Berlin. Im Sommer droht Reisenden der Mietwagen-Schock. In beliebten Regionen verlangen Anbieter horrende Preise. Das sind die Hintergründe.

Den Flug nach Mallorca mitten in den Sommerferien gibt es bei Anbietern wie Eurowings, Easyjet oder Ryanair noch für 60 Euro, auch die Hotelpreise bewegen sich nach dem monatelangen Corona-Lockdown noch im Rahmen des Üblichen. Der Schock kommt bei der Mietwagenbuchung: Zwei Wochen mobil sein mit einem Familienauto kostet selbst bei billigen Anbietern rund 1400 Euro. Ein schicker SUV mit den gängigen Versicherungen auch leicht das Doppelte.

Normalerweise wird selbst in der Hochsaison ein Bruchteil fällig. Doch nicht nur auf der beliebtesten Urlaubsinsel der Deutschen steigen die Mietwagenpreise derzeit massiv. An vielen wichtigen Reisezielen verlangen die Anbieter horrende Summen für die nahende Sommersaison. Grund ist in vielen Fällen aber offenbar nicht eine übermäßig große Nachfrage – sondern die durch die Pandemie in der Branche ausgelöste Unwucht.

Als Hauptgrund für die Entwicklung sehen Branchenkenner wie Andreas Schiffelholz vom Vergleichsportal Check24, dass die Anbieter mit der eingebrochenen Nachfrage in der Corona-Pandemie ihre Flotten massiv verkleinert haben. Wegen der geringen Nachfrage im vergangenen Jahr trennten sich allein die wichtigsten Anbieter in Europa von weit mehr als 100.000 Fahrzeugen, ohne für Ersatz zu sorgen. Auch interessant: Stornierungen und Corona: Diese Rechte haben Reisende

Autovermieter können nicht auf wachsende Nachfrage reagieren

Und jetzt, wo mit den großen Fortschritten bei der Impfkampagne wieder zunehmend Reisen möglich sind, können die Vermieter nicht kurzfristig auf die Nachfrage reagieren. „Das gilt besonders auf beliebten Inseln wie Mallorca“, sagt Schiffelholz. Check24 hat auf der Insel einen Preisanstieg um 94 Prozent ermittelt.

Nicht nur auf den Balearen wird individuelle Mobilität im Urlaub derzeit richtig teuer. Die Mietwagenpreise steigen an fast allen beliebten Urlaubszielen. Check24 verzeichnet über die wichtigsten Ziele hinweg 24 Prozent höhere Preise als im Vor-Corona-Jahr 2019. In Deutschland liegt das Preisniveau derzeit 16 Prozent höher, in Italien beträgt der Aufschlag schon 57 Prozent – und in Spanien 82 Prozent.

Sixt: „Werden so hoch gehen, wie es uns der Markt erlaubt“

Wie groß das Ausmaß der Mietwagenknappheit ist, zeigen etwa die Zahlen des deutschen Anbieters Sixt: Das Unternehmen vermietet derzeit insgesamt 93.200 Fahrzeuge. Das sind 37.700 weniger als noch vor einem Jahr. Während das Unternehmen im ersten Quartal 2020 noch Neuwagen im Wert von 1,7 Milliarden Euro in den Bestand aufnahm, waren es in diesem Jahr nur 1,15 Milliarden Euro. Lesen Sie auch: Corona: So funktioniert Urlaub mit ungeimpften Kindern

Sixt musste im Corona-Jahr 2020 einen massiven Umsatzrückgang von 40 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro verkraften – und nun die Kosten für den Wiederhochlauf stemmen. Dazu machte der scheidende Konzernchef Erich Sixt kürzlich eine klare Ansage: „Wir werden so hoch gehen, wie es uns der Markt erlaubt und was wir den Kunden gegenüber verantworten können.“

Auch andere große Anbieter haben ihre Flotte reduziert. Und zwar kräftig: Europcar etwa verkleinerte den Mietwagenbestand von 293.000 auf rund 187.000 Fahrzeuge.

Mallorca: Nur 30.000 Mietwagen - statt 100.000

Auf der Urlaubsinsel Mallorca gibt es derzeit nur 30.000 Mietwagen statt wie üblich rund 100.000, zitiert das „Mallorca Magazin“ den Präsidenten des Mietwagenverbandes Aevab, Ramón Reus. Nach dem schlechten Jahr 2020 seien in diesem Frühjahr deutlich weniger Autos von den Vermietern bestellt worden. Als die Impfkampagne zu Beginn nur sehr schleppend voranging, blickten sie pessimistisch auf die Sommersaison und wollten keinen neuen Reinfall erleben.

Sollten demnächst auch wieder Reisen zu mehr Zielen außerhalb Europas möglich sein, müssen Touristen auch dort mit besonders hohen Preisen für Mietwagen rechnen. Erich Sixt verweist auf die USA. Dort habe sich gezeigt: Wenn man die Corona-Pandemie in den Griff bekomme, steige die Nachfrage „fast explosionsartig“ an. Lesen Sie auch: Wohnmobil-Sharing: Was Camping-Fans darüber wissen müssen

Die Folge: Nach einem Bericht der „Washington Post“ kostet ein einfacher Mietwagen in den Rocky Mountains derzeit rund 240 Dollar (200 Euro) am Tag, in Städten wie Denver oder San Diego liegen die Preise mehr als doppelt so hoch wie vor der Pandemie.

Autohersteller haben Lieferengpass wegen Chipmangel

Auch in den USA haben die großen Mietwagenanbieter ihre Flotten massiv verkleinert – um 770.000 Autos, fast jeder dritte Mietwagen. Und es sei nicht zu erwarten, dass der Bestand bis ins Jahr 2022 wieder massiv erhöht werde.

Auch in Europa dürfte es kaum möglich sein, die Flotten schnell wieder zu vergrößern: Die Autohersteller kämpfen mit dem weltweiten Chipmangel – und müssen wegen fehlender elektronischer Bauteile ganze Schichten streichen.

Allein Volkswagen rechnet damit, dass wegen fehlender Teile im ersten Quartal rund 100.000 Autos nicht gebaut werden konnten, im laufenden zweiten Vierteljahr könnte der Ausfall noch deutlich höher liegen. Das entspricht fünf bis sechs Prozent der gesamten Produktion. Auch Hersteller wie Daimler, BMW und Ford beklagen teils deutliche Engpässe. Auch interessant: Reisen trotz Corona: Das ist der digitale Impfnachweis