Braunschweig. Professor Dieter Jahn ist Mikrobiologe und Uni-Manager. In der Zusammenarbeit ohne Grenzen liegt die Kraft.

Mein Fachgebiet, die Systembiologie, beschäftigt sich mit der mathematischen Berechnung und Modellierung von biologischen Prozessen. Dieser Ansatz soll einerseits das grundsätzliche Verständnis von Infektionen und Krankheiten verbessern, aber auch zur Etablierung und Optimierung biotechnologischen Produktionsprozessen zugehöriger Wirkstoffe dienen.

Dieser Ansatz ist typisch für die moderne Wissenschaft der Zukunft, denn er zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus:

Interdisziplinarität – Mathematiker, Informatiker, Ingenieure arbeiten mit Biologen, Chemikern, Physikern und Mediziner zusammen. Das passiert in unserem neuen Zentrum BRICS!

Digitalisierung und Big Data – Die moderne Biologie produziert momentan mit die höchsten Datenmengen (Big Data), die nur mittels modernster Informationstechnologie (IT) ausgewertet und zu vernünftigen Modellen integriert werden. Das passiert an der TU.

Eng vernetzte Kooperation über institutionelle Grenzen hinweg – In der Braunschweiger Systembiologie arbeiten vier der sechs Fakultäten der TU eng mit Helmholtz-Zentrum, Leibniz-Institut und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zusammen.

Der Braunschweiger Weg – interdisziplinäre, vernetzte Zentren mit außeruniversitären Partnern. Das erwähnte BRICS arbeitet Hand in Hand mit dem Pharmaverfahrenstechnikzentrum und dem Metrologiezentrum. Partner der Institutionen arbeiten unter einem gemeinsamen Dach zusammen und sind im ständigen Kontakt mit den anderen Zentren.

Internationalität – die TU Braunschweig hat eine aufwendige Untersuchung (Audit) zur ihrer Internationalisierung hinter sich, um Fragen nach bevorzugten internationalen Partnern, der Sprachenpolitik der Lehre oder auch die Verbesserung der Willkommenskultur zu klären.

Vorsprung durch Technik – ja der Spruch ist geklaut, aber er trifft die Sache im Kern. Wir wollen einigen Technologien Weltspitze sein. Bei uns und unseren Partnern steht dabei die Metabolomforschung (Bestimmung aller kleinen Moleküle einer Zelle) und die zugehörige Bioinformatik (Braunschweig Enzym Datenbank) im Mittelpunkt.

So haben sich meine Einschät- zungen seit zehn Jahren verändert

Unser Gebiet war in den letzten zehn Jahren geprägt von technologischen Sprüngen. Während man noch vor 20 Jahren für die Aufklärung des Erbgutes eines Bakteriums zehn Jahre, 30 Forschergruppen und Millionen Euro benötige, kann die DSMZ in Braunschweig heute 20 Genome parallel in einer Stunde und für ein paar hundert Euro aufklären. Ebenso können wir heute fast alle Eiweiße und die meisten kleinen Moleküle einer lebenden Zelle erfassen. Die IT hat im Bereich Hard- und Software stark an Leistungsfähigkeit zugelegt. Das erlaubt in der Systembiologie und vielen anderen Bereichen Forschung und Entwicklung, von der wir vor zehn Jahren nur träumen konnten. Und die TU ist der richtige Platz dafür.

So beurteile ich die Entwicklung unserer Forschungsregion

Hier geht wissenschaftlich gerade wirklich etwas ab! Durch die enge Zusammenarbeit der vielen Forschungsinstitutionen, Hochschulen und Firmen vor Ort haben wir einen international sichtbaren riesigen Schritt vorwärts gemacht. Die TU mittendrin als Motor mit ihren gemeinsamen Zentren, ihrer klaren Fokussierung auf Mobilität, Infektion und Wirkstoffe, Metrologie und „Stadt der Zukunft“ sieht sich dabei als die integrative Kraft.

Wir brauchen nun international sichtbare wissenschaftliche Erfolge und innovative Produkte. Wir müssen noch viel mehr junge, begabte ehrgeizige Wissenschaftler aus aller Welt in unsere Region holen. Wir müssen auch noch interessanter für zukunftsorientierte Unternehmen werden. Schließlich müssen wir viel mehr für unsere tolle Wissenschaftsstadt Braunschweig trommeln, wir haben was zu bieten. Ich denke, wir haben ein solide Basis für unsere Zukunft gelegt. Darauf müssen wir nun geschickt, aber auch mit Selbstbewusstsein aufbauen.

Zur Person:

Zukunftsfragen der Menschheit hieß die Veranstaltung unserer Zeitung im Rahmen der „Cloud der Wissenschaft“ auf dem Burgplatz. 23 führende Wissenschaftler der Region stellten ihre wichtigsten Thesen zur Entwicklung vor. Wir dokumentieren die uns übermittelten schriftlichen Beiträge.

Heute: Professor Dieter Jahn, geboren 1959, Institut für Mikrobiologie der TU Braunschweig und Vizepräsident für Forschung der TU.