Berlin. Die deutsche Wirtschaft sorgt sich um ihr Großbritannien-Geschäft. So stark sind die Handelsbeziehungen seit dem Brexit zurückgegangen.

Die deutsche Wirtschaft blickt mit Sorge auf den Streit um Brexit-Kontrollen in Nordirland. „Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist es besorgniserregend, dass das Austrittabkommen samt Nordirlandprotokoll seit dem vollzogenen Brexit durch Großbritannien immer wieder infrage gestellt wird“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unserer Redaktion. „Damit wird auch das gesamte UK-Geschäft für deutsche und europäische Unternehmen unsicherer.“

Nordirland hatte am Mittwoch überraschend angekündigt, die Kontrollen für Güter aus Großbritannien auszusetzen. London gab dafür Rückendeckung, die EU rief die Briten auf, sich an ihre internationalen Verpflichtungen zu halten. Am Freitag stoppte ein ein Gericht in Belfast den Vorstoß vorläufig.

DIHK-Chef Wansleben betonte, die EU sollte weiter entschlossen agieren und für die europäischen Wirtschaftsinteressen eintreten. „Auch die britischen Pläne zum Abweichen von EU-Regeln und Standards etwa im Datenschutz, bei Lebensmitteln oder in der Chemie erhöhen ganz konkret die Transaktionskosten für deutsche Unternehmen im UK-Geschäft“, sagte er.

Deutsche Unternehmen beschäftigen 400.000 Menschen in Großbritannien

Angesichts der engen Vernetzung der Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals sei für die Unternehmen eine positive Zukunftsagenda von Europäischer Union und Großbritannien dringend nötig.

So haben deutsche Unternehmen in Großbritannien rund 2500 Niederlassungen mit über 400.000 Beschäftigten. Britische Firmen kommen auf 1500 Niederlassungen in Deutschland mit rund 300.000 Mitarbeitern. So trifft das Brexit-Chaos deutsche Firmen

Bald nicht mehr unter den wichtigsten Handelspartnern

Die seit dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 anhaltende Verunsicherung schlage sich laut DIHK in einem immer weiter sinkenden Handelsvolumen nieder. Seither sei das Vereinigte Königreich von Platz 5 auf aktuell Platz zehn der wichtigsten Handelspartner gerutscht. Ein Jahr nach dem Brexit herrscht in Großbritannien Katerstimmung.

„Aufgrund der Entwicklung und der bestehenden Herausforderungen erwartet der DIHK für das laufende Jahr 2022 einen weiteren Rückgang der Im- und Exporte“, sagte Wansleben. „Dann könnte das Vereinigte Königreich in der Liste Deutschlands wichtigster Handelspartner sogar ganz aus den Top 10 herausfallen.“

Das Handelsvolumen zwischen der Bundesrepublik und Großbritannien hatte 2015 seinen Höhepunkt erreicht. Im Jahr vor dem Brexit-Votum tauschten die Länder Waren im Wert von 127,4 Milliarden Euro aus. Laut DIHK könnte das Handelsvolumen 2021 erstmals seit zehn Jahren die Schwelle 100 Milliarden Euro unterschreiten.

Vor 70 Jahren, also 1952, dem Jahr der Krönung von Queen Elisabeth II., lag das Handelsvolumen bei rund 760 Millionen Euro.