Berlin. Tesla ärgert sich über die deutsche Bürokratie und unterstützt daher eine Klage der Umwelthilfe. Rückendeckung kommt von der Industrie.

Es geht voran beim neuen Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide, unweit von Berlin. Der Rohbau der „Gigafactory“ ist nahezu fertig, die Suche nach geeigneten Fachkräften ist in vollem Gange, ab Sommer sollen die Bänder rollen und pro Jahr eine halbe Million Elektroautos der Modelle Model 3 und Model Y produzieren.

Nur gibt es bis heute keine Baugenehmigung. Zwar läuft seit 16 Monaten das Verfahren, eine finale Entscheidung steht aber noch aus. Sollte am Ende die Baugenehmigung nicht erteilt werden, müsste Tesla seine Fabrik wieder zurückbauen.

Tesla kritisiert deutsche Bürokratie

Eine solche Bürokratie ist die Firma um Chef Elon Musk von seinen bereits fertiggestellten Gigafactories in Storey County in Nevada und in Buffalo sowie im chinesischen Shanghai sowie bei der sich derzeit im Bau befindenden Fabrik in Austin, Texas, nicht gewohnt.

Nun hat der US-Autobauer seinen Unmut darüber kundgetan, dass es in Deutschland zu langsam und zu aufwendig zugeht, dass die deutsche Bürokratie wichtige Innovationen ausbremse.

Tesla präsentiert sich als „Freund des Gerichts“

„Der deutsche Genehmigungsrahmen für Industrie- und Infrastrukturprojekte sowie für die Raumplanung steht in direktem Gegensatz zu der für die Bekämpfung des Klimawandels notwendigen Dringlichkeit der Planung und Realisierung solcher Projekte“, heißt es in einem Schreiben von Tesla Brandenburg an das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin Brandenburg, das unserer Redaktion vorliegt.

Unterstützung erhält der Autobauer von der deutschen Industrie. „Die deutsche Wirtschaft fordert von der Politik in Bund und Ländern, aus den Erfahrungen mit blockierten Industrieprojekten überall in Deutschland endlich Konsequenzen zu ziehen. Wenn jetzt nicht entschieden gegengearbeitet wird, droht der Investitionsstandort Deutschland nachhaltig Schaden zu nehmen“, sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), unserer Redaktion.

Industrie stärkt Tesla den Rücken

Der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer forderte eine „Entschlackungskur für das Planungs- und Umweltrecht“ in Deutschland. „Deutschland muss mehr Tempo bei der Genehmigungspraxis machen“, sagte Lösch. Da „mehrfache Klageerhebungen“ und „lange Gutachterschlachten“ in Deutschland zur Regel geworden seien, würden die Investitionstätigkeiten gehemmt und Investoren abgeschreckt werden, sagte Lösch.

Er forderte eine bessere Personalausstattung in den Behörden sowie Standards und technische Anleitungen, mit denen Unternehmen Umweltvorschriften einhalten können. „Die Klagebefugnisse von Umweltverbänden müssen auf den europäischen Prüfstand“, forderte Lösch.

Die von Tesla gebaute Autofabrik sei „eine Riesenchance für die Industrie in Ostdeutschland, die zusammen mit den Ansiedlungen weiterer Unternehmen Fertigungsnetzwerke wachsen und die Region prosperieren lässt“, so Lösch.

Tesla sucht den Schulterschluss mit der Deutschen Umwelthilfe

Der US-Autobauer nutzt mit seiner Kritik eine Methode aus den USA: Er wendet sich in einem sogenannten „Amicus Curiae Brief“ an das Gericht, also als „Freund des Gerichts“. Dabei geht es nicht um den eigenen Bau der Tesla Fabrik, sondern um eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Die DUH versucht die Bundesregierung Deutschland zu verpflichten, ein Klimaschutzprogramm aufzustellen, um das nationale Klimaschutzziel 2030 zu erreichen. Gegenüber dem Jahr 1990 hat sich Deutschland darin verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent zu reduzieren.

Tesla unterstützt nun die Klage – zwar ohne eigene Verfahrensrechte, aber mit einer externen Perspektive, die Berücksichtigung finden könnte. Immerhin verspricht der Autobauer, in Grünheide rund 12.000 Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Der Schulterschluss mit der Deutschen Umwelthilfe ist nicht ohne Brisanz: Immerhin wurde Tesla mit dem Bau seiner Gigafactory in Grünheide mehrfach von der Grünen Liga ausgestoppt – einem Kooperationspartner der Deutschen Umwelthilfe.

Die Tesla Gigafactory östlich von Berlin ist fast fertig, eine Baugenehmigung gibt es aber noch nicht.
Die Tesla Gigafactory östlich von Berlin ist fast fertig, eine Baugenehmigung gibt es aber noch nicht. © dpa | Patrick Pleul

Tesla sieht sich selbst als Vorreiter für den Klimaschutz

Nun aber erkennt die Musk Firma in den Umweltschützern keinen Gegner, sondern einen nützlichen Verbündeten. Weil der Musk Firma die „veralteten Verfahren“, wie es in dem Schreiben heißt, aber zu lange dauern, spielt der Elektro-Autobauer die Klima-Karte. Wenn die Grünheider Fabrik wie geplant ab Juli in die Produktion übergehen würde, könnten pro Jahr durch den Bau der 500.000 Elektro-Autos bis zu 15 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden, rechnet Tesla vor.

„Die Beseitigung unnötiger Verzögerungen und die Beschleunigung der endgültigen Genehmigungsentscheidung wird daher dazu beitragen, dass Deutschland seine Ziele, wie sie im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegt sind, erreichen kann“, heißt es in dem Schreiben.

Tesla will zwischen nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Projekten unterscheiden

Der 2003 gegründete Autobauer präsentiert dem Gericht in seinem Brief auch direkt zehn Möglichkeiten, wie Verfahren beschleunigt werden könnten. Eine Idee: Es soll zwischen nachhaltig und nicht-nachhaltig Projekten unterschieden werden. Sind Projekte geeignet, um die Klimaziele zu erreichen, solle es schneller gehen.

Das allerdings sorgt bei Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR-Center Automotive Research, für Kritik: „Es darf nicht darum gehen, ob ein Projekt schneller genehmigt wird, weil es umweltfreundlicher ist. Wenn wir damit anfangen, dann bauen wir noch mehr Bürokratie auf, indem wir uns immer fragen müssen, was jetzt eigentlich unter welchen Bedingungen und wann als umweltfreundlich gilt“, sagte Dudenhöffer unserer Redaktion.

Den grundsätzlichen Vorstoß von Tesla hält der Autoprofessor aber für richtig: „Tesla führt Deutschland vor, wie langsam und schlecht es im Umgang mit Innovationen geworden ist. Seit 30 Jahren versprechen Politiker aller Couleur die Entbürokratisierung, aber es wird immer komplexer und langsamer. Deutschland hat sich in der Bürokratie verheddert.“

Projektmanager und digitale Prozesse sollen Verfahren beschleunigen

Auch ansonsten hat Tesla jede Menge Vorschläge im Gepäck, der vor allem der eigenen Fabrik nützen würden. Anstatt immer auf die langsamste Behörde warten zu müssen – laut Tesla sind mehr als 20 Behörden am Genehmigungsverfahren der Gigafactory beteiligt – solle künftig ein „Projektmanager“ die Befugnis erhalten, den Behörden verbindliche Fristen zu setzen.

Auch solle ein Expertenpool den regionalen Behörden zur Verfügung stellen, Genehmigungsprozesse und Öffentlichkeitsbeteiligungen sollten digitalisiert und die Dokumentationspflicht standardisiert werden.

Deutsche Umwelthilfe begrüßt den Vorstoß

Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion überrascht über Teslas Vorstoß. „Wenn dieser Brief ans Gericht aber dazu führt, dass die bürokratischen Prozesse in Deutschland beschleunigt werden ohne dass Umweltstandards gesenkt werden, dann hat Tesla mit seiner Stellungnahme einen positiven Effekt erzielt“, sagte Resch.

Die Schnellgenehmigungen für die Pop-Up-Radwege hätten gezeigt, dass Verfahren auch in wenigen Wochen anstatt in mehreren Jahren funktionieren können. Auch gegenüber anderen Vorschlägen zeigt sich Resch offen: „Behörden die Eingaben per Email statt CDs erlauben, Wortprotokolle deren Erstellung nur Tage und keine fünf Monate dauert und die Einrichtung von Expertenpools sind gute Vorschläge, die schnell realisiert werden könnten.“

Tesla will Nutzen von Projekten abwiegen

In einem anderen Punkt ist er aber skeptisch: Tesla Brandenburg schlägt vor, indirekte Umweltauswirkungen in Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Tesla argumentiert, dass aufgrund geringfügiger lokaler negativer Auswirkungen auf Umwelt und Natur so Investitionen in Projekte mit großen positiven Folgen für die Umwelt gestoppt werden könnten.

Eine Argumentation, die wenig verwundert. Während sich Tesla Brandenburg in seinem Schreiben als Unternehmen vorstellt, das „maßgeblich zur Bekämpfung des gefährlichen Klimawandels beiträgt“, reagierte Elon Musk zuletzt auf Recherchen des ZDF zum hohen Wasserverbrauch des Tesla-Werks dünnhäutig und schrieb auf Twitter: „Wow, shame on ZDF Info!“ (übersetzt: Wow, schämt euch ZDF Info!“). In der Diskussion geht es darum, ob es aufgrund der Produktion zu Einschränkungen beim Trinkwasser kommen könnte.

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Zauneidechse bremste Bau bereits aus

Und auch sonst hat Tesla bereits Überraschungen mit dem deutschen Umweltschutz erlebt. Die Grüne Liga, die mit der Deutschen Umwelthilfe kooperiert, stoppte etwa die Rodung von Bäumen auf dem Gelände. Anschließend bremste die Zauneidechse den Bau aus, nachdem sich der NABU und die Grüne Lage beschwert hatten. Sie sahen den Artenschutz der Zauneidechsen und Schlingnattern gefährdet.

Bei aller Freude für die plötzliche Rückendeckung der Musk-Firma, in diesem Punkt zeigt sich Jürgen Resch nicht verhandlungsbereit. „Übergeordnete Umweltentlastungen dürfen auch im Falle von Tesla nicht gegen lokale Interessen wie die eines minimierten Wasserverbrauchs oder auch der Schutz der Zauneidechse ausgespielt werden“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.