Berlin. Angebotsmieten verzeichnet im ersten Quartal 2021 einen starken Zuwachs. Wohnungsverbände sind alarmiert. Sie fordern ein Gegensteuern.

Wohnen in Deutschland wird immer teurer. Um 1,8 Prozent stiegen bundesweit im ersten Quartal des aktuellen Jahres die Mietpreise von neu angebotenen Wohnungen, teilte das Immobilienportal ImmoScout24 am Donnerstag mit. Bei Wohnungen in Gebäuden, die innerhalb der vergangenen zwei Jahren fertiggestellt wurden, stiegen die Angebotsmieten der Analyse zufolge sogar um 2,1 Prozent.

Vor allem die Metropolen sind wieder einmal Preistreiber. In Köln stiegen die Mietpreise im Bestand um 2,0 Prozent gegenüber dem vierten Quartal 2020, in Frankfurt am Main um 1,9 Prozent.

Mietpreise in Berlin schossen nach dem Aus des Mietendeckels in die Höhe

Erstmalig wurde auch die Auswirkung des Scheiterns des Berliner Mietendeckels untersucht. Am 15. April entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Mietendeckel verfassungswidrig ist, da das Land Berlin nach Urteil der Karlsruher Richter seine Zuständigkeit überschritten hat.

Das hat offenbar auch Folgen auf dem Wohnungsmarkt. Zum einen müssen Mieter hohe Beträge nachzahlen. Zum anderen steigen laut ImmoScout24 auch die Angebotsmieten. Sie schossen um mehr als 20 Prozent in die Höhe. Zuletzt pendelten sich die Preise nach Angaben des Portals wieder etwas ein, dennoch sind sie in den drei Wochen seit dem Aus des umstrittenen Instruments um 8,6 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In Köln stiegen die Angebotsmieten in den vergangenen Wochen um 2,4 Prozent, in München gingen sie um 1,5 Prozent zurück.

Zwar wiesen die Datenanalysten des Portals darauf hin, dass bei so einem kurzen Betrachtungszeitraum eine verlässliche Prognose schwierig sei. Und doch rechnen sie mit kräftigen Mietpreissteigerungen. Bei neuen Wohnungen könnten die Preise um 5,6 Prozent in diesem Jahr anziehen, im Bestand um 3,2 Prozent, prognostiziert das Immobilienportal.

158 Interessierte kommen auf eine Wohnung in Berlin

Trotz der steigenden Mieten kommen laut ImmoScout24 158 Interessierte im Durchschnitt auf eine angebotene Wohnung in Berlin. In Hamburg, wo der Quadratmeter im Schnitt sogar noch 1,50 Euro teurer als in der Hauptstadt ist, sind es noch 41 Interessenten pro Wohnung.

Selbst im teuren München, wo der angebotene Quadratmeter von älteren Wohnungen mittlerweile laut ImmoScout24 im Durchschnitt 15,95 Euro und von neueren Wohnungen sogar 18,40 Euro kostet, ist das Interesse groß. Auf eine angebotene Wohnung kommen demnach 26 Interessierte. Lesen Sie hier: Wie der Bund Spekulationen mit Wohnraum eindämmen will

Verbändebündnis schlägt Alarm

Dass Wohnen die soziale Frage dieser Zeit sei, hat Bundesbauminister Horst Seehofer in der Vergangenheit immer wieder betont. Vor drei Monaten präsentierte der CSU-Politiker stolz die Ergebnisse der Wohnungspolitik in dieser Legislaturperiode: 1,2 Millionen Wohnungen seien gebaut worden, rund 300.000 weitere Wohnungen genehmigt. Damit sei so viel gebaut worden wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Doch gerade für finanzschwache Haushalte wird es dennoch immer schwieriger, eine Wohnung zu finden. Das zeigen Zahlen, die auf dem 12. Wohnungsbautag am Donnerstag in Berlin präsentiert wurden. Das ausrichtende Verbändebündnis, ein Zusammenschluss aus Mietervertretungen, Immobilienverbänden und Bauträgern, forderte, den sozialen Wohnungsbau von derzeit rund 25.000 neuen Sozialwohnungen künftig auf 80.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr zu erhöhen. Denn schon heute stehe für zwölf Berechtigte, die in eine Sozialwohnung einziehen könnten, nur für einen Interessenten eine solche Wohnung zur Verfügung, teilte das Bündnis mit. Lesen Sie hier: Sechs Jahre keine Erhöhung: Verbände wollen Mieten begrenzen

Mieterbundspräsident warnt vor verschärfter Wohnungskrise

„Es gibt eine große Anzahl an Mietern, die es nicht schafft, ihre Miete zu bezahlen“, sagte Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, auf dem Wohnungsbautag. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, sprach von einer Zwickmühle, in der die Unternehmen der Wohnungswirtschaft stehen würden: „Wir stehen unter dem Druck, mehr zu liefern, den Auftrag zum Bauen zu geben. Auf der anderen Seite haben wir extrem gestiegene Kosten“, sagte Gedaschko, der das Investitionsklima in vielen Städten als „extrem schwierig“ bezeichnete.

Einer Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (AGRE) zufolge sind die Baukosten in den vergangenen 20 Jahren um 80 Prozent gestiegen, die Einkommenssituation sei aber nur um 36 Prozent angestiegen.

Parteien wollen Wohnungskrise sehr unterschiedlich angehen

Wie aber können die starken Preissteigerungen wirksam gebremst werden? Darüber diskutierten Spitzenvertreter der politischen Parteien auf dem Wohnungsbautag. Die Spannbreite war groß. Linken-Chefin Janine Wissler plädierte dafür, die Mieten bundesweit zu deckeln und massiv in den sozialen Wohnungsbau zu investieren.

Das sei der völlig falscher Weg, fand FDP-Chef Christian Lindner. Die Mietendeckel-Diskussion senke die Attraktivität des Bauens für private Investoren weiter. Der FDP-Chef setzt stattdessen auf die Kräfte des Marktes: Indem die Wirtschaft floriert, steigen die Löhne und damit werden Mieten wieder bezahlbar.

Zugleich müsse schneller gebaut werden, etwa indem Bürokratie abgebaut und Abschreibungsbedingungen verbessert werden sollen. Ein Anrecht auf Sozialwohnungen solle im Gegenzug nur noch haben, wer auch Wohngeld beziehe.

Union setzt auf Fortsetzung der bisherigen Maßnahmen

Die Union plant wenig Änderungen zur bisherigen Politik. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach sich dafür aus, das Baukindergeld zu verlängern und somit auch mehr Wohneigentum in Deutschland zu fördern. „Es ist auch ein Stück weit ein Aufstiegsversprechen, wenn man Wohneigentum erwirbt“, sagte Ziemiak. Ein Wahlprogramm mit weiteren konkreten Eckpunkten zum Bauen hat die Union allerdings noch nicht vorgelegt.

Anders sieht das bei SPD und Grünen aus, die beide in ihren Wahlprogrammen versprechen, rund 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr bauen zu wollen. Der Bau dieser Wohnungen würde rund 28 Milliarden Euro kosten, heißt es in der AGRE-Studie.

Grünen-Chef Robert Habeck könnte sich vorstellen, dass der Wohnungsbau um bis zu 20 Prozent bezuschusst werden könnte, wenn dafür die Wohnungen dauerhaft ihre Sozialbindung behalten.

Für einen stärke Förderung durch den Staat sprach sich auch der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert aus. „Wer soll es denn zahlen, wenn wir es nicht machen“, fragte er. Ohne sozialen Wohnungsbau müsse auch der Staat wieder zahlen, etwa wenn Wohngeld bezahlt werde.

Baugewerkschaft fordert 1,5 Millionen neue Wohnungen

Unterstützung erhält der SPD-Politiker von der Bau-Gewerkschaft IG BAU. „Bei einem Euro Investitionen in den Wohnungsbau sind Folgeinvestitionen von ca. acht Euro zu erwarten“, rechnete IG-BAU-Chef Robert Feiger vor. Somit würde Geld über die Steuer zurückgeführt, denn jeder investierte Euro bringe 51 Cent zurück, sagte Feiger.

Gegenüber unserer Redaktion forderte der Gewerkschafter eine Neuauflage des Bauprogramms der aktuellen Bundesregierung. „Ich sehe den Neubau-Bedarf bis 2025 bei rund 1,5 Millionen Wohnungen“, sagte Feiger. Es sei für ihn nur schwer erträglich, dass sich Bauarbeiter die Miete der Wohnungen, die sie bauen, nicht mehr selbst leisten können. „Es ist ein sozialer Skandal, dass Menschen, die händeringend eine bezahlbare Wohnung suchen, keine mehr finden.“