Braunschweig. Professor Ulrich Menzel erklärt, warum das Vertrauen auf die internationale Kooperation weltweit schwindet.

In meinem Statement 2007 habe ich auf die Frage „Wird es einen Dritten Weltkrieg geben?“ geantwortet: Die Logik der Abschreckung verhindert große Kriege. Diese Aussage ist auch heute noch gültig.

Allerdings habe ich damals darauf hingewiesen, dass die Welt nicht friedlicher geworden ist, weil die vielen kleinen substaatlichen, grenzüberschreitenden und internationalisierten Kriege fortgehen, bei denen staatliche und nichtstaatliche Akteure aufeinandertreffen.

Diese Prognose hat sich leider bestätigt. Derzeit wird in etwa 46 „Staaten“ auf der Welt, die in Wirklichkeit vom Zerfall bedroht oder bereits zerfallen sind, eine Art Krieg geführt. Das ist einer der Gründe, warum die Welt aus den Fugen gerät, wir neben Krieg und Klimawandel die neue Völkerwanderung der Perspektivlosen als große Herausforderung erleben. Alle diese Probleme treffen auf eine Konstellation, in der die Internationalen Organisationen immer weniger in der Lage sind, sie zu bearbeiten, und die USA als internationale Ordnungsmacht immer weniger bereit, die Hauptlast zu tragen, weil ihre relative Leistungsfähigkeit angesichts des Drucks aufholender Konkurrenten wie China nachlässt.

Das ist der rationale Kern hinter den Lösungen des US-Präsidenten Donald Trump von „America First“ und „Make America Great Again“.

Deshalb lautet meine skeptische Prognose, dass die Welt auf einen „Kipppunkt“ zusteuert, an dem auch die politischen Systeme nicht mehr in der Lage sind, die zahlreichen Probleme erfolgreich zu verarbeiten.

Das ist ein wesentlicher Grund, warum das nationalistische Selbsthilfeprinzip statt des Vertrauens auf die internationale Kooperation auf dem Vormarsch ist. Auch Deutschland wird nach der Bundestagswahl ein Stück nach rechts rücken.

So haben sich meine Einschätzungen in den letzten zahn Jahren verändert

Weitsichtige große Denker, Institutionen wie der Club of Rome oder die renommierten Forschungsinstitute für Sicherheitspolitik beziehungsweise Friedens- und Konfliktforschung haben diese Tendenzen schon seit langem erkannt, analysiert und Handlungsempfehlungen gegeben. Die Güte sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse misst sich an ihrer Prognosefähigkeit. Allerdings braucht es seine Zeit, bis diese ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gelangen und noch mehr Zeit, bis der öffentliche Druck das politische Handeln beeinflusst. Manchmal bedarf es sogar des eingetretenen Katastrophenfalls, bis gehandelt wird. Die idealistische Hoffnung nach 1990, von Bush senior in seiner Rede zur „Neuen Weltordnung“ am 9. November 1990 (11/9) hatte die idealistischen Hoffnungen genährt und ließ in den 1990er Jahren die Skeptiker verstummen. Erst die Anschläge des 11. September (9/11) haben auch in den Prognosen die Wende zu mehr Realismus eingeläutet. Insofern hat sich wenig in der Sache, aber im Sinne des „postfaktischen“ Arguments viel in der Wahrnehmung geändert.

So beurteile ich die Entwicklung der Forschungsregion Braunschweig

In meinem Fachgebiet ist die Forschungsregion Braunschweig nicht die Erste Adresse in Deutschland. In der internationalen Politik wird die Musik in Berlin gespielt. Dort sind die Forschung und die wissenschaftliche Politikberatung mit den universitären Instituten und Denkfabriken wie der Stiftung Wissenschaft und Politik konzentriert. Ich habe mich eher als intellektueller „Einzelkämpfer“ verstanden, der seine Kontakte außerhalb der Region und international zu suchen hat. Deshalb bedarf ich auch nicht der örtlichen „Cloud“, da hier in meinem Fach die kritische Masse zu ihrer Bildung fehlt. Mein altes Institut für Sozialwissenschaften, obwohl untypisch für eine Technische Universität, war in personeller und sachlicher Hinsicht, gerade auch bezüglich der Bibliothek, gut aufgestellt.

Selbst mit „Bordmitteln“ ließ sich gut arbeiten und Einfluss auf den Diskurs der kritischen Öffentlichkeit in Deutschland nehmen. Das gilt auch noch für den Ruhestand. Für die Arbeitsbedingungen war und bin ich dem Wissenschaftsministerium wie dem TU-Präsidium dankbar. Ich hoffe, dass das so bleibt. Ich werde mich weiter melden in der Öffentlichkeit.

Zur Person

Zukunftsfragen der Menschheit hieß die Veranstaltung unserer Zeitung im Rahmen der „Cloud der Wissenschaft“ auf dem Burgplatz. 23 führende Wissenschaftler der Region stellten ihre wichtigsten Thesen zur Entwicklung vor. Wir dokumentieren die uns übermittelten schriftlichen Beiträge.

Heute: Professor Ulrich Menzel, Politikwissenschaftler, bis 2015 Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen der Technischen Universität Braunschweig.