajor traf in Nürnberg mit der Hacke zum 3:1, am Ende erzielte die Wolfsburger Torjägerin erstmals vier Treffer.
Ein Treffer der Marke Traumtor: Ewa Pajor traf in Nürnberg mit der Hacke zum 3:1, am Ende erzielte die Wolfsburger Torjägerin erstmals vier Treffer. © Sport | IMAGO/Sportfoto Zink / Daniel Marr

Gleichwohl waren es zwei Tempoläufe über die linke Seite, bei denen Pajor ihre Gegenspielerin wie eine Hutstange stehen ließ und erst für Vivien Endemann und dann für Popp mustergültig auflegte – der spielerisch schon sehr starke Auftakt der Ewa-Pajor-Show. Ihr Meisterstück an diesem Samstagmittag folgte aber prompt: Nach einer Vorlage von Endemann über die rechte Seite beförderte die polnische Torjägerin den Ball mit der Hacke ins Nürnberger Tor. „Das war einfach instinktiv“, sagte die 27-Jährige. Und ihr Trainer wählte zu diesem Treffer der Marke „Tor des Monats“ den herrlichen Ausdruck, es war ein Tor „mit hinter dem Standbein langziehen“. Egal, wie man es nennen wollte: Mit Hacke, es war einfach spitze!

Trainer Tommy Stroot lobt „brutale Qualität“ des VfL in Nürnberg

Dieses 3:1 war der Genickbruch für den hintenraus zu offenen FCN, der sich trotz Abstiegsplatz 11 den Ruf eines ekligen Gegners erkämpft hat. Das zeigten nicht zuletzt das knappe Wolfsburger 1:0 im Hinspiel und das 1:1 kurz vor Weihnachten gegen Meister München. Die Wolfsburgerinnen präsentierten sich aber an diesem Tag zu spielfreudig. „Wir haben eine Qualität gezeigt, die einfach brutal war, auch für Nürnberg zu brutal war“, meinte Stroot.

Denn in der zweiten Hälfte hatte seine Mannschaft noch lange nicht genug. Pajor legte ihre Saisontreffer acht bis zehn hinterher, Chantal Hagel erzielte ihr Premierentor im VfL-Trikot und Fenna Kalma traf wie im Hinspiel, als sie noch die einzige Torschützin war. Der VfL war an diesem Tag einfach nicht satt zu kriegen nach einer Woche, die für das Umfeld ein satter Dämpfer war. Stroot wertet den vielleicht besten, mit Sicherheit aber konsequentesten Auftritt der Saison „absolut“ auch als Zeichen nach dieser Woche. „Wir haben mal wieder ein Ausrufezeichen gesetzt.“

Den Spielball aus Nürnberg hätte Ewa Pajor gerne mitgenommen

Und das hat auch Wolfsburgs Toptorjägerin, die sich damit an die Spitze der Bundesliga-Torschützinnen (10 Tore) und -Scorerinnen (14 Punkte) setzte. Dass es ein Bewerbungsschreiben für eine dauerhafte Rückkehr ins Angriffszentrum war, wollte Pajor so nicht verstanden wissen: „Das entscheidet der Trainer: Ich kann links, rechts, zentral oder auch als Neun spielen. Ich möchte der Mannschaft helfen, das ist am wichtigsten. Für uns ist jedes Spiel ein Finale, und wir müssen alles geben, um am Ende ganz vorne zu stehen.“

Doch erst einmal geht’s in die Pause. Für Pajor geht’s mit Polen zu Testspielen nach Spanien. Einen Spielball aus Nürnberg hatte sie nach ihrem ersten Viererpack im Wölfinnen-Dress nicht dabei. „Ich hätte gerne einen Ball mitgenommen, aber das ist im Frauenfußball nicht so üblich. Eigentlich wäre das eine schöne Geschichte, vielleicht müssen wir das mal ändern.“

Spiel kompakt:

1. FC Nürnberg: Krammer – Steck, Schmidt, May – Thöle (46. Mailbeck), Magnusdottir (58. Burkard), Arfaoui (68. Kaczor), Mai, Lein (46. Salfelder) – Bauereisen, Haim (87. Kusch).

VfL Wolfsburg: Frohms – Wedemeyer, Hendrich, Hegering, Rabano (79. Brinkmann) – Oberdorf (46. Brand), Hagel (65. Xhemaili), Popp – Endemann (65. Jonsdottir), Pajor, Huth (65. Kalma).

Tore: 0:1 Endemann (7.), 1:1 Haim (11.), 1:2 Popp (34.), 1:3 Pajor (36.), 1:4 Popp (38.), 1:5 Hagel (52.), 1:6 Pajor (71./Foulelfmeter), 1:7 Pajor (79.), 1:8 Kalma (81.), 1:9 Pajor (90.+1).

Gelbe Karten: Lein, Bauereisen, Mailbeck, Salfelder / Endemann, Brand.

Schiedsrichterin: Naemi Breier (Zerf).

Zuschauer: 2446 im Max-Morlock-Stadion.