Braunschweig. Berufswahl digital: Braunschweiger Firma entwickelt virtuelles Praktikum für Schüler zur Berufsorientierung und mit Berufsempfehlungen.

Wollen Sie Ihre 13-jährige Tochter einmal in eine Werkstatt schicken, damit sie den Motor Ihres Autos austauscht? Oder Ihren 15-jährigen Sohn auf eine Baustelle, damit er lernt, Bauteile zu montieren? „Um Gottes Willen – das dürfen Kinder nicht“, mögen Sie jetzt denken. Und da haben Sie natürlich recht. Virtuell ist aber inzwischen fast alles möglich.

Braunschweiger Firma entwickelt virtuelles Praktikum

Berufe lernt man auch heute noch am besten durch ein Praktikum kennen. Das Unternehmen B12 aus Braunschweig hat ein virtuelles Praktikum für Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse entwickelt, wo sie die oben genannten Fertigkeiten ausprobieren können. Verletzen können sich die jungen Leute dabei nicht, und kaputtgehen kann auch nichts.

Im Zentrum stehen dabei „Virtual-Reality“-Brillen, was übersetzt virtuelle Realität heißt. Mit Hilfe dieser VR-Brillen, die die Schüler aufsetzen, und jeweils einem Sensor in jeder Hand können die Schüler in virtuelle Räume eintreten und praxisnah Maschinen steuern und sieben verschiedene Berufsfelder kennenlernen. Und zwar aus den Bereichen der Metallverarbeitung, Elektrotechnik, Glasherstellung, Kunststofftechnik, Informatik, dem Bauwesen und der kaufmännischen Logistik. Den Schülern werden verschiedene Aufgaben gestellt, die sie lösen müssen.

Das Besondere: Am Ende der Anwendung erhält jeder Schüler eine individuelle Auswertung in Form einer PDF-Datei über seine Stärken und Schwächen – ein Kompetenzprofil mit Berufsempfehlungen. Denn das Programm analysiert die Schnelligkeit der umgesetzten Übungen und die Korrektheit. Technisch-logisches Denken, Feinmotorik, schlussfolgerndes Denken, Rechnen oder räumliches Denken können durch die Software analysiert werden.

Die Firma B12 hat die Anwendung, die sich „Virtual Work Experience“ nennt, was übersetzt virtuelle Joberfahrung heißt, programmiert. 2019 hat das Braunschweiger Unternehmen am Rebenring eine Ausschreibung der „Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft“ gewonnen. Entwickelt werden sollte das Programm ursprünglich für jugendliche Geflüchtete an deutschen Schulen. In einfacher deutscher Sprache und leicht verständlich sollten die Übungen sein. Weil das Programm so gut ankam, wurde es für deutsche Schüler erweitert.

Kinder können ihre Begabungen entdecken

„Unser Programm ist keine Lern-Software – die Schüler können nicht mehrere Durchläufe machen, um besser zu werden“, betont Peter Werner, einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens. Das virtuelle Praktikum sei ein praxisnaher Einblick in unterschiedliche Berufe, bei dem die Kinder ihre Begabungen in einem geschützten Raum herausfinden können.

„Jedes Berufsfeld kann innerhalb von knapp 15 Minuten kennengelernt werden“, erklärt der 47-Jährige. Rund 15 Koffer gibt es für interessierte Schulen, ausgestattet mit jeweils zwei VR-Brillen, einem Tablet und einem Router für Internetempfang. „Die Koffer sind inzwischen vier Monate im Voraus ausgebucht“, berichtet Werner. Das Angebot sei für die Schulen kostenlos. Künftig sollen die Berufsfelder noch um den sozialen Bereich, wie der Pflege, erweitert werden.

Insgesamt 18 bespielbare Räume haben die Braunschweiger in den vergangenen viereinhalb Jahren in rund 1000 Entwicklerstunden programmiert. Mehr als 120 Schulen mit mehr als 5200 Schülern haben das virtuelle Praktikum bereits absolviert. Vorerst aus Bayern. Der Projektträger „Sprungbrett Bayern“, der verantwortlich ist für die Umsetzung des Projektes, ist nämlich eine Online-Praktikumsbörse für Schüler in Bayern.

Interessierte Schulen können das Programm kostenlos herunterladen

Die Rückmeldung der Schüler und Lehrer sei durchweg positiv, berichtet der Braunschweiger Geschäftsführer. Eine Ausweitung auf Schulen außerhalb Bayerns ist angedacht und willkommen. Da der Versand der Koffer in unsere Region derzeit nicht umsetzbar ist, gibt es eine andere Lösung: Interessierte Schulen, die über eine VR-Brille verfügen, können die „Virtual Work Experience“ als frei zugängliche Software herunterladen unter https://www.sprungbrett-bayern.de/lehrkraefte/virtual-work-experience/berufswelten-entdecken-mit-der-virtual-work-experience/#c5995.