München. Immer häufiger werden in Restaurants Roboter eingesetzt – auch, aufgrund des Personalmangels. Sieht so die Zukunft der Gastronomie aus?

„Lassen Sie mich bitte durch – die Gäste warten schon!“ Bella hat es eilig. Mit einem Teller frisch zubereitetem Sushi bahnt sie sich ihren Weg zwischen den hellen Holztischen, der Bar und den herumstehenden Menschen hindurch bis zu dem Platz, an dem das Gericht bestellt wurde. Bella ist die neueste Mitarbeiterin im Restaurant Shao Kao in der Münchner Innenstadt. Und eine, die ganz schön viel arbeitet. Sie trägt vier Tabletts mit bis zu 40 Kilogramm Speisen und Getränken gleichzeitig, bedient, wenn nötig, auch 24 Stunden am Stück und macht niemals Urlaub. Allerdings ist Bella keine gewöhnliche Servicekraft – sondern ein Roboter.

Fast geräuschlos bewegt sich das ­circa 1,30 Meter große Gefährt an den großen Fenstern vorbei durch den hellen Raum und erinnert dabei ein wenig an die fröhlichen Droiden aus den „Star Wars“-Filmen. Aus einem niedlichen Katzengesicht heraus schaut Bella einen durch zwei große Kulleraugen freundlich an. Streichelt man über die spitzen Ohren auf ihrem Kopf, freut sie sich und miaut: „Wie schön!“

Im Restaurant Shao Kao arbeiten gleich zwei BellaBots

Im asiatischen Fusion-Restaurant Shao Kao in München sind gleich zwei dieser ungewöhnlichen Mitarbeiterinnen angestellt. Eigentlich wollten ­Peirong Chen und seine Frau Akiko das dreistöckige Restaurant in der Kaufingertor-Passage unweit des Marienplatz schon längst eröffnen, doch aufgrund der sich verschärfenden Corona-Lage konnten sie bisher nur mit Teilen des knapp 670 Quadratmeter großen Lokals starten.

Das Konzept des Shao Kao ist ungewöhnlich, die Chens vereinen hier gleich drei Restaurants in einem: Während das Erdgeschoss ein asiatisches Schnellrestaurant mit frischen Nudelgerichten und Sushi beherbergt, warten sowohl im Ober- als auch im Untergeschoss zwei gehobenere Lokale auf die Gäste. Unten ein koreanisches Grill-Restaurant und oben ein modernes Restaurant mit asiatischer Fusion-Küche und edlem Interieur – in beiden Etagen sind die Bellas im Einsatz.

Service-Roboter in Asien keine Seltenheit mehr

Die heißen eigentlich Bella Bot und sind Roboter des chinesischen Herstellers Pudu Robotics aus Shenzhen. Einer der führenden Hersteller im asiatischen Raum. Dort sind die technischen Assistenten schon in vielen Gastronomiebetrieben Alltag. „In China, Südkorea oder Japan wundert sich fast niemand mehr, wenn einen plötzlich ein Roboter bedient“, sagt auch Sha He. Er ist der Geschäftsführer der Firma Digpanda, Generalimporteur von Pudu Robotics in Deutschland, Österreich und der Schweiz und exklusiver Vertriebspartner. Bella Bot ist derzeit der fortgeschrittenste der Roboter und auch sein Bestseller, erzählt He.

Bella ist allerdings nicht nur niedlich, sondern auch eine große Hilfe im Gastronomiebetrieb. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Speisen und Getränke zu den Kunden und schmutziges Geschirr zurück in die Küche zu transportieren. „Der Roboter übernimmt eine Art Brückenfunktion zwischen Theke, Küche und Gästen“, erklärt He. Das Personal positioniert die Teller auf einem der vier Tabletts des Roboters, wählt auf dem Touchdisplay aus, zu welchem Tisch das Essen gebracht werden muss und schon fährt Bella los.

Bella bewegt sich eigenständig durch das Restaurant

Dabei orientiert sie sich per Laser im Raum. Über einen 3D-Sensor erkennt sie außerdem, ob sich auf ihrem Weg möglicherweise Hindernisse befinden und kann dann je nach Situation ausweichen oder aber abbremsen. Sobald Bella am richtigen Tisch angekommen ist, stoppt sie und verkündet mit ihrer hellen, weiblichen Stimme: „Lieber Gast, Ihr Essen ist da!“ Wurden die Teller von dem jeweiligen Tablett heruntergenommen, erkennt Bella dies automatisch und fährt weiter – zum nächsten Tisch oder aber zurück in die Küche.

Das Shao Kao ist nicht das erste Restaurant, in dem Peirong Chen die Roboter einsetzt. In österreichischen Dornbirn in Vorarlberg betreibt er bereits ein ganz ähnliches Restaurant, auch hier sind zwei Roboter angestellt, Vorgängermodelle von Bella Bot. „Am Anfang mussten sich die Mitarbeiter natürlich erst mal an die Roboter gewöhnen, aber mittlerweile können sie gar nicht mehr ohne sie“, erzählt Chen. Und die Roboter haben noch einen weiteren Vorteil. „Er will am Ende des Abends keinen Anteil des Trinkgeldes“, sagt Chen scherzhaft.

Restaurantinhaber Peirong Chen mit Roboter Bella. In zwei seiner Restaurants sind die Roboter bereits im Einsatz.
Restaurantinhaber Peirong Chen mit Roboter Bella. In zwei seiner Restaurants sind die Roboter bereits im Einsatz. © Reto Klar / Funke Foto Services

Knapp 100.000 Servicekräfte verließen Gastgewerbe

Rund 20.000 Euro kostet ein Bella Bot. Das ist keine kleine Anschaffung, aber eine, die sich lohnt, wie Chen meint. „Ich finde es wichtig, dass auch die Gas­tronomie moderner wird“, sagt der erfahrene Restaurantbetreiber. Die Anschaffung der Bellas hatte aber auch praktische Gründe. Die Pandemie hinterließ deutliche Spuren im Gastgewerbe, zahlreiche Servicekräfte schulten während der Lockdowns um und kehrten der Branche den Rücken zu. Rund 100.000 Beschäftigte verlor das Gastgewerbe allein im Zeitraum zwischen September 2019 und September 2021, heißt es vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Ein Rückgang von über acht Prozent.

Hier können die Roboter Abhilfe schaffen. Ein Bella Bot könne ungefähr ein bis zwei Servicekräfte kompensieren, so hat es Chen berechnet. Ersetzen allerdings werden die Roboter menschliche Mitarbeitende nicht, davon ist er überzeugt. „Die Menschen brauchen den persönlichen Kontakt, das kann ein Roboter nie schaffen. Er kann nur eine Hilfe sein“, erklärt der Gastronom.

Roboter werden menschliche Servicekräfte nicht verdrängen

Das sieht auch Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga-Bundesverbandes so. Roboter könnten ihrer Meinung nach zwar in einigen Bereichen Alternativen zum klassischen Service bieten, aber „die persönliche Ansprache, die individuelle Beratung und der aufmerksame Service – kurzum gelebte, herzliche Gastlichkeit – sind durch nichts zu ersetzen“, sagt sie. Dass Roboter irgendwann menschliches Servicepersonal verdrängen könnten, davon geht allerdings auch Digpanda-Geschäftsführer He nicht aus. „Die Roboter übernehmen derzeit außerdem hauptsächlich Stellen, die gar nicht anderweitig besetzt werden konnten“, ergänzt er.

Entgegen aller Vorurteile, meint He, würde die Servicequalität durch die Roboter sogar noch gesteigert werden. „Das Holen und Bringen von Speisen und Getränken macht normalerweise rund 40 bis 50 Prozent der Arbeitszeit aus“, erklärt er. Wenn allerdings Bella das Servieren übernehme, bleibe den Kellnern und Kellnerinnen mehr Zeit für den Kontakt mit den Gästen. Das sieht auch Chen als großen Vorteil an: „Für mich ist das wichtigste, dass das Servicepersonal so mehr Zeit für den Kunden hat und weniger damit beschäftigt ist, hin- und herzulaufen.“

Auf vier Tabletts kann Bella bis zu 40 Kilogramm Speisen transportieren.
Auf vier Tabletts kann Bella bis zu 40 Kilogramm Speisen transportieren. © Reto Klar / Funke Foto Services

BellaBot auch bei Gästen beliebt

Für die Gäste ist Bella eine Attraktion. „Insbesondere die Kinder mögen die Roboter“, sagt Chen. Dafür sorgt vor allem auch das niedliche Antlitz des Roboters und die Interaktion mit den Gästen, beispielsweise über das Streicheln am Kopf. Das kann Bella allerdings auch manchmal zu viel werden. Dann wird ihr Gesicht gar nicht mehr so freundlich und sie erklärt: „Hören Sie auf, meine Ohren anzufassen!“ Schon im nächsten Moment ist sie aber wieder gewohnt höflich. Auch Gast Martin Opitz findet Gefallen an dem kleinen technischen Helfer. „Das ist schon faszinierend“, sagt er. Allerdings erklärt auch er: „Nur ganz ohne menschlichen Kontakt fände ich es schwierig.“

Für Peirong Chen haben sich die Bellas bisher bewährt. Er plant schon die Eröffnung weiterer Restaurants, auch dort will er die Roboter einsetzen. Doch erst einmal muss das Geschäft in München richtig starten – wahrscheinlich sei das erst im neuen Jahr der Fall, wenn sich die Corona-Situation hoffentlich etwas entspannt habe, sagt Chen. Auch in der Pandemie hätten die Bellas jedoch einen entscheidenden Vorteil: „Man muss ihnen kein Kurzarbeitergeld zahlen.“