Berlin. Geringverdiener und Menschen mit Behinderung haben einer Studie nach schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt. Verbände fordern Hilfe.

Hohe Mieten und steigende Energiekosten verteuern das Wohnen. Was lange ein Problem der Metropolen gewesen ist, kommt nun auch immer mehr in kleineren Städten an. Mit gravierenden Folgen insbesondere für Geringverdiener, die es schwer haben, bei der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung überhaupt berücksichtigt zu werden – aber auch für Menschen mit Behinderungen, wie eine aktuelle Studie des Hannoveraner Pestel-Instituts zeigt.

„Das in der UN-Behindertenrechtskonvention postulierte Ziel des inklusiven Wohnens auch für Menschen mit schweren Behinderungen ist in Zeiten der Wohnungsknappheit kaum erreichbar, da für viele Vermieter Menschen mit Behinderungen als potenzielle „Problemmieter“ gelten“, heißt es in der Studie, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.

Wohnen: Menschen mit Behinderung haben es schwerer auf dem Wohnungsmarkt

Familien, Alleinerziehende, Schwangere, Menschen mit einem geringen Einkommen oder eben mit einer Behinderung würden durch den Wohnungsmangel zunehmend ausgegrenzt. „Je knapper das Gut Wohnung, desto geringer sind die Chancen der genannten Gruppen, sich selbst angemessen mit Wohnraum zu versorgen“, heißt es in der Studie, die im Auftrag eines Verbändebündnisses erstellt wurde, zu dem sich die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBD), der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft IG BAU sowie die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel zusammengeschlossen haben.

„Auf dem Wohnungsmarkt spielt sich ein ‚soziales Drama‘ ab“, sagte die Geschäftsführerin der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, Janina Bessenich. Rund jeder zehnte Deutsche hat derzeit laut der Studie eine Schwerbehinderung. Meist trifft es dabei Seniorinnen und Senioren über 65 Jahren.

Rund 805.000 Menschen, zumeist jüngere, hätten hingegen eine Behinderung, für die sie eine sogenannte Eingliederungshilfe benötigen. Allerdings leben nur rund 200.000 Menschen mit Schwerstbehinderungen in spezialisierten Einrichtungen, sagte Bessenich. Andere würden ambulant mit Betreuung leben. Aber: „Auch jeder Mensch mit Behinderung hat das Recht in der eigenen Wohnung zu leben", sagte Bessenich. Viele hätten aber Probleme, auf dem Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden. „Es sind nicht nur Zahlen, es sind menschliche Schicksale", sagte Bessenich.

Verbände fordern Härtefallkommission

Das Verbändebündnis sprach sich dafür aus, dass jede zehnte neue Sozialwohnung für Menschen mit Behinderungen vorgehalten werden sollte. Zugleich sei der Anteil der behindertengerechten Mietwohnungen erheblich auszubauen. In den Gemeinden und Stadträte sollten Härtefallkommissionen über die Vergabe der Sozialwohnungen an besonders Bedürftige entscheiden, forderten die Verbände. In diesen Kommissionen sollten auch Betroffene vertreten sein.

Insgesamt beziffert die Studie des Pestel-Instituts bundesweit den Mangel auf rund 450.000 Wohnungen. Ein Problem seien dabei die regionalen Unterschiede. Denn theoretisch könnte der Bedarf an Wohnraum gedeckt werden, rund eine halbe Million Wohnungen stehen leer.

Aber: „Eine Verrechnung der Defizite mit den Überhängen ist nicht möglich, weil die Menschen in der Regel wegen ihres Arbeitsplatzes oder wegen persönlicher Beziehungen nur einen begrenzten Suchradius für den angestrebten Wohnraum haben“, heißt es in der Studie.

Studie: Vorhaben der Ampel-Koalition könnte Defizit beheben

Wolle man die Wohnungsnot lindern, brauche es daher Neubau. Die Bundesregierung selbst plant, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Sollte sie ihr Ziel erreichen, könnte das tatsächlich schnell helfen, heißt es in der Studie: „Die Schaffung von 400.000 Wohnungen je Jahr wird für einen nahezu vollständigen Wohnungsdefizitabbau bis 2025 sorgen.“

Um das Wohnen aber auch tatsächlich bezahlbar zu machen, brauche es mehr Sozialwohnungen, in denen der Quadratmeter für maximal 6,50 Euro vermietet wird oder auch bezahlbare Wohnungen mit einem Preisdeckel von 8,50 Euro pro Quadratmeter.

Verbände fordern mehr Zuschüsse

Fördert die Ampel-Koalition wie im Koalitionsvertrag vereinbart pro Jahr den Bau von 100.000 neuen Sozialwohnungen und schafft zusätzlich 60.000 bezahlbare Wohnungen pro Jahr, müssten die Fördersummen der Studie zufolge deutlich steigen.

Je nachdem, wie klimafreundlich die Gebäude sein sollen, würde die Förderung durch den Bund zwischen 6 und 12,9 Milliarden Euro liegen müssen, heißt es in der Studie. Derzeit fördert die Bundesregierung den Bau von Sozialwohnungen mit einer Milliarde Euro pro Jahr, eine weitere „Klimamilliarde“ soll hinzukommen.