Berlin. Die Energiewende bezahlt jeder Verbraucher über die EEG-Umlage auf der Stromrechnung. Ohne Steuer-Milliarden würde sie massiv steigen.

Dass an der Energiewende im Kampf gegen den Klimawandel kein Weg vorbeiführt, daran zweifeln immer weniger Menschen. Doch die Milliarden-Kosten für das Projekt laufen aus dem Ruder. Im kommenden Jahr kann die Ökostrom-Abgabe, die jeder Haushalt und die meisten Unternehmen mit der Stromrechnung zahlen, nur durch einen tiefen Griff in die Staatskasse leicht gesenkt werden. Damit die sogenannte EEG-Umlage auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde sinkt, muss die Bundesregierung 10,8 Milliarden Euro lockermachen.

Das gaben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW am Donnerstag bekannt. Die Kritik darauf folgte sofort: „Die Bundesregierung verhindert nur mit einem massiven Zuschuss aus dem Bundeshaushalt eine Kostenexplosion bei der EEG-Umlage“, sagte Michael Theurer, Vize-Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag, unserer Redaktion.

So hoch wäre die EEG-Umlage ohne den Milliarden-Zuschuss

Ohne den Milliarden-Zuschuss aus Steuergeld wäre die Ökostrom-Umlage 2021 von derzeit 6,76 auf 9,65 Cent je Kilowattstunde in die Höhe geschossen. Die EEG-Umlage macht fast ein Viertel des Strompreises aus. Nur besonders energieintensive Unternehmen sind befreit – wegen des hohen Strompreises in Deutschland sollen sie so international wettbewerbsfähig bleiben.

Mit der EEG-Umlage wird eine garantierte Vergütung für den Strom aus Solaranlagen, Windrädern, Biomasse- und Wasserkraftwerken finanziert. Insgesamt kostet dies im kommenden Jahr 33,1 Milliarden Euro.

Zwar wird Ökostrom immer billiger und dürfte bald auch ohne Subventionen rentabel sein. Durch neue Ökokraftwerke, die 2021 in Betrieb gehen, steigen die Kosten nach Angaben der Netzbetreiber nur noch um 0,7 Prozent. Doch wer etwa eine Solaranlage betreibt, erhält seit dem Jahr 2000 gezahlte Förderung 20 Jahre lang.

Da Ökokraftwerke der ersten Stunde sehr teuer waren, fiel die Förderung entsprechend hoch aus – und sie wurde über die Jahre nicht immer an die sinkenden Marktpreise angepasst. Das hat die EEG-Umlage überproportional steigen lassen. Zum Jahreswechsel fallen die ersten Anlagen aus der Förderung.

Corona-Krise sorgt für massiven Kostenanstieg

Die jetzt eintretenden massiven Zusatzkosten sind jedoch vor allem eine Folge der Corona-Pandemie. Wegen der Krise dürfte der Stromverbrauch in diesem Jahr um rund acht Prozent sinken. Das hat den Börsenstrompreis um 22 Prozent einbrechen lassen. Der in Öko-Kraftwerken erzeugte Strom ist also derzeit deutlich weniger wert. Das lässt den Zuschussbedarf für die garantierten Abnahmepreise nun so stark steigen.

Die Kritik an der Preisexplosion ist enorm. Die Grünen im Bundestag zielen vor allem auf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ab. Dieser treibe mit einer „krausen Mischung aus Missmanagement, Desinteresse und stoischem Nichtstun“ die Kosten der Energiewende in die Höhe, sagt Fraktionsvize Oliver Krischer unserer Redaktion.

FDP fordert Ausstiegspfad aus der Dauersubvention

Überbordende und fragwürdige Ausnahmen in Milliardenhöhe für einzelne Industriebereiche würden die Kosten für private Verbraucher und nicht-privilegierte Wirtschaft nach oben treiben. „Seit Jahren ist eine Reform der Abgaben und Entgelte beim Strom überfällig und von der großen Koalition auch angekündigt, aber passiert ist exakt nichts“, stellt Krischer fest. Es mangele an einem Energieminister, der Kraft, Interesse und Willen hätte, das Thema anzupacken.

Krischer spricht sich dafür aus, die EEG-Umlage durch einen Preis für den Ausstoß von Kohlendioxid zu ersetzen: „Wir müssen weg von einem System an Entgelten und Umlagen, die aus den Zeiten von Atom und Kohle stammen und Flexibilität und Effizienz bestrafen.“

FDP-Energieexperte Theurer fordert einen Ausstiegspfad aus der Dauersubvention für Ökostrom und reibt sich ebenfalls am Bundeswirtschaftsminister: „Herr Altmaier hat versprochen, die erneuerbaren Energien in den Wettbewerb zu überführen. Er muss endlich liefern.“

Verbraucher zahlen Zusatzausgaben über CO2-Preis auf Benzin und Erdgas

Der Bund will den Zuschuss von 10,8 Milliarden Euro aus den Einnahmen des neuen Emissionshandels für fossile Brennstoffe finanzieren. Dieser startet 2021 und wird Benzin um sieben Cent je Liter und Erdgas um 0,5 Cent je Kilowattstunde verteuern – Verbraucher zahlen die Rechnung für die hohen Kosten der Energiewende künftig also doppelt.

Die Bundesregierung erwartet in den Jahren 2021 bis 2023 durch den Emissionshandel zusätzliche Einnahmen von 27 Milliarden Euro, also im Schnitt rund neun Milliarden Euro im Jahr. Sie sollen 2022 auch ein weiteres Absinken der EEG-Umlage auf dann 6 Cent je Kilowattstunde finanzieren.

In der Stromrechnung enthalten ist auch die sogenannte Offshore-Netzumlage. Diese sinkt im kommenden Jahr minimal um 0,02 auf 0,395 Cent je Kilowattstunde. Damit finanzieren Verbraucher Entschädigungszahlungen für Kraftwerksbetreiber, die wegen Störungen oder Verzögerungen beim Aufbau von Stromnetzen für Windparks in Nord- und Ostsee ihre Energie nicht ins Netz einspeisen können.

Unterm Strich dürfte Strom für die Haushalte 2021 dennoch oftmals teurer werden: Erste lokale Netzbetreiber wie etwa in Berlin haben bereits höhere Netzentgelte bekannt gegeben. Auch sie sind ein Bestandteil des Strompreises. Ein Durchschnittshaushalt muss deshalb wohl knapp acht Prozent mehr bezahlen.