Berlin. Der US-Autobauer Tesla kämpft mit Problemen. Nun muss auch noch das neue Werk in Grünheide in Brandenburg heruntergefahren werden.

Gerade einmal dreieinhalb Monate ist es her, als Elon Musk über die glänzende Produktionsstraße in seiner neuen Fabrik tanzte. Zu den Takten des Queen-Klassikers „I’m In Love with My Car“ übergab der reichste Mensch der Welt das erste für den freien Verkauf in Grünheide hergestellte Auto. Eine Erfolgsgeschichte made in Brandenburg. Nur wenige Kilometer vom Chaosflughafen BER entfernt hatte Musk in Rekordzeit seine neue Gigafactory aus dem Boden gestampft. Deutschland brauche mehr „Tesla-Geschwindigkeit“, fand Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) damals.

Doch die „Tesla-Geschwindigkeit“ scheint derzeit stark ausgebremst zu sein. Es läuft nicht mehr rund. Weder in Grünheide. Noch bei Tesla insgesamt. Wie das Fachmagazin „Teslamag“ berichtet, soll nun die Produktion im Werk in der brandenburgischen Provinz ab Juli für zwei Wochen ruhen. Mit dem Verweis auf „gut informierte Quellen“ berichtet das Portal, dass künftig die Produktion der E-Autos schneller gehen soll. Pro Station sollen die Handgriffe eigentlich binnen 90 Sekunden erledigt sein. Laut „Teslamag“ dauert es derzeit doppelt so lange. Pro Tag würden die Beschäftigten in Grünheide so lediglich 86 Autos des Model Y produzieren. Lesen Sie auch: Gigafactory: So lief die Eröffnung des neuen Tesla.Werks

Elon Musk Zielsetzung ist eine ganz andere. Bis zu 10.000 Autos sollten eigentlich vom Band in Grünheide rollen – pro Woche. Insgesamt eine halbe Million Fahrzeuge sollten pro Jahr aus Brandenburg kommen. Dieses Ziel droht nun krachend zu scheitern. Dabei geht es offenbar nicht nur während der einzelnen Arbeitsphasen zu langsam. Immer wieder gab es jüngst Berichte über Mängel an den Fahrzeugen, die nachgebessert werden müssten – auch das frisst Zeit.

Tesla-Werk Grünheide soll drei Mal schneller arbeiten als bislang

Ein Sprecher des IG-Metall-Bezirks Berlin, Brandenburg und Sachsen bestätigte den zeitweisen Produktionsstopp im Tesla-Werk Grünheide. „Nach unseren Informationen ist die Betriebsruhe schon länger geplant und nicht durch die aktuelle Unruhe um Tesla verursacht“, sagte er unserer Redaktion. Demnach soll die Betriebsruhe kommende Woche starten, zwei Wochen dauern und weite Teile der Produktion betreffen. Tesla selbst äußerte sich auf Anfrage bisher nicht zu den Plänen. Lesen Sie auch: Elon Musk: So rechts ist der reichste Mann der Welt

Ist der Umbau abgeschlossen, soll es deutlich schneller gehen als bisher – und sogar schneller als ursprünglich geplant. Anstatt der ursprünglich angesetzten 90 Sekunden soll künftig jeder Handgriff pro Station binnen 30 Sekunden sitzen, berichtet „Teslamag“. Der ein oder andere dürfte sich angesichts solcher Zielsetzungen an die „Produktionshöllen“ erinnert fühlen, über die Musk einst selbst in Bezug auf seine Fabriken sprach.

Meistverkaufte Tesla-Modelle wegen Softwareproblemen zurückgerufen

Grünheide ist dabei nicht das einzige Problem, mit dem sich Musk herumschlagen muss. Im zweiten Quartal des aktuellen Jahres verkaufte der Elektropionier weltweit 258.800 Autos – rund 50.000 Fahrzeuge weniger als noch im ersten Vierteljahr. Ein Problem: Während andere Autobauer wie etwa Mercedes-Benz sich komplett auf das margenstarke Luxussegment konzentrieren, stockt bei Tesla der Verkauf der hochpreisigen Autos. Gerade einmal 16.411 Fahrzeuge vom Typ Model X etwa – Kostenpunkt: rund 110.000 Euro – und des Sportmodells Model S (rund 100.000 Euro) konnte Tesla im zweiten Quartal verkaufen. Die preiswerten Modelle Model 3 und Model Y machen damit 94 Prozent des Absatzes aus.

Doch ausgerechnet diese Modelle machen derzeit Probleme. Wie das Kraftfahrt-Bundesamt mitteilte, muss Tesla weltweit 59.129 Fahrzeuge der Modelle 3 und Y zurückrufen. Sie würden einen Softwarefehler beinhalten, der zum Ausfall des E-Call-Systems führen könne. Betroffen seien Autos des Baujahrs 2022.

Es hapert an vielen Ecken und Enden. Für Elon Musk ist das noch kein Grund, nun kleine Brötchen zu backen. Im Juni kündigte er an, dass Mitarbeiter, die im Homeoffice arbeiten wollen würden, gefeuert werden würden. Vor zwei Wochen kündigte Tesla an, rund 3,5 Prozent der Stellen abbauen zu wollen – was etwa 3000 Stellen entsprechen würde. Gleichzeitig fällt es Tesla schwer, Fachkräfte für sein Werk in Grünheide anzuwerben.

Auto-Experte Dudenhöffer: Elon Musk hat Deutschland nicht verstanden

„In Grünheide herrscht jede Menge Tohuwabohu. Musks Mitarbeiterkultur ist schrecklich. Er feuert die Leute, zahlt wenig und stellt riesige Anforderungen“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Dusiburgers Center Automotive Research (CAR) unserer Redaktion. Es sei naiv von Musk, zu glauben, dass dies in Deutschland auf Dauer funktioniere. „Elon Musk hat Deutschland nicht verstanden, er kennt das Land und die Arbeitskultur noch zu schlecht“, sagt der Autoexperte. Hinzu komme: Es seien viele neue Maschinen, etwa die größte Gießmaschine im Automobilsektor überhaupt, im Einsatz. Wie zuverlässig diese funktionieren würden, sei noch unklar.

Dass im Grünheider Werk Unmut herrscht, ist auch der IG Metall bekannt. „Uns erreichen viele Berichte dazu. Es sorgt für Unzufriedenheit, dass es unterschiedliche Löhne unter den Mitarbeitern gibt. Wer heute eingestellt wird, bekommt mehr als jemand, der schon länger im Werk arbeitet“, sagte der IG-Metall-Sprecher. Das hänge auch mit der Inflation zusammen. Insgesamt sind die Löhne im Werk der IG Metall zufolge aber deutlich niedriger als in anderen Automobilbetrieben in der Region, in denen nach Tarif bezahlt wird. Besonders bei Facharbeitern seien die Unterschiede groß; fast 20 Prozent betrage dort die Differenz, so die IG Metall. Auch interessant: Elon Musk: Kind des Tesla-Chefs sorgt für Wirbel

Tesla hat Probleme, Mitarbeiter für Grünheide-Werk zu finden

Folgen hat das für die hohen Ziele von Tesla, bis zum Jahresende die Zahl der Beschäftigten auf rund 12.000 zu erhöhen. „Nach unseren Informationen hat Tesla Schwierigkeiten mit der Rekrutierung, einfach weil die Konditionen nicht so gut sind. Dadurch ist es natürlich schwierig, jemanden zu finden oder abzuwerben“, sagte der Sprecher. Auch wenn viele durchaus Interesse hätten, zu Tesla zu wechseln, würden sie sich am Ende dagegen entscheiden, eben weil sie bei ihren jetzigen Arbeitgebern mehr verdienen würden.

Jahrelang ist Tesla den deutschen Autobauern vorweggefahren. Nun schmilzt laut Dudenhöffer der Vorsprung. Noch sei Tesla bei der Batterie überlegen und auch die deutschen Autobauer würden sich immer wieder mit technischen Problemen quälen. Doch die Konkurrenz hole auf. Volkswagen etwa wird am Donnerstag den Grundstein zur ersten Batteriezellfertigung des Konzerns in Salzgitter legen. „In der Automobilindustrie zählt nicht nur der einmalige große Wurf. Es geht um Stabilität, Kontinuität und Qualität“, sagt Dudenhöffer.

Brandenburgs Wirtschaftsminister will Probleme bei Tesla nicht kommentieren

Für Brandenburg war das Tesla-Werk bislang Hoffnungsträger und Vorzeigeprojekt. Der Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) verwies am Montag auf Nachfrage zur derzeitigen Situation im Werk auf die „Folgen der Coronapandemie sowie die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine“. Diese stellten die Wirtschaft allgemein vor Herausforderungen stellen. „Davon bleibt vermutlich auch Tesla nicht unberührt“, so Steinbach.

Die konkrete Ausrichtung der Fertigung, das Qualitätsmanagement oder eventuelle Schwierigkeiten bei der Mitarbeitergewinnung wollte Steinbach nicht kommentieren – solche Fragen müsse das Unternehmen selbst beantworten. Zur Zukunft des Werks in Grünheide äußerte sich der Sozialdemokrat aber durchaus mit Zuversicht. „Sicherlich ist die Hochlaufphase einer Fabrik eine besondere Zeit, die an der ein oder anderen Stelle auch Nachjustierungen verlangt“, sagte Steinbach. „Ich gehe aber davon aus, dass Tesla die richtigen Entscheidungen trifft, um die Fabrik gut aufzustellen.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.