Berlin. Die große Mehrheit der GDL-Mitglieder will streiken. Der Ausstand könnte lange andauern – weil die GDL nicht nur auf mehr Geld aus ist.

  • Die Lokführer der GDL werden streiken
  • Ihre Gewerkschaft fordert mehr Geld und eine Corona-Prämie
  • Im Hintergrund schwelt noch ein ganz anderer Konflikt

Rechtzeitig ankündigen wollte Claus Weselsky, der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Streiks bei der Deutschen Bahn. Doch dann ließ er den Bahnkunden sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr nur wenig Zeit zur Vorbereitung. Um elf Uhr am Dienstag gab er das Ergebnis der Urabstimmung über den Arbeitskampf bekannt. Acht Stunden später sollten die erste Güterzüge stillstehen. Sieben Stunden später war der Personenverkehr dran. Bis zum kommenden Freitag, 2:00 Uhr morgens, treten die Lokführer in den Ausstand. Wo genau gestreikt wird, ließ Weselsky offen. „Das ist ein bundesweiter Streik“, betonte er nur.

Wie stark der Bahnverkehr beeinträchtigt wird, lässt sich erst im Verlauf der beiden Tage genau sagen. Wahrscheinlich wird es im Nahverkehr bei den S-Bahnen besonders starke Ausfälle geben. Hier ist der Organisationsgrad der GDL sehr hoch. Im Fernverkehr will die Deutsche Bahn mit einem Ersatzfahrplan möglich viele Verkehre aufrecht erhalten. Dazu könnte die Einstellungswelle der letzten Jahre beitragen. 5.000 neue Lokführer werden beschäftigt. Das geht womöglich zu Lasten des Organisationsgrades des Berufsstandes.

Bahnstreik: "Verhandlungsweg ist ausgeschöpft"

Der GDL-Chef weiß seine streikerfahrene Truppe hinter sich. Bei der Urabstimmung sprachen sich 95 Prozent der Mitglieder für den Arbeitskampf aus. Angesichts der völlig verfahrenen Lage bei diesen Tarifverhandlungen könnte diese Woche den Auftakt auf eine lange Reihe von Streikmaßnahmen bilden. „Der Verhandlungsweg ist ausgeschöpft“, betont Weselsky, „nun folgen Arbeitskämpfe.“

Beim letzten große Tarifkonflikt 2014 und 2015 hat die GDL bereits bewiesen, dass sie auch lange Arbeitskämpfe führen kann. In mehreren Streikwellen setzte sie damals die Arbeitgeber über Wochen unter Druck.

Deutsche Bahn: Arbeitskampf "völlig unnötig"

Vordergründig geht es in dieser Tarifrunde um mehr Geld. Die Lokführer fordern 3,2 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 28 Monaten. Dazu wollen sie eine Corona-Prämie von 600 Euro durchsetzen. Die Arbeitgeber bieten zwar jene 3,2 Prozent, doch nur über eine Laufzeit von 40 Monaten und in zwei Schritten 2022 und 2023. Vom Bonus wollen sie bisher nichts wissen, locken stattdessen mit einem Kündigungsschutz. Eine Nullrunde in diesem Jahr werde die GDL nicht mitmachen, stellte Weselsky erneut klar. Ein verbessertes Angebot ist für die GDL eine Bedingung für weitere Verhandlungen.

Die Deutsche Bahn bewertet die Streikankündigung naturgemäß ganz anders. „Es ist völlig unnötig und überzogen“, sagte Personalvorstand Martin Seiler, „die GDL eskaliert zur Unzeit.“ Statt die Kunden zu belasten, solle sich die Gewerkschaft wieder an den Verhandlungstisch setzen. Mit Notfallplänen will die Bahn wenigstens einen Teil des Zugverkehrs aufrecht erhalten. Lesen Sie dazu: Verspätung oder Zugausfall – So funktioniert die Online-Erstattung

Streik bei der Bahn: Es geht nicht nur um Geld

Doch es geht nicht nur ums Geld. Im Hintergrund schwelt ein Konflikt um die gewerkschaftliche Vorherrschaft im Bahnkonzern. Weselsky beansprucht erstmals auch ein Verhandlungsmandat für Beschäftigte der Infrastrukturbetriebe, etwa Fahrdienstleiter, oder auch das Personal in Instandhaltungswerken. Diese Bereiche werden traditionell von der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten, der Weselsky im vergangenen Herbst den Kampf um Mitglieder angesagt hatte.

Die jeweilige Stärke der beiden einzelnen Gewerkschaften ist entscheidend für das Tarifgeschäft. Denn seit Jahresbeginn gilt bei der Bahn das Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in jedem der rund 300 Bahnbetriebe nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitglieder zur Geltung kommt. Derzeit werden nur 16 Betriebe der GDL zugerechnet, der Rest der EVG. Das will Weselsky ändern und dafür will er einen besseren Tarifabschluss als die rivalisierende EVG erreichen. Auch diese organisationspolitische Gemengelage erschwert einen geordneten Verhandlungsprozess.