Braunschweig. Gleich zwei Unwetter zogen am Donnerstag über unsere Region. Meteorologen registrierten extreme Regenmengen und Windböen.

Kirschgroße Hagelkörner, grollender Donner und Starkregen – die heftigen Gewitter am Donnerstag hatten teils unwetterartigen Charakter. Eine erste Gewitterfront des Tiefs „Paul“ erreichte unsere Region am Donnerstagmittag aus Nordwesten. Der Harz und das Harzvorland blieben von diesem Niederschlagsgebiet noch verschont, während etwa in der Lüneburger Heide der Bahnverkehr durch umgekippte Bäume bereits stark beeinträchtigt wurde.

Abends entwickelten sich dann flächendeckend starke Gewitterzellen über ganz Norddeutschland. Julia Schmidt, Diplom-Meteorologin beim Deutschen Wetterdienst, berichtet von Starkregen: „Unsere Wetterstation in Braunschweig meldete 24 Liter Niederschlag pro Quadratmeter in einer Stunde. In Hannover waren es sogar 31.“ Bei Regenmengen ab 15 Liter pro Quadratmeter und sprechen Wetterexperten von Starkregen, bei 25 von Unwetter.

Starkregen überflutet Straßen

Gewitterkarten

Viel Wasser in kurzer Zeit – das heißt viel Arbeit für die Feuerwehren. In der Region waren im Nu Unterführungen und Straßen überflutet, Bäche traten über die Ufer. „Diesmal hat es uns voll erwischt“, fasste Lagedienstführer Andreas Belz von der Braunschweiger Feuerwehr die Lage zusammen. Im Stadtgebiet rückte die Feuerwehr 81 Mal aus, um Keller auszupumpen. Auf der Wolfenbütteler Straße wurde ein Gullydeckel vom Wasser auf die Straße gedrückt. Laut Polizei wurden vier Autos beschädigt, deren Fahrer das Hindernis zu spät bemerkt hatten. Am Kreuz Braunschweig Süd prallte ein Autofahrer auf regenglatter Fahrbahn gegen eine Betonwand. Er blieb dabei unverletzt.

Eine böse Überraschung erlebten am Freitagmorgen die Mitarbeiterinnen der „Kinderkrippe Sonnenschein“ in Rüningen. Der Keller, in dem sich das Büro, ein Materiallager und ein Aufenthaltsraum befinden, stand knapp einen Meter tief unter Wasser. Computer, Heizungsanlage, Akten und persönliche Gegenstände wurden beschädigt. „Das geht in die Tausende“, sagte Leiterin Sonja Mewes: „Jetzt können wir gut Spenden gebrauchen“. Die „Kinderkrippe Sonnenschein“ wird von einem Verein getragen. Geplant sei, so Mewes, die Kita Montag wieder zu öffnen.

Auch im Wolfsburger VW-Stammwerk kämpfte man gegen die Wassermassen: Es gab Überschwemmungen im Tunnel zum Tor 17 und in verschiedenen

Werkshallen. Mitarbeiter mussten zum Schichtwechsel durch knöcheltiefes Wasser waten. In der Stadt liefen etliche Keller voll, die Feuerwehr rückte 200 Mal aus. Und zwei Fallersleber Feuerwehrmänner mussten nach einer langen Einsatznacht auch noch das Wasser im eigenen Keller beseitigen.

Im südlichen Landkreis Gifhorn hatte die Feuerwehr weit mehr als 100 Einsätze mit ihren Wasserpumpen. Die Polizei registrierte an dem Abend 60 eingehende Notrufe – sie rückte zu 20 Einsätzen aus. Teilweise standen die Menschen an den überfluteten Straßen knie-, wenigstens aber knöcheltief im Wasser. Die Wehr in Calberlah war selbst betroffen, weil die Kanalisation überfordert war: Das Wasser lief in die Fahrzeughalle.

Etwa 50 Einsätze registrierte die Leitstelle im Landkreis Helmstedt. Vor allem in Velpke, Grasleben, Lehre und Königslutter gab es voll gelaufene Keller und überflutete Straßen.

Leserfotos vom Unwetter in der Region

Blitz von Jonas Wölfle in Braunschweig.
Blitz von Jonas Wölfle in Braunschweig.
Thorsten Borchers hat aus 18 Einzelbildern dieses Foto zusammengesetzt, so dass alle Blitze in einem Bild sind. Fotografiert in Wolfenbüttel.
Thorsten Borchers hat aus 18 Einzelbildern dieses Foto zusammengesetzt, so dass alle Blitze in einem Bild sind. Fotografiert in Wolfenbüttel.
Dieses Bild hat Oliver Schrader  aus der Brüdernkirche in Braunschweig mit Blickrichtung Osten geschossen.
Dieses Bild hat Oliver Schrader aus der Brüdernkirche in Braunschweig mit Blickrichtung Osten geschossen.
Auch dieser Blitz ging Oliver Schrader vor die Linse.
Auch dieser Blitz ging Oliver Schrader vor die Linse.
Ebenso diese Entladung.
Ebenso diese Entladung.
Blitzfoto aus Helmstedt von Jens Muschalik.
Blitzfoto aus Helmstedt von Jens Muschalik.
Blitzfoto aus Helmstedt von Jens Muschalik.
Blitzfoto aus Helmstedt von Jens Muschalik.
Blitzfoto aus Helmstedt von Jens Muschalik.
Blitzfoto aus Helmstedt von Jens Muschalik.
Auch dieser Blitz ging in Helmstedt nieder.
Auch dieser Blitz ging in Helmstedt nieder.
Niels Henke hat in Hohenhameln, Kreis Peine, diesen Blitz eingefangen.
Niels Henke hat in Hohenhameln, Kreis Peine, diesen Blitz eingefangen.
Marcel Witte gelang dieses Blitzfoto im Braunschweiger Stadtteil Hondelage.
Marcel Witte gelang dieses Blitzfoto im Braunschweiger Stadtteil Hondelage.
Die Feuerwehr Lengede war wegen umgestürzter Bäume im Einsatz. Weitere Bäume drohten nach dem Sturm, ebenfalls umzustürzen.
Die Feuerwehr Lengede war wegen umgestürzter Bäume im Einsatz. Weitere Bäume drohten nach dem Sturm, ebenfalls umzustürzen.
Die Feuerwehr Lengede war wegen umgestürzter Bäume im Einsatz. Weitere Bäume drohten nach dem Sturm, ebenfalls umzustürzen.
Die Feuerwehr Lengede war wegen umgestürzter Bäume im Einsatz. Weitere Bäume drohten nach dem Sturm, ebenfalls umzustürzen.
Die Feuerwehr Lengede war wegen umgestürzter Bäume im Einsatz. Weitere Bäume drohten nach dem Sturm, ebenfalls umzustürzen.
Die Feuerwehr Lengede war wegen umgestürzter Bäume im Einsatz. Weitere Bäume drohten nach dem Sturm, ebenfalls umzustürzen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
Tanja Reis hat dieses Foto am 22. Juni in Vorsfelde aufgenommen.
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Im Landkreis Peine rückten die Freiwilligen Feuerwehren zu rund 90 Einsätzen aus – in den meisten Fällen wurden vollgelaufene Keller leergepumpt, einige Straßen standen kurzzeitig unter Wasser.

In Salzgitter reinigten die Einsatzkräfte überschwemmte Straßen und pumpten einen Keller aus. „Im Verhältnis zu den Kollegen aus der Region hatten aber wir einen ruhigen Abend“, resümierte Einsatzleiter Olaf Rahnefeld. Stadt und Landkreis Wolfenbüttel blieben sogar weitgehend verschont: Laut Polizei und Feuerwehr gab es keine nennenswerten Schäden.

Windböen knicken Bäume um

Neben den Wassermassen mussten die Feuerwehren viele umgeknickte Bäume beseitigen. In Braunschweig-Querum wurde ein Radfahrer durch einen herabstürzenden Ast verletzt. In Wahrstedt in der Samtgemeinde Velpke stürzte ein Baum auf ein Auto, in dem zum Glück niemand saß. In Gifhorn blieb die Straße Katzenberg gesperrt. Die Gefahr durch abfallende Äste sei einfach noch zu groß, erklärte Stadtsprecherin Annette Siemer.

Bei Velstove in Wolfsburg wurden gleich zehn Bäume auf einen Schlag entwurzelt. Ob es sich dort eine Windhose gebildet hatte, ist nicht klar; in jedem Fall waren die Gewitterböen sehr stark. In Bad Harzburg ließ ein sogenannter „Downburst“ mit Fallböen aus einer Gewitterwolke 20 Altbuchen und -eschen zu Bruch gehen. Mehrere Wanderwege in der Nähe des Baumwipfelpfads waren unpassierbar. Nach Auskunft von Landesforst und Nationalparkverwaltung bleibt ein Verbindungsweg zwischen der Sennhütte und dem Molkenhaus noch bis Montag gesperrt.

Großen Wirbel lösten am Donnerstag Meldungen über einen Mini-Tornado über Hamburg aus. Können Gewitter tatsächlich nicht nur Fallböen, sondern sogar Tornados auslösen? „Prinzipiell schon. Tornados bilden sich durch kräftige Gewitterwolken und eine Windscherung“, erklärt Wetterexpertin Julia Schmidt: Vom Boden aus wehe der Wind in eine Richtung. Wenn er in die Höhe steige, ändere sich die Richtung und der Wind fange an zu rotieren. Die Meteorologin rechnet in Zukunft noch häufiger mit extremen Wetterereignissen wie Starkregen und Fallböen: Durch Klimawandel und Erderwärmung entstehe in der Atmosphäre mehr Energie.

Hardrock im Starkregen

Die ganze Kraft des Unwetters bekamen am Donnerstagabend auch die 75 000 Guns N’ Roses-Fans auf dem Messegelände in Hannover zu spüren. Kurz nach Konzertbeginn hatte der Veranstalter gegen 20.45 Uhr die Show wegen des aufziehenden Gewitters unterbrochen. Die Fans wurden gebeten, in benachbarten Messehallen Schutz zu suchen. Die große Mehrheit kam dem ruhig und diszipliniert nach, viele wurden auf dem Weg dorthin trotzdem klatschnass. Verletzte gab es nicht.

Schließlich sorgte Oberbürgermeister Stefan Schostok persönlich dafür, dass die US-Hardrocker nach einer mehr als einstündigen Unwetter-Unter- brechung ihr Konzert bis tief in die Nacht fortsetzen konnten. Das sagte Sprecher Karsten Seifert vom Veranstalter Hannover Concerts unserer Zeitung. „Eigentlich müssen wir dort um 23 Uhr Schicht machen. Doch weil auch in der Innenstadt Land unter war und wichtige S-Bahnen nicht fuhren, hat der Oberbürgermeister angewiesen, das Konzert so lange wie möglich fortzusetzen.“ Auch die Band habe sofort ihre Bereitschaft signalisiert, trotz der massiven Verzögerung noch ihr gesamtes Programm spielen zu wollen. Also kehrten Guns N’ Roses gegen 22.30 Uhr auf die Bühne zurück und spielten bis 1.15 Uhr ein krachend-opulentes Hardrock-Konzert.

Das Unwetter zog indes über unsere Region weiter nach Sachsen Anhalt. Im Magdeburger Zoo warf der Sturm viele Bäume um – einer fiel ausgerechnet auf das Tigergehege. Bis auf weiteres bleibe der Zoo deshalb geschlossen, sagte Zoodirektor Kai Perret am Freitag. Auch das Leopardengehege sei zum großen Teil zerstört worden. Die Tiere müssen zunächst in den kleineren Innengehegen bleiben. Im Magdeburger Zoo leben zwei Tiger und drei Leoparden. Je nach Dauer der Reparaturarbeiten werde überlegt, die Raubtiere so lange in anderen Zoos unterzubringen.