Berlin. Das Cannabisgesetz ist beschlossen: Welche Regeln jetzt gelten - und welche Punkte der Gesundheitsminister noch einmal evaluieren will.

Trotz massiver Kritik aus den Bundesländern wird Cannabis in Deutschland ab dem 1. April teilweise legalisiert. BundesgesundheitsministerKarl Lauterbach (SPD) war zuletzt auf die Kritiker zugegangen.

Cannabis in Deutschland: Was ist künftig erlaubt?

Erwachsenen ab 18 Jahren ist ab dem 1. April der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. In der eigenen Wohnung sind künftig drei lebende Cannabispflanzen zulässig und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Private Anbauvereine dürfen außerdem den Eigenanbau organisieren. Diese dürfen bis zu 500 Mitglieder haben, die über den Verein bis zu 50 Gramm im Monat bekommen können. Die Regeln für 18- bis 21-Jährige sind strenger: An sie dürfen nur 30 Gramm pro Monat abgegeben werden. Die Gründung der Clubs soll ab dem 1. Juli dieses Jahres möglich sein.

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Kiffen im öffentlichen Raum bleibt in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten. Es gilt eine Abstandsregel von 100 Metern. Der Verkauf bleibt weiterhin verboten, auch „Coffeeshops“ nach niederländischem Vorbild wird es nicht geben. Für Minderjährige bleibt Cannabis verboten.

Warum war die Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes eine Zitterpartie?

Der Bundestag hatte das Gesetz mit der Mehrheit der Ampel beschlossen. Im Bundesrat mussten die Länder der Legalisierung von Cannabis zwar nicht zustimmen. Sie können aber Gesetze in den Vermittlungsausschuss überweisen, wo Länderkammer und Bundestag in Streitfällen nach Kompromissen suchen. Für das Cannabisgesetz hätte dies wohl das Aus bedeutet. Unionsvertreter hatten deutlich gemacht, dass sie das Gesetz dort stoppen wollen. Bei der Bundesratssitzung am Freitag kam jedoch keine Mehrheit dafür zustande, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Merz: Union würde Cannabis-Gesetz bei Regierungsübernahme stoppen

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    Wie lautet die Kritik an dem Gesetz?

    Einerseits befürchten die Länder einen hohen Verwaltungsaufwand und steigende Personalkosten. Die Umsetzung ließe sich zudem kaum kontrollieren, hieß es in der Bundesratssitzung. Besonders umstritten ist die Amnestie-Regel: Danach sollen bereits verhängte Haft- und Geldstrafen wegen Cannabis-Delikten mit Inkrafttreten der Neuregelung erlassen werden. Die Länder befürchten dadurch eine Überlastung der Justiz.

    Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), warnte vor den Gesundheitsgefahren. Das Gesetz werde mehr Tote durch Unfälle im Straßenverkehr, durch Krebserkrankungen sowie durch härtere Drogen bringen, da Cannabis eine Einstiegsdroge sein könne. Ähnlich äußerte sich Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU), der mit dem neuen Gesetz die „Büchse der Pandora“ in der Drogenpolitik geöffnet sieht. CDU-Chef Friedrich Merz hat angekündigt, das Gesetz im Falle einer Regierungsübernahme zu kippen.

    „Ich bin selbst über viele Jahre ein Gegner der Legalisierung von Cannabis gewesen“, räumte Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein.
    „Ich bin selbst über viele Jahre ein Gegner der Legalisierung von Cannabis gewesen“, räumte Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein. © DPA Images | Bernd von Jutrczenka

    Wie ist Lauterbach auf die Kritiker zugegangen?

    „Ich bin selbst über viele Jahre ein Gegner der Legalisierung von Cannabis gewesen“, räumte Lauterbach ein. Die bisherige Drogenpolitik sei aber ein Misserfolg. Mit dem Gesetz könne der immer lukrativer werdende Schwarzmarkt bekämpft werden, warb der Gesundheitsminister für das Projekt. Das zeigten die Erfahrungen anderer Länder. Eine echte Alternative zum Schwarzmarkt sei der legale Anbau. Der SPD-Politiker sicherte zudem zu, umstrittene Punkte des Gesetzes nach 18 Monaten zu evaluieren. Das betrifft etwa die erlaubten Besitzmengen, den Mindestabstand zu Schulen und anderen Einrichtungen fürs Kiffen und den Jugendschutz.

    Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) begrüßte, dass das Gesetz nun kommt. „Der bisherige rein repressive Umgang mit Cannabis war offensichtlich gescheitert. Blühende Schwarzmärkte und Menschen, die in die Kriminalität gedrängt wurden, waren das Ergebnis“, sagte Buschmann dieser Redaktion. „Es war an der Zeit, zu einer neuen Drogenpolitik zu kommen.“ Der Bundesjustizminister hob hervor, dass mit den neuen Cannabis-Regeln „Realismus und Prävention verbunden würden, eben ohne die Risiken von Cannabis zu verharmlosen“. Buschmann ergänzte: „Ich bin mir sicher, dass die neuen Regeln auch schon bald zu einer Entlastung für unsere Justiz führen werden.“

    Wie beurteilen Juristen den Beschluss?

    Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßte, dass das Gesetz den Konsum entkriminalisiere und somit dem Grundsatz Rechnung trage, „dass das Strafrecht als schärfstes Schwert des Rechtsstaats nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen darf“. Es sei „logische Konsequenz, dass noch nicht vollstreckte Strafen überprüft, angepasst und gegebenenfalls erlassen werden“, sagte Rechtsanwältin Gül Pinar, Mitglied im Ausschuss Strafrecht des DAV, dieser Redaktion. „Die Sorge, dass dadurch ein höherer Arbeitsaufwand entstünde, kann kein Argument dafür sein, ein rechtsstaatlich gebotenes Gesetz zu verschieben – zumal langfristig zahlreiche Verfahren entfallen und Justiz sowie Behörden dadurch entlastet werden.“

    Der Deutsche Richterbund (DRB) sieht die Novelle kritisch. „Die Ampel-Koalition lässt mit dem Cannabisgesetz ein Bürokratiemonster von der Kette, das Justiz, Polizei und Ordnungsbehörden mühsam wieder einfangen müssen“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Es würden Dutzende neue Ordnungswidrigkeiten eingeführt, die nach Einsprüchen gegen Bußgelder vielfach vor den Gerichten landeten. Das betreffe auch die zahlreichen Auflagen für den Anbau von Cannabis oder die aufwendig zu kontrollierenden Abstandsregeln.

    Wie ist die öffentliche Meinung?

    Das Gesetz polarisiert, wie das am Freitag veröffentlichte ZDF-Politbarometer zeigt. Waren demnach im August 2023 noch 50 Prozent der Bürger dafür, den Besitz und der Verbrauch geringer Mengen Cannabis zu erlauben (dagegen: 45 Prozent), lehnt inzwischen eine Mehrheit von 52 Prozent eine solche Liberalisierung ab, 42 Prozent sind aktuell dafür.