Berlin. Die Gewerkschaft IG BAU fordert eine deutliche Steuersenkung auf Baukosten für Sozialwohnungen. Auch Hartz-IV-Empfänger profitieren.

Wer in Großstädten eine Wohnung sucht, kennt das Problem. Die Mieten schießen in die Höhe, günstige Angebote sind rar. Selbst Beschäftigte mit festem Job geraten immer öfter an ihre finanziellen Grenzen. Besonders betroffen sind Menschen mit niedrigen Einkommen oder auch Hartz-IV-Empfänger. Ihr Chance auf bezahlbaren Wohnraum wird zunehmend schlechter.

Zur Entspannung des Problems hat sich die Ampel-Regierung das ehrgeizige Ziel gesetzt, dass pro Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden sollen – davon 100.000 Sozialwohnungen. Ohne Förderung ist dies aber nur schwer erreichbar. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) fordert deshalb, die Baukosten für Sozialwohnungen durch eine Steuersenkung deutlich zu reduzieren.

„Dazu sollte der Mehrwertsteuersatz für den Bau von Sozialwohnungen schnellstmöglich auf sieben Prozent gesenkt und in einem zweiten Schritt komplett auf null Prozent reduziert werden, sobald dies EU-weit möglich ist“, fordert der IG-Bau-Bundesvorsitzende Robert Feiger. Auf EU-Ebene ist derzeit eine Null-Prozent-Steuer für den Wohnungsbau nicht erlaubt. Deshalb sollte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dafür gezielt einsetzen.

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Wohnungen: Steuersenkung nur für Sozialwohnungen

Um Missbrauch bei der Förderung zu verhindern, müssten die Vergünstigungen laut Feiger daran gekoppelt werden, dass die geförderten Bauten dauerhaft Sozialwohnungen bleiben. „Nach dem Prinzip – einmal Sozialwohnung, ­immer Sozialwohnung“, sagt der Gewerkschaftschef. „Der soziale Wohnungsbau braucht dringend einen kräf­tigen Schub. Andernfalls droht das Ziel der Bundesregierung zu scheitern, jährlich 100.000 Sozialwohnungen neu zu bauen.“

Der Sozialwohnungsbestand steckt seit Jahren in der Krise. Ende der 1980er-Jahre standen in Westdeutschland noch rund vier Millionen Sozialwohnungen zur Verfügung. „Aktuell haben rund elf Millionen Menschen eine Berechtigung für eine Sozialwohnung, doch es gibt nur noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen in ganz Deutschland“, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, das regelmäßig Studien zum Wohnungsbau erstellt. Zuletzt wurden im Schnitt jährlich nur 26.000 Sozialwohnungen gebaut. „Es müsste mindestens fünf Millionen weitere Sozialwohnungen geben.“

Der Bedarf an bezahlbaren Wohnraum wird sich durch die Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine noch mal deutlich erhöhen. Allein für 2022 prognostiziert das Pestel-Institut für Deutschland eine Nettozuwanderung von weit über 500.000 Menschen.

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Zuwanderer und Kriegsflüchtlinge brauchen bezahlbare Wohnungen

Bereits 2021 seien 316.500 mehr Menschen nach Deutschland gekommen als weggezogen, heißt es in der Studie, die von der IG Bau in Auftrag gegeben wurde. „Die höchste Zuwanderung in den vergangenen Jahren kam aus Polen, Rumänien und Bulgarien“, berichtet Günther. Viele Europäer kämen nach Deutschland zum Arbeiten.

„Der Sozialwohnungsbau steckt aktuell in einem Dilemma: Die Baumaterialpreise steigen enorm, gleichzeitig nimmt die Zuwanderung deutlich zu“, sagt Feiger. Wer jetzt nach Deutschland komme, sei in der Regel auf bezahlbare Wohnungen und auch auf Sozialwohnungen angewiesen – also auf solche, die höchstens 6,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete im Monat kosteten. Genau diese seien aber „absolute Mangelware“.

„Bund und Länder sind jetzt gefordert, alles zu tun, um eine neue Welle der sozialen Wohnungsnot zu vermeiden“, fordert der Gewerkschaftschef Feiger. Das Verbändebündnis Wohnungsbau – ein Zusammenschluss von rund 30 Verbänden der Bau- und Immobilienbranche – hat bereits den Bedarf beziffert: Bis zum Jahr 2030 müsste es insgesamt mindestens wieder zwei Millionen Sozialwohnungen geben. Allerdings brauche es dafür entsprechende Fördermittel des Staates.

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Wohnungen: Steuersenkung vergünstigt den Bau um bis zu 33.000 Euro

Eine Umsatzsteuersenkung für den sozialen Wohnungsbau könnte dabei einen „enormen Zuschusseffekt“ bringen, rechnet Feiger vor: „Der Neubau wäre bei einer auf null gesetzten Mehrwertsteuer um 16 Prozent und bei einer zunächst auf sieben Prozent reduzierten Mehrwertsteuer um zehn Prozent günstiger zu machen.“

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Für eine durchschnittliche Sozialwohnung mit 60 Quadratmetern Wohnfläche würde die Mehrwertsteuerbefreiung bei den reinen Baukosten eine Reduzierung um 33.000 Euro bedeuten, wie das Pestel-Institut errechnet hat. Bei einem ermäßigten Umsatzsteuersatz betrage die Ersparnis rund 20.000 Euro. Der Umbau von Büros zu Sozialwohnungen würde rund 13.000 Euro weniger kosten, wenn die Umsatzsteuer bei null läge. Bei einem reduzierten Steuersatz wären es noch gut 8.000 Euro weniger.

Bund und Länder sollten zudem den Umbau vorhandener Gebäude erleichtern. „Dachaufstockungen und der Umbau von Büros zu Wohnungen brauchen wesentlich schlankere Regeln“, sagt Feiger. „Wenn hier die oft viel zu hohen Hürden verschwinden, profitiert vor allem auch der soziale Wohnungsbau. Denn gerade der Gebäudebestand bietet ein enormes Potenzial, neue Sozialmietwohnungen im Verhältnis preisgünstig zu bauen.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.