Wolfenbüttel. Landwirte aus Wolfenbüttel, Helmstedt und Gifhorn sprechen über die Bedeutung von Subventionen für ihre Betriebe und die Agrarbranche.

In ganz Deutschland protestieren Bauern. Trecker, die Warnleuchten einsetzen, fahren in die Hauptstadt, Landwirte blockieren Autobahnen, bringen den Verkehr auf den Straßen zum Erliegen. Es gibt Mahnwachen und Mahnfeuern. Der Grund: der Kurs der Ampelkoalition im Haushaltsstreit. Die Bundesregierung muss sparen – und setzt den Rotstift auch bei Landwirten an.

Mit Abschaffung der Begünstigung für Forst- und Landwirtschaft in der Kraftfahrzeugsteuer sollten Mehreinnahmen von 480 Millionen Euro entstehen, durch die Abschaffung von Subvention beim Agrardiesel Mehreinnahmen von bis zu 440 Millionen Euro. Mittlerweile hat die Koalition eingelenkt. Auf die Einführung einer Kfz-Steuer für land- und forstwirtschaftliche Maschinen wird nun doch verzichtet – das grüne Nummernschild bleibt. Doch Vergünstigungen für Treibstoff sollen stufenweise abgebaut werden.

Die Frage bleibt: Warum sind die Bauern so wütend und haben sie mit ihrem Ärger recht? Geht es ihnen finanziell wirklich so schlecht, wie sie sagen? Und wen würden die Subventionsstreichungen wirtschaftlich am härtesten treffen?

Welche Subventionen erhalten Landwirte?

Zuschüsse, Prämien, Vergünstigungen, Ausgleichszahlungen – die Landwirtschaft profitiert von vielen Geldern. Dazu gehören die Kompensation von Katastrophenfällen genauso wie die gezielte, politische Lenkung des Agrarsektors hin zu höheren Standards, etwa in der Tierhaltung und im Umweltschutz.

In der aktuellen Förderperiode 2023 bis 2027 werden aus dem Haushalt der Europäischen Union laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft etwa sechs Milliarden Euro Agrarsubventionen jährlich an landwirtschaftliche Betriebe, aber auch an Verbände, Behörden und Unternehmen im Agrarbereich in Deutschland gezahlt. Vom Bund kommen noch einmal 2,4 Milliarden Euro im Jahr dazu.

Die vor mehr als 70 Jahren eingeführte Subvention von Agrardiesel sollte die deutsche Landwirtschaft ursprünglich wettbewerbsfähig machen und Anreize für die Investition in moderne Landmaschinen setzen. Wenn Landwirte ihre Maschinen tanken, müssen sie zunächst den regulären Steuersatz von 47,07 Cent pro Liter auf Diesel bezahlen. Später Sie können sie eine Rückerstattung von 21,48 Cent pro verbrauchtem Liter beantragen.

Der Dieseltank für eine Maiserntemaschine, einem Häcksler, fasst circa 1.500 Liter. Auf eine Tankfüllung zahlen Agrarbetriebe daher 706,05 Euro an Steuern, von denen sie später – nach gemachten Hausaufgaben – 322,20 Euro zurückerhalten.
Der Dieseltank für eine Maiserntemaschine, einem Häcksler, fasst circa 1.500 Liter. Auf eine Tankfüllung zahlen Agrarbetriebe daher 706,05 Euro an Steuern, von denen sie später – nach gemachten Hausaufgaben – 322,20 Euro zurückerhalten. © stock.adobe.com | Michael Barkmann

Wen treffen die Kürzungen?

Viehstarke Futterbaubetriebe seien von der geplanten Streichung der Agrar­diesel-Erstattung besonders betroffen. Aber auch Ackerbaubetriebe, die ihre Flächen mit leistungsstarken Schleppern und Erntemaschinen bearbeiten, würden höhere Kosten haben. „Für einen durchschnittlichen etwa 100 Hektar großen Haupterwerbsbetrieb betrug die Erstattung im Wirtschaftsjahr 2020/2021 insgesamt 2.883 Euro“, erklärt Gerhard Schwetje, Landwirt aus Cramme und seit 2015 Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Im Einzelfall seien aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten große Unterschiede festzustellen. „In der Landwirtschaft gibt es viele energieintensive Prozesse auf dem Acker und in der Nutztierhaltung. Bei Milchviehbetrieben schlägt vor allem die Grundfutterbereitstellung beim Dieselverbrauch zu Buche“, betont er. Ein mittlerer Milcherzeuger erreiche hier schnell die 10.000-Liter-Marke. „Durch die geplanten Kürzungen haben die Betriebe durchschnittliche Mehrkosten von etwa 10 Euro pro Hektar im Jahr 2024, in 2025 etwa 19 Euro pro Hektar und 2026 etwa 28 Euro pro Hektar“, rechnet Schwetje vor. Das entspräche für 2024 im Mittel einem Verlust von etwa 1.000 Euro und ab 2027 knapp 3.000 Euro je Betrieb. „Für ein kleines Familienunternehmen ist dies schwerer zu verkraften als für größere Unternehmen.“

Gerhard Schwetje, Landwirt aus Cramme und seit 2015 Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Gerhard Schwetje, Landwirt aus Cramme und seit 2015 Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. © Landwirtschaftskammer Niedersachsen | C. Ehrecke

Tatsächlich war das Wirtschaftsjahr 2022/2023 ein gutes für deutsche Bauern. Die ersten Auswertungen hätten eine Verbesserung der Ergebnisse um fast 50 Prozent auf 148.000 Euro im Durchschnitt aller Betriebe ergeben, berichtete Schwetje Ende November auf der Kammerversammlung. „Unsere Branche ist zunehmend geprägt durch stark schwankende Erzeugerpreise und Produktionskosten. Das Wirtschaftsjahr 2022/23 war zweifellos ein Ausnahmejahr mit einem sehr hohen Ergebniszuwachs. Das haben viele Betriebe – nach den eher mageren Vorjahren – auch gebraucht“, stellt er klar. Der Blick ins laufende Wirtschaftsjahr aber zeige, dass der Höhenflug, etwa bei Getreidepreisen, vorbei ist und die Unternehmen in der Mehrzahl voraussichtlich nur durchschnittliche Ergebnisse erzielen werden. „Insofern spielen Elemente wie eine Steuererstattung beim Agrardiesel sowie die Beihilfen der Agrarförderung weiterhin eine wichtige Rolle“, macht Schwetje deutlich.

Ungelöste Fragen in der Agrarpolitik

Dass Landwirte und Politiker oft unterschiedlicher Meinung sind, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. So gab es etliche Proteste, als zum Beispiel die Regeln für den Einsatz chemischer Mittel zum Schutz vor Krankheiten und Beikräutern, dem sogenannten Pflanzenschutz, verschärft wurden. Oder als Regelungen eingeführt wurden, die Düngung und Pflanzenschutz am Rande von Gewässern einschränken beziehungsweise verbieten. In der Landwirtschaft brodelt es, die jüngsten Ereignisse haben das Fass nur zum Überlaufen gebracht. „Als neutrale Fachorganisation halten wir uns zwar aus politischen Debatten heraus – die Stimmungslage in der Bauernschaft kennen wir aber durch unsere umfassende Beratungstätigkeit sehr gut“, berichtet Schwetje. Schwankende Marktpreise, wachsende Anforderungen bei Düngung, Pflanzenschutz und Naturschutz, ein wachsender bürokratischer Aufwand sowie die gesellschaftliche Debatte über ihre Arbeitsweise beschäftigten die Landwirtinnen und Landwirte seit längerer Zeit. Hinzu kämen ungelöste rechtliche Fragen, die etwa dazu führen, dass Tierhalterinnen und Tierhalter nicht wissen, wie sie ihren Betrieb mittel- und langfristig aufstellen sollen. „Insofern verstehen wir sehr gut, dass Bäuerinnen und Bauern sich für die Zukunft ihrer Betriebe einsetzen.“

Subventionspolitik der Zukunft

Wie muss Subventionspolitik für Landwirtschaft aussehen, damit sie weiter existieren kann und umweltfreundlich ist? Schwetje bringt es auf den Punkt: „Viele Betriebe haben den dringenden Wunsch, dass der bürokratische Aufwand wieder sinkt. Es ist sehr kräftezehrend, wenn man nach einem arbeitsreichen Tag auf dem Feld oder im Stall noch mehrere Stunden im Büro verbringen muss, um Anträge zu stellen und umfangreichen Dokumentationspflichten nachzukommen.“ Die Landwirtinnen und Landwirte würden verstehen, dass Agrarförderung an Auflagen geknüpft ist – aber sie benötigen einfachere Verfahren, um Beihilfen nutzen zu können. „Dann können sie sich mit mehr Energie auf ihr Kerngeschäft konzentrieren – und das ist die Produktion hochwertiger, regionaler Lebens- und Futtermittel“, betont Schwetje.

Es geht um mehr!

Es ist nicht das Hin und Her der Bundesregierung in Sachen Agrardiesel, das tausende Landwirt:innen und ihre Mitarbeitenden auf die Straße gebracht hat. Eine Forderungsliste an die Niedersächsische Staatskanzlei und Bundesregierung, die Vertreter:innen des Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband e.V. kurz vor Ostern an Wirtschaftsminister Olaf Lies übergaben, umfasst 14 Seiten. Deshalb haben wir Landwirte gefragt, welche Bedeutung Subventionen für ihren Betrieb und Arbeitsalltag haben.

Subventionen und Ausgleichszahlungen sind emotional aufgeladene Themen, über die ohne fundiertes Wissen heiß diskutiert wird. Damit ich als Landwirt Subventionen erhalte, habe ich mich an strenge Vorschriften zu halten. Landwirtschaft ohne diese Regeln wäre sicherlich freier und schöner – doch global können wir ohne diese nicht bestehen und mithalten. Wir in Deutschland produzieren Lebensmittel im Vergleich zum Weltmarkt viel kostenintensiver, zum Beispiel weil unsere Energiekosten deutlich höher liegen. Auf der anderen Seite schätze ich den hohen Qualitätsstandard unserer heimischen Produkte. Auf Subventionen können wir nur verzichten, wenn überall die gleichen Regeln gelten – und davon sind wir weit entfernt. Wer Subventionen einsparen möchte, muss an mehr als nur einer Stellschraube drehen.
Jacob Twelckmeyer, - Landwirt aus Winnigstedt (Wolfenbüttel)
Unser Fördersystem kann – und muss – kritisch betrachtet werden. Dennoch haben wir es in Deutschland geschafft, gewaltige technische Entwicklungen auf den Weg zu bringen und auch einzusetzen. Moderne Technologien sind ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige, klimaschonende Landwirtschaft, die dennoch Ernährungssicherheit bietet. Und dabei bleiben Subventionen, Rückerstattungen und Ausgleiche – egal wie wir sie nennen – ein Faktor, um qualitativ hochwertige Lebensmittel für jeden bezahlbar zu produzieren. Rein emotional betrachtet hätte ich es natürlich gern anders, frei von Zuschüssen. Doch eine 1:1-Umlegung unserer Kosten auf Verbraucher würde zu sozialer Ungerechtigkeit führen … Leider sind die EU-Ausgleichszahlungen, welche Wettbewerbsnachteile unserer Landwirtschaft im Verhältnis zum Weltmarkt ausgleichen und für Einschränkungen aufgrund von Auflagen kompensieren sollen, auf dem gleichen Niveau wie vor 20 Jahren. Dieser Ausgleich ist aber inflationsbedingt immer weniger wert. Das zwingt immer mehr Betriebe zum Aufgeben. Dabei brauchen wir lokal ansässige Familienbetriebe, um auch lokale Lösungsanbieter zu sein und Verantwortung für die Themen der nachhaltigen Transformation übernehmen zu können.
Karl-Friedrich Wolff von der Sahl, - Landwirt auf dem Familienbetrieb Rittergut Lauingen und Vorsitzender Landvolk Braunschweiger Land
Wir brauchen die Subventionen – gleichzeitig ist es für uns als Selbstständige schade und unbefriedigend, von Leistungen abhängig zu sein. Bei unserer Arbeit müssen wir immer wieder darauf achten, dass wir den Anforderungen gerecht werden; sind in unseren Entscheidungen sehr reglementiert. Dass der Staat ein Lenkungsinstrument hat, um die Ernährungssicherheit sicherzustellen, ist sicherlich wichtig und nützlich. Auf der anderen Seite hat es dazu geführt, dass die Verbraucherkosten von Lebensmitteln in keinem Verhältnis mehr zu den Produktionskosten – dem Aufwand und der Arbeit, die wir hineinstecken – stehen. Dadurch ist vieles an Wertschätzung verloren gegangen. Sowohl für qualitativ hochwertige Lebensmittel, als auch unserem Beruf gegenüber.
Claudius Müller, - Milchburschen GbR Ettenbüttel (Gifhorn)