Braunschweig. Der Abschlussbericht des Abgas-Ausschusses belegt die enge Beziehung zwischen Regierung und Industrie. Die kontrollierte sich selbst.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mimt im Abgas-Skandal den großen Aufklärer, und die Vertreter von Union und SPD im Untersuchungsausschuss des Bundestages stellen sich schützend vor ihn. Dabei haben die Recherchen des Ausschusses deutlich gezeigt, wie eng verbunden Autoindustrie und Politik sind. Der Abschlussbericht, der am Donnerstag veröffentlicht wird und unserer Zeitung in Auszügen vorliegt, belegt die Beziehung schwarz auf weiß.

So schlug etwa Daimler vor, ein Fahrzeug mit erhöhtem CO2-Wert einfach aus der Bewertung einer staatlichen Untersuchung herauszunehmen. Das fanden selbst Ministeriumsvertreter dreist, doch allein der Vorschlag zeigt die Erwartungshaltung des Autobauers. Und diese dürfte nicht von ungefähr kommen.

Umwelt- und Verkehrsministerium leiteten 2008 eine Felduntersuchung ein: Zum einen sollten das Abgasverhalten von Autos, die bereits im Verkehr sind, und emissionsrelevante Bauteile überprüft werden, zum anderen die Dauerhaltbarkeit von Austausch-Katalysatoren. Treiber war das Umweltministerium gewesen, auf einen Hinweis der Deutschen Umwelthilfe hin, wie es im Ausschussbericht heißt.

Das Umweltbundesamt hatte kritisiert, dass die Hersteller ihre Autos quasi selbst kontrollierten. Die zuständige Typprüfbehörde, das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), veranlasse nur eigene Messungen, wenn ein Autobauer von sich aus Auffälligkeiten melde – was bisher nicht vorgekommen sei. Schon damals empfahl das Umweltbundesamt im Übrigen, bei Verdachtsfällen zu prüfen, „ob Einrichtungen zur Zykluserkennung vorhanden sind“.

Den Zuschlag für die Felduntersuchung erhielt der Tüv Nord. Untersucht wurde bei 17 Modellen verschiedener Hersteller – davon elf Diesel –, ob sie auf dem Prüfstand noch die Typgenehmigungswerte einhalten, also die Werte, die sie zu Beginn ihres „Lebens“ hatten. Hersteller und Verbände wurden bei einer „Auftaktveranstaltung“ über die geplante Feldüberwachung informiert, wie ein Mitarbeiter der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) als Zeuge im Ausschuss berichtete. Zu den Messungen beim Tüv wurden sie ebenfalls eingeladen – „aber nur beiwohnen, keine Einflussmöglichkeit“, so der Zeuge.

Während bei 16 Modellen keine Auffälligkeiten bei den limitierten Schadstoffemissionen – wie zum Beispiel Stickoxide oder Partikel – festgestellt wurden, überschritten zwei der drei VW-Fahrzeuge deutlich den Grenzwert für Kohlenmonoxid. VW führte daraufhin eigene Messungen durch und verbesserte mit einem Software-Update das Anspringverhalten des Kats und damit die Kohlenmonoxidwerte. Die Behörden empfahlen daher eine Nachrüstung für alle betroffenen Autos – VW sah dafür allerdings keinen Anlass.

Entsprechend dem vorgeschriebenen statistischen Verfahren erweiterten die Behörden die Stichprobe von drei auf acht Autos des Modells, in der Summe „bestand“ VW schließlich. Auf eine schriftliche Stellungnahme der Wolfsburger warteten die Behörden allerdings vergeblich. „Da die gesetzte Frist bereits lange abgelaufen ist, kann man wohl davon ausgehen, dass von Volkswagen keine Reaktion mehr zu erwarten ist“, teilte der Bast-Mitarbeiter mit.

Bei Audi, BMW, Daimler, Fiat, Hyundai und VW stellten die Behörden zudem erhöhte CO2-Emissionen fest. Die von den Herstellern abgegebenen Erklärungen waren „mitunter abwegig formuliert“, stellte die Bast fest. Die Antworten dokumentierten gleichwohl unmissverständlich, dass die bei der Typprüfung erlaubten Methoden zur Messung des CO2-Ausstoßes „große Bandbreiten zulassen“. Dies zeige deutlich, dass hier klare Vorschriften eingearbeitet werden sollten.

Die Feldüberwachung wurde mehrfach verlängert, Ende 2014 lag der Abschlussbericht zur Abnahme vor. Kurz vor dem Druck stoppte das Verkehrsministerium die Veröffentlichung jedoch. Denn es waren auch zwei Motoren untersucht worden, die ab September 2015 unter Betrugsverdacht standen.

Erschienen ist der Bericht schließlich im April 2016 – siebeneinhalb Jahre nach Start des Projekts.