Berlin. Rauchen kann tödlich sein: Tabakfirmen wollen weg vom Gifthändler-Image. Einer der größten Hersteller geht nun einen unerwarteten Weg.

  • Einer der weltweit führenden Zigarettenhersteller fordert in Großbritannien, den Zigarettenverkauf zu verbieten
  • Der Vorstoß ist Teil einer neuen Unternehmensstrategie von Philip Morris International
  • Auch in Deutschland könnte so eine Forderung einmal Realität werden

Der Tabakkonzern Philip Morris International (PMI) hat die britische Regierung aufgefordert, den Verkauf von Zigaretten innerhalb der nächsten zehn Jahre zu verbieten. Mit einem Verbot dürfte PMI in Großbritannien seine eigenen Marlboro-Zigaretten und andere Marken nicht mehr verkaufen.

Der CEO einer der weltgrößten Tabakkonzerne, Jacek Olczak, sagte dem britischen "Telegraph" am Sonntag, seine Firma blicke "in eine Zukunft ohne Zigaretten". Je früher diese Zukunft Wirklichkeit werde, desto besser. Zigaretten sollten künftig wie Autos mit Verbrennungsmotor behandelt werden, so Olczak. Der Verkauf von Diesel- oder Benzinbetriebenen Pkw wird in Großbritannien ab 2030 verboten sein.

Philip Morris International will sich neu aufstellen

Ein Verbot von Zigarettenverkauf trage dazu bei, Rauchern den Umstieg auf Alternativen zu Zigaretten zu erleichtern, so Olczak weiter. "Mit den richtigen Regulierungen und entsprechender Aufklärung kann das in einigen Ländern innerhalb von zehn Jahren geschehen." Das Problem lasse sich ein für alle Mal lösen, gab sich der CEO zuversichtlich.

Philip Morris International ist derzeit dabei, das Unternehmen neu aufzustellen. Bislang verkauft der Konzern außerhalb der USA unter anderem die Marken Marlboro, L&M und Chesterfield. PMI bietet zudem einen sogenannten Tabakerhitzer an, bei dem keine Verbrennung stattfindet. Der Konzern kämpft mit sinkenden Absatzzahlen im Zigarettengeschäft. Weltweit verkaufte der Hersteller 2020 rund 628,5 Milliarden Glimmstängel. 2012 konnte der Konzern noch rund 927 Milliarden Zigaretten verkaufen.

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    Künftig möchte der Konzern in der Gesundheits- und Wellnessbranche tätig sein. Mehr als die Hälfte seiner Netto-Einnahmen sollen ab 2025 aus dem Verkauf von Nichtraucher-Produkten stammen. Dazu möchte PMI selbst auf den Verkauf von Zigaretten verzichten. Ein Verkaufsverbot in Großbritannien käme dem Konzern daher nicht ungelegen, zwänge es Rauchende doch dazu, sich nach Alternativen umzusehen – die sie wiederum bei Philip Morris International fänden. Weiterlesen: Corona-Podcast – Darum sind Männer stärker gefährdet

    Philip Morris International: Vorstoß könnte auch in Deutschland Realität werden

    In einem Statement unserer Redaktion gegenüber bekannte sich der Tabakkonzern zu seinen neuen Unternehmenswerten. Man gehe die Marktumwandlung ernsthaft an und schrecke auch nicht davor zurück, das Ursprungsgeschäft zu kannibalisieren, so ein Unternehmenssprecher. "Auf dem Weg in eine rauchfreie Zukunft sind aber nicht nur wir als Marktführer im Tabakmarkt gefragt, sondern auch die Regierungen und Behörden weltweit." Bisherige Ansätze wie Warnhinweise auf Zigarettenschachteln oder Rauchverbote stießen an ihre Wirkungsgrenzen. Daher wolle man Rauchenden Anreize bieten, auf schadstoffreduzierte Alternativen umzusteigen.

    In Deutschland hat der Bundestag ein Gesetz zum schrittweisen Verbot von Tabakwerbung auf den Weg gebracht. Kinowerbung ist für Tabakwaren – auch Erhitzer und E-Zigaretten – verboten. Zudem dürfen Hersteller keine kostenlosen Proben etwa auf Festivals mehr verteilen. Bis 2024 soll auch Plakatwerbung für E-Zigaretten verboten werden.

    Von PMI hieß es dazu gegenüber unserer Redaktion: "Großbritannien ist Deutschland in Sachen progressiver Tabakkontrollpolitik voraus." Sollte die Bundesregierung ihre Maßnahmen intensivieren, könnte ein Vorstoß wie der aus Großbritannien auch in Deutschland "in absehbarer Zeit Realität werden", so der PMI-Sprecher.

    Gesundheitsschützende kritisieren Inszenierung

    In Großbritannien hat PMI zuletzt Kritik von Nichtrauchenden-Organisationen auf sich gezogen. Das Unternehmen hatte angekündigt, das britische Pharmaunternehmen Vectura zu kaufen. Eine Milliarde britischer Pfund, umgerechnet rund 1,17 Milliarden Euro, legte PMI für den Kauf des Herstellers von Asthma-Inhalatoren auf den Tisch.

    Kritiker bemängeln, dass PMI sich damit als eine Lösung im Kampf für eine rauchfreie Gesellschaft inszeniere, während weiterhin Tabakprodukte aggressiv beworben und verkauft würden – die Firma also weiterhin Geld mit gesundheitsschädlichen Produkten verdiene. Mehr zum Thema: Studie – E-Zigaretten erhöhen Risiko von Lungenkrankheiten

    PMI etwa konnte seine Einnahmen in den letzten Jahren kontinuierlich steigern, von 7,9 Milliarden Dollar im Jahr 2018 auf zuletzt 8 Milliarden Dollar im Jahr 2020. In den zwölf Monaten bis Ende Juni 2021 nahm der Konzern rund 8,9 Milliarden Dollar ein, eine Steigerung von fast 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

    Vor allem in armen Ländern: Rauchen kann tödlich sein

    Die weltweiten Rauchfrei-Kampagnen zeigen zudem Wirkung. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt die Zahl der Rauchenden ab. Rund 60 Prozent der Staaten verzeichneten zudem einen Rückgang bei der Nachfrage nach Tabakprodukten. Gleichzeitig gilt Tabak weiterhin als eines der tödlichsten Suchtmittel überhaupt: Mehr als acht Millionen Menschen sterben jährlich an Zigaretten, rund 1,2 Millionen allein an Passivrauchen. Über 80 Prozent der Rauchenden stammen zudem aus wirtschaftlich schwachen Staaten. Die Tabak-Pandemie ist also vor allem ein Problem ärmerer Menschen. (pcl)