Braunschweig. Unser Leser Thomas Virgil aus Braunschweig schreibt: Ich möchte Sie auf einen Beschluss des OVG Lüneburg aufmerksam machen. Danach sollen Flohmärkte an Sonn- und Feiertagen künftig nicht mehr genehmigt werden.

Gericht: Flohmarkt-Verbot an Sonntagen

Flohmärkte sind in Deutschland so etwas wie Kulturgut. Das Bummeln von Stand zu Stand, das Handeln mit Verkäufern, der urige Trödel, den man halt nur auf Flohmärkten findet. Ein gesellschaftliches Phänomen, das allein in unserer Region jährlich Tausende von Verkäufern und Zehntausende von Besuchern in seinen Bann zieht. Wie der richtige Hinweis unseres Lesers besagt, soll all dies künftig vorbei sein – zumindest an Sonn- und Feiertagen.

Dieser Beschluss ergeht aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom April dieses Jahres und ist somit gültig für das gesamte Bundesland Niedersachsen. Bereits 2009 hatte es in Rheinland-Pfalz ein ähnliches Urteil gegeben, das Flohmärkte sonntags ab dem Jahr 2011 untersagt. Allerdings wurde diese Entscheidung nach dreieinhalb Jahren revidiert. Der Landtag verabschiedete 2014 ein neues Gesetz, dass Flohmärkte grundsätzlich wieder erlaubte.

Eine Interessengemeinschaft wehrt sich nun mittels einer Petition gegen dieses Verbot in Niedersachsen und fordert eine Änderung des Gesetzes zum Schutz von Sonn- und Feiertagen durch den Landtag. Tatsächlich wird dieser Beschluss für künftige Veranstaltungen bereits von Städten in unserer Region berücksichtigt. Darunter die Städte Hannover, Braunschweig, Wolfenbüttel und Salzgitter.

Das niedersächsische Innenministerium misst diesem Urteil jedoch keine größere Bedeutung zu und verweist auf die Ausnahmeregelung im Einzelfall des Feiertagsgesetzes: „Sie haben hierbei nach pflichtgemäßem Ermessen die unterschiedlichen öffentlichen und privaten Belange abzuwägen und zu prüfen, ob ein derartiger besonderer Anlass im Einzelfalle vorliegt“. Dies sei gegeben, wenn es sich um ein „nicht alltägliches Ereignis“ handele, dass eine Nachfrage hervorruft oder von überregionalem Interesse ist oder aus traditionellen Gründen.

Braunschweig ist in dieser Situation offenbar trotzdem ohnmächtig, wie ein Sprecher berichtet: „Die Stadt Braunschweig wurde von der IHK Braunschweig informiert mit der Bitte, dieses Urteil künftig zu berücksichtigen. Nach eingehender Prüfung der Rechtslage und Rücksprache mit dem Niedersächsischen Städtetag ist das Urteil für die Stadt bindend. Sie wird daher künftig für gewerbliche Flohmärkte grundsätzlich keine Genehmigung an Sonntagen mehr erteilen. Dies wird ab 2018 gelten, da für das Jahr 2017 alle sonntäglichen Flohmärkte als wiederkehrende Veranstaltungen bereits genehmigt sind.“

Somit findet der Großflohmarkt Harz-Heide Braunschweig morgen wohl zum letzten Mal sonntags statt. „Das heißt für 20 000 bis 30 000 Besucher Abschied vom sonntäglichen Bummeln zu nehmen, und für die Stadt Braunschweig bedeutet es den voraussichtlichen Verlust einer sechsstelligen Summe für die Vermietung des Harz-Heide-Geländes“, sagt Frank Henkel von Move Messeorganisationen, die den Harz-Heide-Flohmarkt organisieren und die Petition mitinitiiert haben.

Für Henkel ist dieser Beschluss sehr schade und traurig: „Dadurch wird Zehntausenden ihr Vergnügen an Flohmärkten genommen“. Denn viele Flohmärkte ließen sich gar nicht mehr veranstalten, wenn der Sonntag wegfällt, weil die Flächen samstags nicht frei seien. „Wir machen seit Jahren einen Flohmarkt auf dem Ikea-Parkplatz.“ Der ließe sich aufgrund der Öffnungszeiten des Möbelhauses nun mal nicht verlegen. „Deshalb hoffe ich sehr, dass wir für die Petition viele Unterstützer finden“.

Nach wenigen Tagen hat die Unterschriftenaktion bereits mehrere Tausend Unterstützer. „Ich bin mir sicher, dass wir die erforderlichen 18 000 Stimmen bekommen“, sagt Henkel. Anschließend soll die Petition beim Landtag mit der Bitte um Anhörung eingereicht werden.

Auch in der Politik formiert sich Widerstand: So will die Stadt Wolfenbüttel dieses Urteil nicht einfach hinnehmen: „Aktuell läuft die Prüfung, inwiefern das Urteil auf die Stadt Wolfenbüttel übertragbar ist. Das OVG Lüneburg verweist ja ausdrücklich auf eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Eine pauschale Aussage lässt sich daher derzeitig nicht treffen“, ließ Bürgermeister Thomas Pink ausrichten.

Auch in Gifhorn hält sich die Freude über das Urteil in Grenzen. Bürgermeister Matthias Nehrlich sagte: „Ich bedauere das Urteil und die Vorgabe sehr“. Der Gifhorner-City-Flohmarkt habe eine lange Tradition und sei ein beliebter Treffpunkt für Schnäppchenjäger, Trödelliebhaber, Sammler, Verkäufer und Menschen, die einfach an den Ständen vorbeibummeln. „Bisher hat es keine konkrete Anweisung an die Stadt Gifhorn gegeben. Trotzdem darf natürlich nicht gegen ein rechtskräftiges Urteil verstoßen werden“, ergänzte Nehrlich.

Der Bürgermeister schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Flohmarkt-Fan Florian Rex aus Wolfsburg. Der Versicherungsmakler hat die Online-Petition ebenfalls unterschrieben, weil er findet, es werde mit zweierlei Maß gemessen: „Wenn ich sehe, wie oft die Designer Outlets Wolfsburg sonntags geöffnet haben, kann ich diesen Beschluss nur als schwachsinnig bezeichnen.“

Für ihn sei die Atmosphäre auf Flohmärkten unersetzlich und nicht vergleichbar mit den sterilen Arkaden nebst der Autostadt. „Flohmärkte machen einfach Spaß. Ich habe zwar nur ein paar Mal selbst verkauft, aber gehe ganz gerne zum Stöbern auf Flohmärkte, weil ich dort Dinge finde, die es im Einzelhandel nicht gibt“, sagt er.

Wenn es nach der IHK Braunschweig geht, die nach dem Urteil die Briefe an die Kommunen verschickt hat, künftig keine sonntäglichen Flohmärkte mehr zu genehmigen, soll es dieser Art von Flohmärkten auch nicht an den Kragen gehen, wie Hauptgeschäftsführer Bernd Meier bestätigt: „Dieses Verbot soll den gewerblichen Handel mit Neuwaren auf Flohmärkten verhindern, weil dadurch eine Ungleichbehandlung dem Einzelhandel gegenüber entsteht. Gegen kleine, private Flohmärkte haben wir überhaupt nichts einzuwenden“.

Während die IHK Braunschweig mit ihren Briefe eine große Welle losgetreten hat, hält die Kammer aus Wolfsburg und Gifhorn die Füße still: „Wir werden wegen des Urteils nichts unternehmen. Der Schutz von Sonn- und Feiertagen war schon immer geltendes Recht“, teilte eine Sprecherin mit. Ohnehin seien Flohmärkte an Sonn- und Feiertagen nur in Ausnahmefällen genehmigt worden. Und das bleibe auch so.

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Eine Bastion der Echtheit