Braunschweig. Professor Martin Korte spricht bei unserer Veranstaltung „Zukunftsfragen der Menschheit“ über den Verlust des Gedächtnisses.

Vor 10 Jahren hatte ich vorhergesagt, dass es keine wirklich wirksamen pharmakologischen Gedächtnisverstärker für gesunde Menschen geben wird – und dass sich unser Gedächtnis nicht so einfach auslesen lässt und extern gespeichert werden kann. Beides hat sich bewahrheitet.

Aber es ist immer leichter etwas vorherzusagen, was nicht eintritt, als Prognosen zu machen, die eintreten könnten. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund relevant, dass Prognosen über Erdbeben (auf die wir ja bekanntlich keinen unmittelbaren Einfluss haben), ganz anderer Natur sind als Vorhersagen über menschliches, künftiges Verhalten. Denn in solchen Fällen könnte die Vorhersage Menschen alarmieren, ihr Verhalten zu ändern oder etwas zu verbieten, was ansonsten hätte eintreten können.

Was die Gedächtnisforschung angeht, lautet entsprechend meine Prognose: Wir werden immer mehr von lernenden Maschinen umgeben sein, die so programmiert sind, dass sie uns Wissen und Denken nach Möglichkeit versuchen abzunehmen.

So haben sich meine Einschätzungen in den letzten zehn Jahren verändert

Schon in der letzten Dekade wurde sichtbar, dass unser eigenes Gedächtnis immer mehr an Bedeutung verliert. Digitale Expertensysteme übernehmen hier immer mehr Kontrolle über Aus- und Weiterbildung. Kaum noch jemand erinnert wichtige Ereignisse und Erlebnisse direkt, sondern nur noch indirekt als Episoden gefilmter Erinnerungen, bei denen zwischen den Abläufen in der Welt und mir selbst immer ein Bildschirm steht – vor allem der von filmenden Smartphones.

Viel wichtiger ist aber der Umstand, dass sich die Alzheimer-Erkrankung zusammen mit anderen Demenzen alle 20 Jahre in der Zahl der Erkrankten verdoppelt. Grund ist eine älter werdende Gesellschaft.

Wir verlieren also in doppelter Hinsicht das, was uns ausmacht – entweder durch eine selbstverschuldete Unmündigkeit oder durch eine Krankheit, die uns genau das raubt, was unser Ich zusammenhält: unser Gedächtnis.

Es gehört zumindest zu meinen selbstgesteckten Zielen, alles daran zu setzen, durch Prävention und Entschlüsselung der Entstehungsmechanismen die Alzheimer-Krankheit einzudämmen.

So beurteile ich die Entwicklung der Forschungsregion Braunschweig

Die Forschungsregion entwickelt sich stetig weiter, kommt voran, vor allem, weil sich die TU Braunschweig und die außeruniversitären Forschungsinstitute sehr gut verstehen – allerdings kommen wir auch hier langsamer als andere Forschungsregionen voran.

Was die Region braucht, ist ein Flaggschiff, ein Epizentrum, um dass sich alle versammeln können. Dies sollte die TU als größte und älteste Institution werden, aber diesen Anspruch muss sie sich verdienen. Der Impuls, den die Region braucht, um in der Forschung, Lehre und in der Translation der Forschung in das Gesundheitssystem oder in Industrie und Handel voranzukommen, muss aus der TU selbst kommen.

Und dies geht nur mit einer klugen Strategie, hoher Leistungsbereitschaft – und einer Begeisterung für Forschung und Lehre.