Hannover. Frauke Heiligenstadt plant, die Bürokratie aus den Schulen auszulagern, schiebt Kernprobleme aber weiter hinaus.

Unser Leser Torsten Römer aus Salzgitter fragt:

Vielleicht sollte man Schulleiter anständig bezahlen und von überflüssigem Ballast befreien?

Die Antwort recherchierten Michael Ahlers und Lisa Claus

Weniger Ballast – da konnte Ministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) sofort zustimmen. Doch bei besserer Bezahlung mauerte die Ministerin. Darüber habe man gar nicht gesprochen, sagte sie nach einem weiteren Dialogforum mit den Verbänden.

„Mehr Zeit für gute Schule“ heißt das Motto einer Online-Befragung von Lehrern, deren Ergebnisse Heiligenstadt und das Kultusministerium derzeit abarbeiten. In einer früheren Runde etwa kündigte die Politikerin – zur Freude etwa der GEW – das faktische Aus für die Schulinspektion an. Überprüfungen aller Art durch kundige Inspektoren müssen die Schulen nun nicht mehr fürchten, stattdessen ist eine Art Wohlfühl-Beratung angesagt.

In der aktuellen Runde des Dialogs mit den Verbänden kündigte Heiligenstadt an, dass die Landesschulbehörde für Grundschulen und kleine Schulen die Vertragsangelegenheiten übernimmt. Dass es an den arbeitsrechtlichen Kenntnissen bei Schulleitungen schon mal fehle, erläuterte GEW-Landeschef Eberhard Brandt mit einem Beispiel: Bei befristeten Verträgen reiche es nicht, wenn als Grund der Befristung der entsprechende Wunsch des Arbeitnehmers eingetragen werde. Bei der Personalauswahl sollen die Schulen aber weiter entscheiden – nur ohne den Papierkram am Hals zu haben.

Dankbar dürften die Schulen auch vermerken, dass Heiligenstadt Erleichterungen beim verhassten Thema „Schulgirokonto“ ankündigte. GEW-Chef Brandt forderte beim Reizthema Regelstundenzahl zumindest einen „Stufenplan“ zur Verringerung. Bisher liegt die wöchentliche Unterrichtspflicht der Lehrer an Grundschulen in Niedersachsen bei 28 Stunden, deutlich höher etwa als an Gymnasien. Doch Niedersachsen fasst das Thema nicht an. Und Heiligenstadt merkte noch an, auch Bundesländer mit höherer Besoldung hätten Probleme, Stellen zu besetzen.

Dass die Ministerin beim Thema Bürokratie einen Nerv getroffen hat, bestätigt Hans-Günter Sanmann, Schulleiter an der Kranichdammschule in Salzgitter. Sie besteht aus einer Grund- und einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache. Sanmann: „Ich glaube, das Problem ist der Verwaltungsbereich. Da sind viele Aufgaben hinzugekommen.“

Laut Sanmann verbringen Grundschulleiter viel Zeit mit Verwaltungstätigkeiten. Doch für diese Aufgaben seien sie gar nicht ausgebildet. Eigentlich sei es doch die Zeit, die man mit Kindern verbringt, die den Beruf attraktiv machten, erklärt Sanmann. Er selber habe die Übernahme des Schulleiterpostens als Herausforderung gesehen – eine Möglichkeit, Gestaltungsräume zu nutzen und Veränderungen und Projekte in Gang zu bringen.

Sanmanns Grundschule beispielsweise sei erst vor kurzem zur Ganztagsschule geworden. Genau diese Umsetzung mache Spaß und gebe ihm Energie. Was zu seinem Beruf allerdings auch dazugehöre: „Man verbringt sehr viel Zeit im Büro und der Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern wird immer geringer.“

Der finanzielle Anreiz war es für Sanmann jedenfalls nicht – dieser sei nicht so groß. Weitere Faktoren, die auf mögliche Bewerber abschreckend wirken könnten, seien die Arbeitszeit und die Belastung, die dazukommen, sagt Sanmann.

„Wenn der Beruf 150 Prozent beansprucht, dann bleibt kaum Luft zum Atmen“, sagt Richard Lauenstein, Sprecher des Landesverbandes Niedersachsen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Hannover. Auch er sieht die Belastung und die vielen Anforderungen, die mit der Tätigkeit des Grundschulleiters verbunden sind, als Grundproblem des Bewerbermangels. „Grundschulen haben die größte Unterrichtsverpflichtung“, erklärt er.

Außerdem müssten Grundschullehrer heute nicht nur Wissen, sondern auch soziale Kompetenz vermitteln, was früher eher außerhalb der Schule passiert sei. Es kämen Schüler zur Schule, die zu Hause zum Beispiel mit modernen Medien alleingelassen würden. „Das soll alles von der Schule mitbearbeitet werden“, sagt Lauenstein. Es gebe zwar engagierte Leitungen, auch versuchten Tausende Kolleginnen und Kollegen durch individuelles Engagement das Beste daraus zu machen. Viele genau dieser wüssten allerdings nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht, so Lauenstein. „Das muss nicht jeder attraktiv finden.“

Welche Möglichkeiten gibt es nun, um den Beruf doch wieder attraktiv zu machen? Laut Grundschulleiter Sanmann ist die Kultusministerin auf dem richtigen Weg, wenn sie den Verwaltungsbereich zumindest zum Teil heraus-nimmt – so könnte der Fokus wieder auf der pädagogischen Zielsetzung liegen.

Sönke Volkmann, GEW-Vorsitzender des Bezirksverbandes Braunschweig, schlägt eine höhere Entlastung und Besoldung für die Grundschulleiter vor. Zwar müssten die Leiter im Vergleich zu den Lehrern acht Stunden weniger unterrichten, dafür aber viele andere Aufgaben erledigen: etwa das Schulkonto verwalten, sich um Arbeitsverträge kümmern und Einstellungsverfahren führen. „Die Aufgabenfülle ist höher, als das, was man weniger unterrichtet“, sagt Volkmann. Die geplanten Veränderungen durch das Kultusministerium seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch glaubt er nicht, dass sich die Bewerberlage signifikant ändern wird, so Volkmann. Auch Lauenstein sagt: „Es gibt zwar Zulagen für Schulleiter, aber die Frage ist, ob sie die zusätzlichen Mühen und Belastungen ausreichend entlohnen.“

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Das Grundschul-Dilemma